Blenden wir zwei Jahre zurück. Da konnte sich jede beliebige Grossbank zu einem läppischen Zinssatz von einem Prozent Geld von der Europäischen Zentralbank (EZB) leihen. Und mit einem Tastenklick in griechische Staatsanleihen zu fünf Prozent investieren. Ein Deal ganz nach dem Geschmack der Banker: Kein Aufwand, null Risiko, garantierter Gewinn ohne die geringste Eigenleistung. Wem diese Lizenz zum Gelddrucken nicht genügte, der konnte sogar ein Karussell bauen: Die bestens bewerteten Staatsanleihen als Sicherheit hinterlegen und mit dem dafür geliehenen Gratis-Geld scharfe Zockerspielchen auf den internationalen Finanzmärkten betreiben.
Es geht noch besser
Als sich die ersten dunklen Wolken am Finanzhorizont Griechenlands abzeichneten, verdienten sich die Banken zusätzlich dumm und krumm, indem sie, beispielsweise mit CDS, eine Kreditausfallversicherung, auf den Untergang der Papiere wetteten, in die sie selbst investiert waren. Ach, und zudem konnte man sich eine goldene Nase verdienen, indem man die griechische Regierung dabei beriet, mit welchen Bilanztricks sie ihre Papierchen weiterhin als sicher und bestens bewertet auf den Markt werfen konnte. Schliesslich sind Banken und Rating-Agenturen spätestens seit dem Verkauf von AAA-bewerteten Hypothekarschrott-Papieren gute Kumpels. Logisch, dass man sich dabei als hilfreicher Verkäufer im Dienste Griechenlands gleich nochmal satte Provisionen, Kommissionen, Ausgabeaufschläge und so weiter reinpfiff. Die Bankpaläste in Frankfurt und Paris und auch anderswo müssen leise gezittert haben, so schallend wurde in ihnen gelacht, während die Champagnerkorken knallten.
Idiotenspiel
Natürlich war schon damals allen klar, dass auch diese Blase, wie alle vor ihr, früher oder später platzen wird. Aber gewitzt durch die Erfahrungen aus dem grössten Bankraub aller Zeiten, auch bekannt als Finanzkrise 2008, wussten die Bangster, dass ihnen nichts passieren kann. Mit der abgeklärten Routine eines Wiederholungstäters hoben die Bosse der Grossbanken warnend den Zeigefinger, als sich immer klarer abzuzeichnen begann, dass Griechenland seine Staatsschulden nie und nimmer begleichen kann. Das machte sich zunächst schmerzhaft dadurch bemerkbar, dass Griechen-Bonds im Rating heruntergestuft wurden. Was bedeutete, dass die Banken nachschusspflichtig wurden, wenn sie solche Papiere als Sicherheiten hinterlegt hatten. Normales Künstlerpech eigentlich, kein Gewinn ohne Risiko, dumm gelaufen. Wer einen Extrabatzen Zinsen kassiert, muss halt damit rechnen, dass der Schuldner auch Pleite gehen kann und danach der Gläubiger auch. Aber diese marktwirtschaftlichen Grundprinzipien gelten ja spätestens seit der letzten Finanzkrise nicht mehr für Grossbanken. Also zogen sie die bewährte Nummer zum zweiten Mal ab. Ich nenne das «sucker’s game», das Idiotenspiel. Und nein, die Bangster sind nicht die Idioten.
Hilfe, uns fliegt das Dach weg
Daher wurden deutsche und französische Grossbankenchefs bei ihren Regierungen vorstellig und erklärten: Ihr habt nur zwei Optionen. Entweder schnürt ihr ein Rettungspaket für uns Grossbanken oder eins für Griechenland. Wenn wir da raten dürfen, besser für Griechenland, denn eine neuerliche Bankenhilfe käme in der Öffentlichkeit vielleicht nicht so gut an. Aber wenn ihr das nicht macht, dann sind entweder wir Banken oder die Hellenen pleite oder sogar alle beide, und das ist ja bekanntlich der Weltuntergang, das einzige, was niemals passieren darf. Die Politiker zeterten etwas rum, weder das eine noch das andere sei möglich: eine neuerliche Bankenrettung dem Wähler nicht vermittelbar und eine Griechenland-Rettung ohne Rechtsbruch und Verstoss gegen grundlegende EU-Richtlinien ausgeschlossen. Die Banker konnten nur mit Mühe ein Grinsen unterdrücken, tätschelten den Regierungsmitgliedern aufmunternd den Rücken und erinnerten an den europäischen Gedanken, an die Möglichkeit eines übergesetzlichen Notstandes und an den weisen Satz, dass unvorhersehbare Situationen unvorhersehbare Massnahmen erfordern. Auf der Rückfahrt von solchen Besprechungen müssen zuerst die gepanzerten Limousinen der Bangster und anschliessend ihre Bankpaläste wieder leise gezittert haben, so schallend wurde gelacht.
Ist es nur Dummheit?
Also begab es sich, dass bis Anfang 2010 sämtliche griechischen Staatspapiere in privater Hand waren, bei Anlegern, Hedgefonds und Banken deponiert. Um anschliessend sukzessive in öffentliche Hand überzugehen. Da liegen wir inzwischen bei über einem Viertel, Tendenz rasant steigend. Mit ironischem Grinsen reagieren die Banker heute auf hilflose Versuche einzelner Politiker, sie wenigstens auf freiwilliger Basis am Aufräumen dieses Desasters zu beteiligen. Das gehe natürlich gar nicht, sagen da die Bankbosse, sie müssten schliesslich die Interessen ihrer Besitzer, also ihrer Aktionäre, wahren, ausgeschlossen, sorry. Und die EZB, die ja nach dem Sündenfall der Übernahme von absaufenden Staatspapieren eines EU-Mitgliedslandes auch keinen Ruf mehr zu verlieren hat, stimmt dem noch aus voller Kehle zu. Man könnte da leicht zum Verschwörungstheoretiker werden, wenn man die banale, wie wohl richtige Schlussfolgerung, dass das alles nur ein Ausdruck ungeheuerlicher Dummheit der Politiker ist, nicht akzeptieren will.
Sind eigentlich die Griechen selber schuld?
Natürlich hat der griechische Staat geschummelt, getrickst und, lustig in diesem Zusammenhang, getürkt. Aber: Wer sich von einem Schlawiner einen Schuldschein andrehen lässt, an dem er sich zuerst mal selber gesund stösst, bevor er ihn dann an die Allgemeinheit, also die Steuerzahler, weiterreicht, ist das nicht der noch grössere Schlawiner? Zweifellos. Und erst noch der erfolgreichere: Denn während die Griechen ihr eigenes Schlamassel nun ausbaden müssen, kommen die Bangster zum zweiten Mal innert weniger Jahre ungeschoren davon. Ist ja auch verständlich: Wenn nach dem ersten ungeahndeten Bankraub der Tresor mit Steuergeldern wieder aufgefüllt wird und die Türe sperrangelweit offen steht, wer könnte da der Versuchung widerstehen.