Darauf habe ich lange gewartet. Der finnische Präsident Sauli Niinistö verzichtet auf 20 Prozent seines präsidialen Gehalts und schraubt es von 160'000 Euro wieder auf 126'000 herunter wie vor 2012. Der Parlamentspräsident fordert seine Parlamentarier auf, ein Gleiches zu tun. Die Regierung hat ihre Gehälter beim Amtsantritt 2011 um 5 Prozent gekürzt. Niinistö hatte schon früher über 200'000 für wohltätige Zwecke gespendet. Alles das meldet die Neue Zürcher Zeitung am 10. Januar in der Rubrik „Aufgefallen“, Seite 2.
Aufgefallen, in der Tat. Zum ersten Mal höre ich, dass Prominente ihren eigenen Lohn kürzen. Nicht gerade massiv, aber im Vergleich mit Grossverdienern der Wirtschaft sind Finnlands Präsident, die Minister und die Parlamentarier Kleinverdiener. Von Schweizer Managern, Investmentbankern, Kundenjägern, einem CEO, Verwaltungsratspräsidenten oder –Mitglied habe ich noch nie so etwas vernommen. Habt ihr noch nie von der Minder-Initiative gehört?
Tut ihr das im geheimen? Sagt es! Vorher glaube ich das nicht. Sie bereichern sich unverschämt mit Löhnen und Boni und Abgangsentschädigungen. Seit Jahren wütet in der Öffentlichkeit eine Debatte darüber. Das Volk ist wütend. Die Anti-Abzocker-Initiative kommt am 3. März zur Abstimmung. Ihr habt Angst, sie könnte angenommen werden. Aber Sie schweigen. Wie wenn Sie das nichts anginge.
Es geht Sie aber etwas an. Sie gehören zu uns, auch Sie sind Schweizer wie ich und 8 Millionen andere, und wir erwarten Zeichen der Solidarität und den Verzicht auf Einkommen, die Sie sich im abgeschotteten Raum der oberen Bankenwelt gegenseitig zuschieben, die aber in keinem Verhältnis mehr stehen zu Normalverdienern und nicht einmal zu Ihren Leistungen.
Sie müssen ja nicht auf unser durchschnittliches Einkommensniveau herunterkommen. Aber wenn Zeichen ausbleiben, dass auch Sie sich unserem Volk zugehörig fühlen, seine Sorgen teilen und sie im Rahmen zumutbarer Möglichkeiten lindern wollen, dann werden es unser Staat und die Gesellschaft zu spüren bekommen. Sie höhlen den Glauben an den Liberalismus aus, von dem Sie und wir alle leben. Wundern Sie sich nicht, wenn das Volk aus Wut über eine abzockende Sonderklasse die Schweiz in Initiativen, Abstimmungen und Wahlen in Richtung von mehr Etatismus treibt, den Markt immer mehr mit Staatsregeln einschraubt, ihm die Freiheit und die Flexibilität nimmt, die uns unseren Wohlstand verschafft, dem Staat immer mehr Kompetenzen auf Kosten der freien Initiative gibt - der Initiative von Unternehmern und vielen anderen Bürgern.
Ihre Zeichen von Solidarität, von Zugehörigkeit dürfen nicht nur symbolisch sein, sie müssen einen spürbaren Einschnitt bedeuten. Es muss nicht unbedingt Lohnverzicht sein. Setzen Sie sich zusammen, nicht alle miteinander, in Gruppen mit verschiedenen Interessen. Jeder schiesst ein paar Millionen in einen Fonds oder eine Stiftung ein, je nach Gusto für Wohltätiges, Politisches, die Umwelt, Nationales, Lokales... Es muss einfach, mit einem altmodischen Wort, etwas Gemeinnütziges sein. Etwas, was nicht einem Privaten, sondern der Gemeinschaft nützt.
Es ist schon sehr spät. Aber wenn Sie in den nächsten acht Wochen etwas Spektakuläres tun, dann steigen die Chancen, dass die Minder-Initiative abgelehnt wird. Ohne solche Zeichen werden ihr auch Bürger und Bürgerinnen zustimmen, die sie schädlich für unsere Volkswirtschaft finden und glauben, ihre Vorschriften seien nicht einmal geeignet, ihre eigenen Ziele zu erreichen. Dann werden wir euch trotz diesen Vorbehalten ein Zeichen schicken: So gehts nicht mehr, die Wut kocht über, merkt das endlich!
Es gibt ein Land, da ist der Präsident noch bescheidener. Die Herald Tribune hat am 7.Januar in einem ausführlichen Artikel von José Mujica, dem Präsidenten Uruguays erzählt. Er hat auf den Präsidentenpalast mitsamt seinen 42 Angestellten verzichtet, lässt seine Wohnung von zwei Polizisten in Uniform bewachen und lebt mit seiner Frau weiter im bescheidenen Häuschen wie vor seiner Wahl 2010. Er spendet 90 Prozent seines Präsidentensalärs einem Häuserbauprogramm für die Armen.