Griechenland war ein Klacks. Das Land hat einen Anteil von rund 2 Prozent am Bruttoinlandprodukt (BIP) der Euro-Zone. Ohne ein einziges Problem zu lösen, verwandelten die Eurokraten die griechische Wirtschaftskrise in einen Belastungstest, an dem der Euro fast zerbrochen wäre. Und jetzt kommt Spanien (11 Prozent des Euro-BIP).
Zahlen sprechen für sich
Die Ausgangslage ist klar und längst bekannt. In Spanien pumpte sich die grösste Immobilienblase der Welt auf, gemessen am BIP. In den Bilanzen der Banken schlummern rund 20 Milliarden Euro fauler Hypokredite, ergänzt man die Zahl um ausfallgefährdete Darlehen, sind es 176 Milliarden. Seit Jahren steckt das Land in einer tiefen Rezession, nach einem schmalen Wachstum von 0,7 Prozent im Jahr 2011 sind die erwarteten Zahlen für 2012 tiefrot: minus 1,8 Prozent. Die Arbeitslosenquote liegt bei 23 Prozent, jeder zweite Jugendliche ist ohne Job. Weltrekord unter industrialisierten Ländern. Das Defizit im Staatshaushalt betrug 2011 sagenhafte 8,5 Prozent, dieses Jahr soll es auf «nur» 5,3 Prozent die BIP gedrückt werden. Dafür muss die Regierung mitten in der Krise 42 Milliarden Euro einsparen.
Die Alarmglocke
Weil die Staatsdesaster immer unübersichtlicher werden, hat man sich angewöhnt, eine Kennziffer als Massstab für das Ausmass der Krise zu nehmen: Wie viel Zinsen für neu ausgegebene Schuldpapiere gezahlt werden müssen. Die liegen bei Spanien über 6 Prozent, Tendenz steigend. Zum Vergleich: Deutschland zahlt gerade mal 0,1 Prozent für ein gestern ausgegebenes Staatsschuldpapier mit Laufzeit zwei Jahre. Das andere Kriterium sind Kreditausfallversicherungen, also welche Prämie muss ich zahlen, um mich gegen einen Totalverlust zu schützen. Um einen Spanien-Bond über 10 Millionen Dollar und einer Laufzeit von 5 Jahren zu versichern, müssen 520 000 Dollar gezahlt werden. Jährlich.
Die Zündkapseln für die Explosion
Wir haben also eine Wirtschaft in tiefer Rezession, eine geplatzte Immobilienblase, eine exorbitant hohe Zahl an Arbeitslosen, einen Staat, der knirschend spart und trotzdem tief in den roten Zahlen steckt sowie unbezahlbare Zinsen für neue Darlehen stemmen sollte. Genügend Dynamit, um die Gesellschaft in die Luft zu sprengen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die eine Billion Euro, die von der Europäischen Zentralbank in den letzten Monaten praktisch umsonst ins europäische Finanzsystem gepumpt wurden, ohne Wirkung verdampften. Also höchste Zeit für drastische Massnahmen, Kurswechsel, Notfallpläne, Feuerwehr. Und was tun die Eurokraten? Das von ihnen Gewohnte: nichts.
Es ist unsäglich
Zugegeben, «nichts» ist etwas unfair. Spanien wird empfohlen, nicht zu vergessen, dass auch Anreize für wirtschaftliches Wachstum gegeben werden sollten. Das ist nicht nichts, aber ein zynischer Witz. Denn es fehlt natürlich jeder Hinweis darauf, wie das Spanien wohl anstellen soll. Angesichts von staatlichem Sparzwang, maroden Banken, Rezession, Arbeitslosigkeit und mörderischen Zinssätzen für neue Darlehen. Stattdessen flüchten sich die Eurokraten in ein bewährtes Muster: schönreden, kleinreden, Optimismus versprühen, vor Schwarzmalerei und schädlichem Krisengeschwätz warnen. Das hat ja bei Griechenland schon prima geklappt. Nur gibt es einen Unterschied: Spanien mag ja «too big to fail» sein, aber wenn bei Griechenland bislang knapp 400 Milliarden Euro in wirkungslosen Rettungsmassnahmen verbraten wurden, dann müssten es bei Spanien ja mindesten 2 Billionen sein. Bevor es dann zu einem Schuldenschnitt à la Hellas kommt.
Konsequent
Wenn man konsequent das Gleiche, nämlich das Falsche, tut, dann sollte man sich eigentlich nicht wundern, wenn das gleiche Resultat herauskommt. Die Parallele mit Griechenland liegt auf der Hand. Was spricht also gegen die Prognose, dass auch im Fall Spaniens die Gläubiger rasiert werden, also auf einen guten Teil ihres Geldes verzichten müssen? Eigentlich nichts. Ausser, dass wir ja auch noch Portugal, Irland und Italien in der Eurozone haben. Italien ist immerhin die drittgrösste Wirtschaftsmacht in Europa, und alle drei Länder haben tendenziell ähnliche Probleme wie Spanien. Nun kann man, dem Kapitalismus sei’s geklagt, mit Schulden Zeit kaufen. Bei einem Zinssatz von 5 Prozent kann man sozusagen um den Faktor 20 hebeln. Solange man die 5 Prozent aufbringt, muss man sich nicht sonderlich um die Verwendung der 100 Prozent kümmern. Man kann sie verlochen, zum Fenster rausschmeissen, nicht wertschöpfend verrösten. Man kann sogar neue Schulden machen, um die 5 Prozent zu bedienen. Aber entweder hat man so das Perpetuum mobile erfunden, oder es kommt der Zahltag. Die Antwort der Eurokraten: Mag sein, aber hoffentlich erst nach den nächsten Wahlen.