John Bolton ist der Sohn eines Feuerwehrmanns aus Baltimore (Maryland). Doch der Anwalt, der in Yale studiert hat, ist keiner, der Feuer erstickt, sondern eher einer, der Brände legt. Als Diplomat im US-Aussenministerium unter Colin Powell befürwortete Bolton den Krieg im Irak. Er verfasste ein Fact-Sheet für die Medien, das fälschlicherweise sagte, Saddam Hussein habe in Afrika Uran für sein Atomwaffenprogramm kaufen wollen. Auch half er mit, eine Mitgliedschaft der USA im Internationalen Strafgerichtshof (ICC) zu vereiteln, was er später als „meinen glücklichsten Moment im State Department“ bezeichnete.
Als Präsident George W. Bush John Bolton 2005 als Uno-Botschafter nominierte, war der Widerstand gegen dessen Ernennung gross. Zahlreiche Vertreter des Aussenministeriums und der Geheimdienste sagten gegen Bolton aus – nicht zuletzt, weil er es mit der Wahrheit nicht so genau nahm und zum Beispiel behauptet hatte, Kuba unterhalte ein geheimes Bio-Waffenprogramm. Als der Senat den Top-Diplomaten nicht bestätigen mochte, berief ihn Präsident Bush mit einem Trick ins Amt.
Der demokratische Senator Carl Levin warnte damals im Kongress ausdrücklich, es könne zu Krisen kommen, was Nordkoreas Atomwaffenprogramm und die nuklearen Ambitionen des Iran betraf: „Der Kongress und die Öffentlichkeit müssen darauf vertrauen können, dass die Einschätzungen der Geheimdienste Informationen beinhalten, die objektiv verifiziert und nicht manipuliert worden sind, um politischen Zielen zu dienen.“
„Der zweitgefährlichste Amerikaner“
Noch heute ist John Bolton ein scharfer Kritiker der Vereinten Nationen. Donald Trumps Rede vor der Uno im vergangenen Jahr hat er auf Fox News als „die beste Rede der Präsidentschaft Trump“ gelobt: „Es lässt sich guten Gewissens sagen, dass es in der ganzen Geschichte der Vereinten Nationen noch nie eine treffendere Kritik am inakzeptablen Benehmen anderer Mitgliedstaaten gegeben hat.“
Indes ist John Bolton selbst eingefleischten US-Konservativen nicht geheuer. George F. Will, ein Kolumnist der „Washington Post“, nennt den neuen Sicherheitsberater „den zweitgefährlichsten Amerikaner“. Er komme zu diesem Schluss, schreibt Will, weil John Bolton fünf Eigenschaften verkörpere, die Präsident Trump nicht habe: „Intelligenz, Erziehung, Prinzipien, Wortgewandtheit und Erfahrung“. Und weil er künftig im West Wing des Weissen Hauses in unmittelbarer Nähe zu einem Präsidenten fungiere, der auf Aussagen zu reagieren pflege, die er soeben im Kabelfernsehen oder von irgendeinem Mitarbeiter gehört habe.
Der konservative Kolumnist der „Post“ geht noch weiter. John Bolton, argumentiert er, werde bei seinem Amtsantritt am 9. April der erste Nationale Sicherheitsberater sein, der vorschlage, die Vereinigten Staaten sollten ernsthaft erwägen, Kriegsverbrechen zu begehen, d. h. Aggressionskriege gegen Nordkorea und den Iran zu beginnen. Zwar stelle keines dieser beiden „widerwärtigen Regime“ eine unmittelbare Gefahr für die USA dar: „Trotzdem glaubt Bolton, sie beide zu bombardieren, würde die Welt sicherer machen. Was könnte schon schief gehen?“
„Das aggressivste aussenpolitische Team“
Nach der Entlassung von Aussenminister Rex Tillerson sowie dem Abgang von Sicherheitsberater General H. R. McMaster werden im Weissen Haus künftig erneut die Falken das Sagen haben. Die „New York Times“ nennt die neue Mannschaft „das radikalste und aggressivste aussenpolitische Team eines amerikanischen Präsidenten in jüngerer Zeit“. Der demokratische Senator Ed Markey (Massachussetts) spricht von einem „Kriegskabinett“.
Donald Trump sei jetzt nur noch von Ja-Sagern umgeben, hiess es in weiteren besorgten Reaktionen auf Boltons Ernennung. An sich ist es Sache eines nationalen Sicherheitsberaters, dem Präsidenten nach gründlicher Recherche verschiedene Optionen zur Bewältigung einer Entwicklung oder eines Thema zu unterbreiten. Es ist nicht seine Aufgabe, den Präsidenten vorbehaltlos zu unterstützen und dessen politischer Linie kritiklos zu folgen.
Galt früher in Washington D. C. die Einschätzung, Sicherheitsberater H. R. McMaster, Aussenminister Rex Tillerson und Verteidigungsminister James Mattis würden einen mässigenden Einfluss auf Donald Trump ausüben, bleibt von diesem Trio nur noch General Mattis im Pentagon übrig. Wobei in der Hauptstadt schon Wetten laufen, wie lange der Verteidigungsminister noch im Amt bleibt.
„Bombardiert den Iran“
James Mattis, der Amerikas Marineinfanterie kommandierte und im Irak diente, hat sich, anders als John Bolton, gegen einen Krieg auf der koreanischen Halbinsel ausgesprochen. Die Opferzahlen wären wahrscheinlich zu hoch, meint er. Der Pentagon-Chef hat im Kongress auch davon abgeraten, das Atomabkommen mit dem Iran aufzukünden, da es keine besseren Alternativen gebe, die Islamische Republik einzubinden. Kurz vor Unterzeichnung des Nukleardeals hatte Bolton in einem Meinungsbeitrag der „New York Times“ gefordert, den Iran militärisch anzugreifen: „Um Teherans Atombombe zu stoppen, bombardiert den Iran.“
Gleichzeitig macht John Bolton kein Hehl aus seiner Abneigung gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem Donald Trump, entgegen ausdrücklichen Empfehlungen seiner Berater, jüngst zu seiner Wiederwahl gratuliert hat. „GRATULIEREN SIE NICHT“, schrieben sie Trump auf den Spickzettel für das Telefonat mit Moskau. Aber auch diese Differenz, meint George F. Will, sei weiter kein Problem, denn der Präsident könne seine Meinung jederzeit ändern: „Vergessen wir nicht: Trump. Hat. Keine. Überzeugungen.“
John Bolton hatte einst mit dem Gedanken gespielt, selbst Präsident der Vereinigten Staaten zu werden. Doch sah er davon ab und gründete ein politisches Aktionskomitee (PAC), um erzkonservative Kandidaten seiner Wahl zu unterstützten. Sein „Super PAC“ war im August 2014 einer der ersten Kunden von Cambridge Analytica, jener ins Zwielicht geratenen Firma, die mit Hilfe von Facebook-Daten psychologische Profile von Wählern erstellt, um sie gezielt beeinflussen zu können.
„Kapitulation ist keine Option“
„Das Bolton PAC war besessen von der Vorstellung, Amerika werde schwach und habe kein Rückgrat. Das Komitee wollte Erkenntnisse, was die Beeinflussung von Ansichten bezüglich nationaler Sicherheit betraf“, erinnert sich Christopher Wylie, früherer Mitarbeiter von Cambridge Analytica und heutiger Whistleblower, was die fragwürdigen Aktivitäten seines einstigen Arbeitgebers betrifft: „Das bedeutete, dass die Leute in ihrer Weltsicht militaristischer werden sollten. Zumindest sagten sie, sie wollten das.“
Innert acht Tagen war John Bolton der dritte Mann, den Donald Trump aus den Studios von Fox News für eine Position im Weissen Haus rekrutiert hat. Noch weitere Mitarbeiter des konservativen Fernsehsenders soll er im Visier haben. Bolton hat seit seinem Rücktritt als Uno-Botschafter 2007 als politischer Kommentator für den Kabelkanal gearbeitet und den Präsidenten und dessen Politik stets gelobt.
„Ich habe mit meinen Meinungen nie hinter dem Berg zurückgehalten“, sagte der neue Nationale Sicherheitsberater nach seiner Ernennung auf Fox News: „Was ich als Privatmann gesagt habe, liegt jetzt aber hinter mir. Jetzt zählt nur noch, was der Präsident sagt und wie ich ihm rate.“ Dass Bolton jedoch seinen weissen Schnurrbart abrasiert, ist wenig wahrscheinlich. Angeblich hat der Schnauzer dem Präsidenten und Reality-TV-Star früher als nicht telegen genug missfallen.
John Bolton soll im Weissen Haus auch die Informationslecks stopfen, die die Medien in Washington D. C. mit schöner Regelmässigkeit mit Scoops alimentieren. Doch dafür muss er erst seinen Chef unter Kontrolle bringen, der jüngst in zwei Fällen Enthüllungen entschieden dementierte oder verneinen liess, die sich im Nachhinein als wahr erwiesen haben. Der eine Primeur betraf Donald Trumps Entscheidung, H. R. McMaster durch John Bolton zu ersetzen. Der Nationale Sicherheitsberater wird das Problem der „Leaks“ auf seine gewohnt hemdsärmelige Art anpacken. Das lässt schon der Titel seiner Memoiren vermuten: „Kapitulation ist keine Option“.