Die Rettungsaktionen für Griechenland kann man nur mehr auf zwei Arten beschreiben. Entweder als psychopathologische Analyse eines Politikerversagens ungekannten Ausmasses. Oder finanzpolitisch als Ausdruck ungeahnter Dummheit und Unfähigkeit. Unbeantwortet bleibt bei beiden Ansätzen nur die Frage nach dem Warum. Warum das möglich ist.
Dass Griechenland nicht in die Währungsunion des Euro gehört, war von Anfang an klar. Dass Griechenland diesen Eintritt nur mit Betrug, übelsten Schummeleien und dummdreistem Fälschen von Wirtschaftsstatistiken schaffte, wurde schnell klar. Und seit spätestens einem Jahr ist offensichtlich, dass der griechische Staat pleite ist. Wer das ökonomische Einmaleins beherrscht, wusste von Anfang an: Das kann und wird nicht gutgehen. Heute sind wir soweit, dass offiziell zugegeben wird, was vor wenigen Monaten noch als undenkbar von den Euro-Politikern zurückgewiesen wurde: Wenn Griechenland nicht bis Ende dieses Monats weitere Milliarden bekommt, ist das Land auch offiziell pleite.
Teeren und federn
Um die wichtigsten Stationen der letzten Monate zu skizzieren, wurde unter klarem Bruch aller hochbeschworenen EU-Prinzipien und aller Versprechen zunächst ein Rettungspaket von 10, dann von 30 und schliesslich von 110 Milliarden Euro geschnürt. Fast schlimmer noch, die Europäische Zentralbank (EZB) beging den notenbankpolitischen Sündenfall, marode griechische Staatsanleihen zum Nennwert in die eigenen Bücher zu nehmen, und investierte rund 50 Milliarden Euro in Griechen-Bonds. Alleine dafür sollten die EZB-Banker geteert und gefedert werden, denn statt damit etwas zu retten, übernahm die Notenbank selbst das Ausfallrisiko für einen Schuldner. Gleichzeitig krähen führende EZB-Banker ungeniert in die Kakophonie der Politiker hinein. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet will eine zwangsweise Beteiligung von privaten Gläubigern, also Banken, ausschliessen und ist klar gegen eine Laufzeitverlängerung der Anleihen. Für solche politischen Äusserungen müsste er mindestens fristlos entlassen werden. Seine Vizepräsident Victor Constancio widerspricht dem kurz, dann widerspricht er sich selbst. Ein Tollhaus. Aber das spielt heute auch keine Rolle mehr.
Unsägliche Verklammerung
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble bringt ein zweites (oder drittes, vieltes, das spielt auch keine Rolle mehr) Rettungspaket auf den Weg und fordert eine «faire Lastenteilung zwischen Steuerzahler und privaten Gläubigern». Lachhaft. Denn, dass ich das mal sagen muss, die deutschen Banken handeln konsequent und räumen griechische Staatspapiere aus ihren Büchern, so schnell sie können. Seit April 2011 trennten sich deutsche Geschäftsbanken von solchen Zeitbomben im Wert von mehr als 4 Milliarden Euro. Das ist auch logisch, denn wenn die Rating-Agenturen, wie angedroht, noch die wenigen Schritte bis zur Stufe «Zahlungsausfall» bei griechischen Schrottpapieren vornehmen, dann macht es bumm. Aber statt Griechenland endlich in eine geordnete Insolvenz gehen zu lassen, hängen die EZB, die deutsche Regierung und diverse halbverstaatlichte oder private Banken dermassen tief im Schlamassel drin, in einer unsäglichen Verklammerung mit dem klammen Hellenenstaat, dass sie da nicht unbeschädigt rauskommen werden.
Der Fluch der bösen Tat
Ein falscher Weg wird nicht zum richtigen, indem man ihn weiter beschreitet. Langsam wird es sogar einigen Politikern und Wirtschaftskoryphäen bewusst, dass jede weitere Hilfe an Griechenland keine Rettung, sondern nur noch grössere Übel bewirkt. Statt ein Rettungspaket für die Zeit nach dem Bankrott bereitzustellen, werden Milliarden und Abermilliarden verlocht, um das Unausweichliche wenigstens noch um ein paar Monate hinauszuschieben. Beim absehbaren Ende wird die Rechnung präsentiert werden, und da gilt dann wie bei einer Schiesserei im Wilden Westen das Prinzip: «last man standing». Wenn sich der Pulverdampf verzogen haben wird, werden das wohl die Deutschen sein. Genauer: die deutschen Steuerzahler. Und ihre Kinder. Und ihre Kindeskinder. Ausser, dem geduldigen deutschen Michel reicht es mal wieder. Und was dann passieren könnte, wollen wir alle nicht erleben. Da möchte man fast religiös werden und an Pfingsten hoffen, dass sich der Heilige Geist auch in die Politiker der Eurozone ergiesse. Oder der Herr wenigsten Hirn vom Himmel regnen lasse. Denn eigentlich kann da nur noch ein Wunder helfen.