Die Schweiz steht in der Ukrainehilfe ganz am Schwanz der westlichen Länder. Nun soll auch die bisher geleistete Hilfe auf Kosten der üblichen Entwicklungszusammenarbeit gehen. Eine Schande für die Schweiz!
Die Schweiz tut sich unendlich schwer in ihrer Unterstützung der durch russische Aggression in ihrer Existenz bedrohten Ukraine. Militärischer Beistand – was im Moment weitaus die wichtigste Form von Unterstützung darstellt, um das Überleben der Ukraine zu sichern – leisten wir nicht. Oder jedenfalls nicht jetzt, sondern allenfalls später einmal via Rückkauf durch die Bundesrepublik weniger deutscher Panzer, welche die Schweiz ohnehin ausrangiert hat und sicher nie mehr brauchen wird und die anschliessend Lücken in der Bundeswehr ausfüllen werden, welche durch deutsche Unterstützung an die Ukraine entstanden sind.
Nicht besser sieht es aus bei der Zahlungsbilanzhilfe an die durch eigene Verteidigungsanstrengungen auch finanziell ausblutende Ukraine. An den entsprechenden Milliardenbeiträgen der EU an das Kandidatenland Ukraine sind wir als EU-Nichtmitglied nicht beteiligt. Auch bilateral haben wir im Gegensatz zu einigen reichen EU-Mitgliedern wie Deutschland oder Holland nichts beigetragen.
Humanitäre Hilfe
Wie Aussenminister Cassis und Bundespräsident Berset nicht müde werden zu versichern, leiste die Schweiz dafür humanitäre Hilfe an die Ukraine. Cassis hat als allgemeines, mehrjähriges Ziel den Betrag von 1,8 Mia. genannt. Was heisst das und aus welchem Teil des Bundesbudgets kommt dieses Geld?
Humanitäre Hilfe ist traditionell ein Teil der schweizerischen Internationalen Entwicklungszusammenarbeit (IZA). Auch ohne in das Labyrinth möglicher mehrjähriger Finanzbeschlüsse vorzudringen, ist von rund 850 Mio. auszugehen, welche Experten als Fehlbetrag zur Zielerreichung der erwähnten Gesamtsumme von 1,8 Mia. sehen. Das Gesamtbudget der IZA zugunsten der Staaten des globalen Südens wird damit abnehmen; schlimmstenfalls werden mehrere Hundert Millionen vom IZA-Budget abgezweigt werden. Das ist inakzeptabel und wird selbstverständlich international auch wahrgenommen werden.
Anders als der EU-Aussenseiter Grossbritannien
IZA und humanitäre Hilfe an arme, durch Naturkatastrophen und militärische Konflikte zusätzlich geschwächte Länder einerseits und der schweizerische Beitrag an die Verteidigung der demokratischen Ukraine, damit auch der europäischen Demokratien als Ganzes, müssen klar getrennt werden. Beide sind wichtig, beide kann und muss die reiche Schweiz zu leisten in der Lage sein.
Der Hinweis auf andere Ausgaben, so etwa die tatsächlich als Folge der russischen Aggression notwendige Aufstockung des Wehrbudgets oder auch die generelle Schuldenbremse sind legalistisch und finanzarithmetisch vielleicht richtig, werden aber der gegenwärtigen Situation weder politisch noch wirtschaftlich gerecht. Politisch muss das offizielle Bern, der Bundesrat und die beiden Räte, endlich das wahre Ausmass der Zeitenwende Ukrainekrieg begreifen.
Alle unseren engsten internationalen Partnerländer haben dies akzeptiert und eilen in einer bislang einzigartigen Weise und entsprechendem Umfang der Ukraine zu Hilfe. Ausser wie einleitend gezeigt, die Schweiz. Das fügt unserer Glaubwürdigkeit grossen Schaden zu und wird sich auch in anderen für uns zentralen Dossiers internationaler Verhandlung bemerkbar machen. So etwa der schweizerischen Europapolitik, wo Konzessionen Brüssels gegenüber der nun auch im Ukrainekonflikt eine Aussenseiterrolle einnehmenden Schweiz nicht zu erwarten sind. Dies im Gegensatz zum anderen EU-Snob, Grossbritannien, welches in der Unterstützung der Ukraine, damit der Verteidigung Europas, eine gewichtige Vorreiterrolle spielt.
Wirtschaftlich wird das Schlusslicht Schweiz bei der Aufteilung des Wiederaufbau-Kuchens nach Beendigung des Ukrainekonflikts folgerichtig ebenfalls hinten anstehen müssen.
Es braucht einen Grundsatzentscheid
Bekanntlich sieht sich die Schweiz gern und oft in einer Aussenseiterrolle mit historischem und institutionellem Verweis auf helvetische Eigenart – etwa was unsere Nichtteilnahme an EU und Nato und die entsprechenden finanziellen Aufwendungen für volle Mitgliedschaften daran anbelangt. Nun sollen offensichtlich auch bisherige Renommierstücke schweizerischer Solidarität mit dem Schicksal der Welt, also die IZA, finanziell beschädigt werden. Und dies obwohl – wie hier schon mehrere Male gezeigt – eine völlige andere Dimension schweizerischer Unterstützung an die Ukraine, sowohl militärisch als auch finanziell, möglich und machbar wäre. Und dies eben gerade nicht auf Kosten anderer Auslandsengagements. Wenn nur der politische Wille dafür bestehen würde, sowohl im Bundesrat als auch im Parlament.
Es braucht einen Grundsatzentscheid, die schweizerische Unterstützung an die Ukraine als das zu etikettieren, was sie ist. Auf die russische Aggression, welche auch die Schweiz und ihre Werte direkt betrifft, ein ausserordentliches Ereignis. Also müssen auch ausserordentliche Anstrengungen folgen – mit Ausgaben ausserhalb des normalen Budgets. Und ohne Beeinträchtigung anderer, regulärer Budgetposten.