Als „USA Today“ 1982 auf den Markt kam, erhielt das Blatt seiner Aufmachung mit kurzen Beiträgen und farbigen Grafiken wegen den Übernahmen „McPaper“ – journalistisches Fast Food. Heute hat die Zeitung, von der Gannett Company herausgegeben, eine Auflage von knapp über einer Million Exemplaren und erreicht täglich drei Millionen Leserinnen und Leser – ähnlich viele wie landesweit das „Wall Street Journal“ oder die „New York Times“.
Engagement gegen Trump
„USA Today“ bemüht sich seit jeher um sachliche Berichterstattung über die amerikanische Politik und hat bis zur jüngsten Präsidentenwahl mit einer Ausnahme noch nie eine Kandidatin oder einen Kandidaten ausdrücklich unterstützt: 1991 jedoch rieten die Leitartikler des Blattes davon ab, David Duke, den Führer des Ku Klux Klan, zum Gouverneur von Louisiana zu wählen.
Im September 2016 brach die Zeitung erneut mit der Tradition, für keinen politischen Kandidaten zu votieren. Unter dem Titel „Trump ist untauglich für das Präsidentenamt“ unterstützte ein Leitartikel zwar nicht namentlich Hillary Clinton, aber die Stossrichtung war klar: „Gehen Sie auf jeden Fall wählen, aber einfach nicht Donald Trump.“
Was heisst „alles“?
„Werden Trumps Ausfälle je ein Ende finden?“, lautet der Titel des aktuellen Leitartikels von „USA Today“, der seiner Bissigkeit wegen landesweit für Aufsehen sorgt. Den Meinungsbeitrag begleitet, wie gewohnt, die Entgegnung einer früheren Offiziellen der republikanischen Parteiführung. Sie stuft die Reaktion der Demokraten auf einen Tweet Donald Trumps über Senatorin Kirsten Gillibrand als „lächerlich“ ein.
Eine Sprecherin des Weissen Hauses ihrerseits teilte mit, nur jemand, dessen Verstand „in der Kloake“ stecke, käme auf den Gedanken, die Twitter-Botschaft des Präsidenten so zu interpretieren, als habe er Sex gemeint, als er schrieb, die Senatorin aus New York würde „alles machen“, um an Wahlspenden zu kommen.
Auch die Leitartikler der Zeitung, die sich selbst als der Mitte zugehörig bis konservativ einstufen, kamen umgehend unter Beschuss, sie seien parteiisch oder liberal. Ihre Reaktion: „Der Präsident kann den lieben Tag lang behaupten, wir seien voreingenommen, aber wir trauen unseren Leserinnen und Lesern zu, den Unterschied zwischen einem Vorurteil und einem gut durchdachtem Kommentar zu sehen, einer Einschätzung, die sich nicht an Parteilinien orientiert, sondern eher die berechtigte Sorge um unser Land ausdrückt.“
Und wie kommentierte die „Washington Post“ den Leitartikel der Konkurrenz? „Dass Trump von einer Zeitung so heftig kritisiert wird, dessen Leitartikler jeweils versuchen, unvoreingenommen zu bleiben, ist ziemlich aussergewöhnlich. Es zeigt aber, dass sein Verhalten nicht nur seinen natürlichen Gegnern missfällt, sondern auch Leuten, die es sonst vermeiden, Partei zu ergreifen.“
Der Originalbeitrag
Im Folgenden die Übersetzung des vergangene Woche erschienenen Meinungsbeitrags des Editorial Board von „USA Today“:
„Mit seinem letzten Tweet, der unverhohlen suggeriert, dass eine amerikanische Senatorin sexuelle Gunst gegen eine Wahlspende tauschen würde, hat Präsident Trump bewiesen, dass er für das höchste Amt untauglich ist. So tief zu sinken, ist kein Hinderungsgrund für einen Präsidenten, der immer Raum findet, noch tiefer zu sinken.
Die Sprecherin des Weissen Hauses, Sarah Huckabee Sanders, hat die üble Nachrede des Präsidenten als Missverständnis entschuldigt, weil er über Männer ähnlich rede. Natürlich ist, was über Männer und Frauen gesagt wird, nicht das Gleiche. Als Kandidat Trump seinerzeit bemerkte, eine Journalistin blute aus ihrem „Wo auch immer“, meinte er nicht ihre Nase.
Wie bei all seinen digitalen Provokationen waren die Worte des Präsidenten beabsichtigt. Er giesst das Benzin sexistischer Sprache aus und zündet ein Streichholz an, wohl wissend, dass sich das Gemisch entflammen wird in einem Land, das ob eines „#MeToo“-Moments ins Taumeln geraten ist.
Ein Präsident, der eine Senatorin indirekt eine Hure nennt, ist untauglich, die Toiletten von Barack Obamas Präsidentenbibliothek zu reinigen oder George W. Bushs Schuhe zu putzen.
Hier geht es nicht um politische Differenzen, wie wir sie mit allen Präsidenten haben oder um unsere Enttäuschung über Entscheide, die sie getroffen haben. Obama und Bush haben beide Fehler gemacht. Sie haben Versprechen gebrochen und Unwahrheiten gesagt, aber der grundlegende Anstand beider Männer stand ausser Zweifel.
Donald Trump anderseits ist einzigartig furchtbar. Sein Verhalten untergräbt das Bemühen einer geteilten guten Führung, die auf gemeinsamen Werten sowie der Zustimmung des Volkes basiert.
Es sollte niemanden überraschen, wie tief er im Fall von (Senatorin) Gillibrand gesunken ist. Als er im Wahlkampf beschuldigt wurde, Frauen sexuell bedrängt oder belästigt zu haben, antwortete Trump, indem er sich über das Aussehen seiner Anklägerinnen lustig machte. Im vergangenen Oktober meinte Trump, er hätte Jessica Leeds nie vor Jahrzehnten in einem Flugzeug begrapscht: „Glaubt mir, sie wäre nicht meine erste Wahl, soviel kann ich euch sagen.“ Trump machte sich über Natasha Stoynoff – eine andere Frau, die ihn beschuldigte – wie folgt lustig: „Checkt ihr Facebook, ihr werdet’s verstehen.“ Auch andere Prominente und Politiker haben Anschuldigungen dementiert, aber keiner unter ihnen ist so tief gesunken, um zu suggerieren, die fraglichen Frauen seien nicht attraktiv genug gewesen, um von seiner Grapscherei beehrt zu werden.
Will man der jüngeren Geschichte glauben, so dürfte die beispiellose Schrecklichkeit der Ära Trump noch schlimmer werden: Trumps absoluter Mangel an Moral, Ethik und schlichter Menschlichkeit ist während den elf Monaten, seit denen er im Amt ist, deutlich zu Tage getreten. Schauen wir uns einige Beispiele an:
- Er unterstützt begeistert Alabamas republikanischen Senatskandidaten Roy Moore, der beschuldigt wird, Teenagern nachzustellen – und sie in einem Fall belästigt und in einem andern Fall attackiert zu haben –, als Moore in seinen Dreissigern Staatsanwalt in einem County war. Am Dienstag fasste Trump seine Bereitschaft, einen Mann zu unterstützen, der als Verbrecher beschuldigt wird, wie folgt zusammen: „Roy Moore wird immer mit uns stimmen.“
- Trump ist offensichtlich zu einem neuen Rekord unterwegs, was Lügen im Amt betrifft. Bis Mitte November hat er während 298 Tagen im Weissen Haus 1’628 irreführende oder falsche Sachen gesagt. Das sind gemäss einer Statistik der Fact Checker der „Washington Post“ 5,5 falsche Behauptungen pro Tag.
- Trump profitiert von jeder Gelegenheit – selbst im Fall des missglückten Terroranschlags in New York –, um rassischen, religiösen oder ethnischen Streit zu schüren. Der Kongress müsse den Familiennachzug stoppen, sagte er am Montag, weil der Terrorverdächtige „aufgrund des Familiennachzugs in unser Land gekommen ist, was mit der nationalen Sicherheit unvereinbar ist“. Sind also alle Einwanderer, die ihren Angehörigen in unser Land folgen, verdächtig, nur weil ein einzelner Mann – der 27jährige Akayed Ullah, der rechtmässig in den USA niedergelassen und 2011 mit einem Familienvisum eingewandert war – beschuldigt wird, Amerika attackiert zu haben? Trumps Vorwurf wäre glaubwürdiger, wenn seine Kritik an Immigranten lediglich Terroristen treffen würde. Das tut sie aber nicht. Für ihn macht es keinen Unterschied, ob ein Einwanderer Terrorist oder Bundesrichter ist. Er hat einst einen Richter aus Indiana beschimpft, dessen Eltern aus Mexiko eingewandert sind. Diesem Präsidenten ist das alles egal.
- Als ein Mann, welcher der Regierung seinen Stempel aufdrücken will, hat Trump nicht einmal seinen Job erledigt, wenn es darum geht, jene Schlüsselposten der Regierung zu besetzen, welche die Zustimmung des Senats erfordern. Bis letzte Woche hat es Trump versäumt, 60 Prozent der 1’200 wichtigsten Stellen zu besetzen, die er bestimmen kann, damit die Verwaltung reibungslos funktioniert.
- Trump hat für ethische Beschränkungen, die für jeden Präsidenten der jüngeren Geschichte gegolten haben, nur Verachtung übrig. Er hat sich geweigert, seine Steuererklärung zu veröffentlichen, mit der absurden Entschuldigung, das sei so, weil er überprüft werde. Er hat sich geweigert, seine Geschäftsinteressen, die in die Milliarden Dollar gehen, in eine Stiftung einzubringen, und nährt die Fiktion, er mache das, indem er sie in die Hände seiner Söhne lege.
Vergessen wir auch nicht, dass er weisse Rassisten „sehr feine Leute“ genannt hat, dass er einen verbrecherischen Sheriff begnadigt, einen angesehenen FBI-Direktor entlassen und das Justizministerium dazu gedrängt hat, gegen seine politischen Gegner zu ermitteln.
Es ist ein Schock, dass bisher lediglich sechs demokratische Senatoren gefordert haben, unser psychisch labiler Präsident solle zurücktreten.
Die Nation sucht oder erwartet keine perfekten Präsidenten, und einige unter ihnen sind zweifellos mit vielen Schwächen behaftet gewesen. Aber ein Präsident, der die Wahrheit, die Ethik, die Pflichten des Amtes und den Anstand andern gegenüber nicht respektiert, scheitert am eigentlichen Wesen dessen, was Amerika stets gross gemacht hat.“