Am Sonntag sind erneut Zehntausende Menschen auf die Strasse gegangen. Sie protestieren gegen das offensichtlich gefälschte Wahlresultat und gegen das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte.
„Uchodi! – Hau ab!“, riefen die Demonstranten an die Adresse des „letzten europäischen Diktators“.
Das Regime droht, gegen die Manifestanten mit Gewalt vorzugehen. Die Armee ist am Samstag in Alarmbereitschaft versetzt worden. Hunderte bewaffnete Polizisten und Armeeangehörige mit Metallschildern waren in Stellung gegangen. Das Innenministerium bezeichnete den Aufmarsch der Lukaschenko-Gegner als illegal. Die Organisatoren würden zur Rechenschaft gezogen.
Politische Beobachter fragen sich, ob es sich das geschwächte Regime erlauben kann, gewaltsam gegen die Demonstranten vorzugehen. Bisher liessen sich die Demonstranten, die aus allen Bevölkerungsschichten stammen, nicht einschüchtern. Die grosse Frage ist, wie sich Russland verhalten wird.
Lukaschenko sagte, die Demonstrationen seien „von aussen“ gesteuert. „Ich erteile dem Verteidigungsministerium die Anweisung, die striktesten Massnahmen zu ergreifen, um die territoriale Integrität unseres Landes zu verteidigen“, erklärte der seit 26 Jahren regierende Staatschef.
Bei den Wahlen am 9. August hatte Lukaschenko laut offiziellen Angaben 80 Prozent der Stimmen erhalten. Auf Swetlana Tichanowskaja, die von fast allen Oppositionsparteien unterstützt wurde, sollen nur rund 6 Prozent der Stimmen entfallen sein. Nach den Wahlen flüchtete Tichanowskaja nach Litauen. Am Samstag rief sie ihre Landsleute auf, „jetzt vereint weiterzumachen im Kampf für das Recht“.
Inzwischen hat die OSZE, deren Mitglied Belarus ist, ein Vermittlungsangebot gemacht. Die schwedische Aussenministerin Anne Linde, die demnächst den OSZE-Vorsitz übernimmt, hat sich bereit erklärt, nach Minsk zu fahren und mit der Regierung und der Opposition zu verhandeln. Auch der abtretende OSZE-Vorsitzende, der albanische Ministerpräsident Edi Rama, ist bereit, nach Belarus zu fahren. Offenbar wurde die OSZE-Initiative auch von Wladimir Putin unterstützt. Lukaschenko hat das Angebot bisher abgelehnt.
Am vergangenen Sonntag hatten Hunderttausende in der Hauptstadt Minsk gegen Lukaschenko demonstriert.
(J21)