Es ist völlig legitim und richtig, dass der griechische Ministerpräsident Papandreou, unterstützt von seinem Kabinett, das neuste sogenannte EU-Rettungspaket einem Referendum unterstellt. Denn die Leidtragenden dieser Fortsetzung einer Irrwitzpolitik der EU sind ja die griechischen Bürger.
Nach kurzer Schockstarre melden sich inzwischen natürlich Politiker und Wirtschaftskoryphäen zu Wort, die den Griechen dieses selbstverständliche Recht absprechen wollen. Und da nach dem Krisen-Gipfel vor dem Krisen-Gipfel ist, wird sich das Duo infernale Sarkozy/Merkel vor dem G-20-Treffen in Cannes den griechischen Ministerpräsidenten zur Brust nehmen, um ihm die in ihren Augen bescheuerte Idee, das eigene Volk zu befragen, auszureden.
Wer zahlt?
Dass Griechenland pleite war und ist, muss ja nicht nochmals begründet werden. Alle untauglichen Versuche, den Eintritt des Bankrotts mit zusätzlichen Multimilliarden rausgeschmissener Euro hinauszuzögern, sind reine Geldvernichtung. Es gibt aber ein klitzekleines Problem. Griechenland braucht kontinuierlich und monatlich rund 10 Milliarden Euro neue Kredite, um den Kopf über Wasser zu halten. Die Volksabstimmung ist aber nach neusten Informationen auf frühestens Dezember geplant. Also erhebt sich die Frage, wer wohl so tollkühn ist, den Hellenen diesen und nächsten Monat 20 Milliarden Euro zu leihen. Ausser zu Wucherzinsen von 50 Prozent oder mehr, natürlich sofort zahlbar.
Platz für Erpressung
Wenn Kredite von privaten Geldgebern nicht erhältlich sind, bleibt natürlich wie gehabt die gute, alte Europäische Zentralbank (EZB), die ja bereits auf einem Multimilliardenstapel von faktisch wertlosen Staatsschuldpapieren sitzt. Eigentlich wäre es kein Problem, dass die EZB weitere Milliarden locker macht. Im Rahmen des europäischen Solidaritätsgedankens ist es aber eher wahrscheinlich, dass man Papandreou vor die Wahl stellt: Entweder bläst du das Referendum ab, oder wir drehen dir sofort den Geldhahn zu. Dann braucht es gar keine Volksabstimmung mehr, denn Griechenland wäre augenblicklich pleite.
Rapide Beschleunigung
Bei einer drohenden Insolvenz einer Firma oder eines Staates gibt es immer nur drei Alternativen. Entweder setzen sich alle Gläubiger an einen Tisch, machen Kassensturz und entscheiden schnell, ob das Unternehmen noch zu retten ist, und wenn ja, welcher Schuldenschnitt akzeptiert werden muss. Oder es gibt keine Hoffnung mehr, dann schmeisst man nicht gutes Geld schlechtem hinterher, sondern zieht den Stecker raus. Nachdem geradezu lehrbuchhaft die versammelten Eurokraten mitsamt ihren beratenden Wirtschaftskoryphäen diesen Moment schon längst verpasst haben, setzt Variante drei ein. Hektik, Gewurstel, Gemurkse, Panik. Deutlich erkennbar ist das an einer rapiden Beschleunigung der Aktionen, Ankündigungen, Krisentreffen und neuen, endgültigen Rettungsmassnahmen. Wobei natürlich immer wieder «Unvorhersehbares» eintritt, das die gestern beschlossenen Massnahmen heute schon obsolet macht.
Griechenland, so verfahren ist die Situation inzwischen, hat ja nur noch zwei Alternativen: Mit oder ohne Volksabstimmung Bankrott erklären. An die dritte Möglichkeit, dass die EU Papandreou erfolgreich erpresst, die Meinung der eigentlich Betroffenen doch nicht einzuholen, wollen wir lieber nicht denken. Nach seiner Ankündigung würde das garantiert zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen führen, zum völligen Chaos und möglicherweise zur Unregierbarkeit.
Und die Märkte?
Allseits gefürchtet wird der Domino-Effekt, wenn Griechenland finanziell im Hades verschwindet. Was ist dann mit Portugal, Irland, Spanien, Italien? Ja was soll denn sein? Nehmen wir nur das Beispiel Portugal. Der Staat steht finanziell mindestens so auf der Kippe wie die Hellenen. Aber laut dem letzte Woche beschlossenen endgültigen Rettungsplan (erinnert sich noch jemand?) müsste auch Portugal den armen Griechen finanziell unter die Arme greifen. Das ist so, wie wenn man einen hirntoten Patienten auf der Intensivstation mit Riesenaufwand weiter beatmet, weil das angeblich das Leben des neben ihm liegenden Schwerstkranken verlängere.
Es gibt in Norddeutschland den schönen Satz: Wat mut, dat mut. Für Südländer: Was muss, das muss. Genauso ist es in der Wirtschaft. Wenn Portugal, Spanien, eventuell auch Italien, mit oder ohne Pleite Griechenlands, ebenfalls Bankrott erklären müssen, dann ist das eben so. Unschön, ungut, aber, hier macht das Wort endlich mal Sinn, alternativlos.