Trump befürchtet, von Putin über den Tisch gezogen zu werden. Am Dienstag konferierten die beiden Präsidenten aber per Telefon. Ein Sprecher des Weissen Hauses erklärte anschliessend, das Gespräch sei „sehr gut“ verlaufen und habe sich um eine militärische Deeskalation in Syrien sowie die Schaffung von Sicherheitszonen aus „humanitären und vielen anderen Gründen“ gedreht. Trump und Putin seien sich einig geworden, dass „alle Parteien alles in ihrer Macht stehende tun müssen, um die Gewalt in Syrien zu beenden“.
Bescheidene Zielsetzung
Das Telefonat wurde von Putin angeregt, der seine „Ideen“ für die Zukunft Syrien vortragen wollte. Das erste Ergebnis ist die Entsendung des US-Unterstaatssekretärs Stuart Jones als „Beobachter“ in die kasachische Hauptstadt Astana, wo am heutigen Mittwoch und am Donnerstag auf einer Konferenz unter der Ägide Russlands die Kontrahenten des syrischen Bürgerkriegs zusammengebracht werden sollen. Das gesetzte Ziel ist indessen bescheiden, nämlich die Festigung der schon x-mal beschlossenen Waffenruhe. Der „Islamische Staat“ und die Al-Kaida-Ableger sind von den Gesprächen ausgeschlossen.
Über eine politische Lösung des Konflikts, mit oder ohne Baschar Al-Asad, soll weiterhin auf der Genfer Syrienkonferenz unter Führung der Uno verhandelt werden, die seit 2012 tagt und Ende März erneut ergebnislos vertagt wurde.
Vorbild Leonid Breschnew
Die syrische Opposition ist zerstritten. Der noch immer von der Uno anerkannte Staatschef Al-Asad gibt sich siegesgewiss. Mit militärischer Unterstützung Russlands und Irans hat er Geländegewinne erzielt. Auch Putin sieht sich auf der Gewinnerseite. Russland hat nicht nur die seit der Chruschtschow-Ära bestehende Flottenbasis Tarsis abgesichert, sondern zusätzlich einen Luftwaffenstützpunkt in der Nähe von Lattakia errichtet. Damit haben sich die russischen Streitkräfte im östlichen Mittelmeer festgesetzt.
Putin folgt dabei gefährlich der Handlungsweise des einstigen Sowjetführers Leonid Breschnew. Dieser liess 1979 seine Truppen in Afghanistan einmarschieren, um ein bedrängtes prosowjetisches Regime zu retten. Zehn Jahre später holte Michail Gorbatschow die durch schwere Verluste geschwächte Interventionsarmee zurück. Die Folgen dieses tragischen Abenteuers sind in Russland noch heute spürbar.
Exit-Strategie?
Hat Putin im Gegensatz zu Breschnew eine Exit-Strategie? Im Moment sieht es nicht danach aus. Eher möchte der russische Präsident in Syrien gratis einkaufen und dort eine dauerhafte Präsenz etablieren. Echte Zugeständnisse hat er bisher keine angeboten. Er will Frieden, aber zu seinen Bedingungen. Solange Barack Obama in Washington regierte, ging Putins Kalkül auf. Er wusste, dass Obama eine direkte Militärintervention zu Recht scheute. Der US-Präsident wusste dabei die Mehrheit seiner Mitbürger hinter sich. Machtpolitiker vom Stil eines Putin haben ein einfaches, aber bewährtes Konzept: Vordringen, wenn der Gegner nur rhetorisch protestiert; still halten, wenn sich glaubhafter Widerstand bildet.
Egal, was man von Donald Trump hält, aber er wird von der russischen Führung ernst genommen. Die Zäsur erfolgte am 4. April. An diesem Tag feuerten die USA 59 Marschflugkörper des Typs Tomahawk (Stückpreis eine Million Dollar) auf eine syrische Luftwaffenbasis. Gerechtfertigt wurde die kostspielige Salve mit dem C-Waffen-Angriff gegen Zivilisten in der von Rebellen kontrollierten Provinz Idlib, für den nach allen Indizien syrische Kampfjets verantwortlich sind.
Politischer Paukenschlag
Die militärische Tragweite der amerikanischen Strafaktion war gering, doch der politische Paukenschlag verfehlte seine Wirkung nicht. Zwar schimpften die Regierungen in Moskau und Damaskus heftig über die völkerrechtswidrige Intervention der US-Streitkräfte, doch sie zeigten sich sofort gesprächsbereit. Die Unberechenbarkeit Trumps stört ihre Kreise.
Auf die Gesprächsangebote Russlands stellte sich die Trump-Administration zunächst taub. Am 20. April lud Moskau die USA und den Uno-Vermittler Staffan de Mistura zu trilateralen Gesprächen in Genf ein. Der russische Vizeaussenminister Gennady Gatilow reiste aber umsonst an den Lac Léman. Er traf dort nur de Mistura, mit dem er nichts zu bereden hatte.
Friedensinitiave nicht in Sicht
Die USA weigerten sich auch lange, einen Vertreter nach Astana zu entsenden, wo Russland derzeit versucht, die syrischen Bürgerkriegsparteien an einen Tisch zu bringen. Welche Oppositionsgruppen tatsächlich der Einladung in die Hauptstadt Kasachstans folgen, war bei der Eröffnung der Konferenz noch nicht abzusehen. Immerhin sagte Trump seinem russischen Amtskollegen tags zuvor am Telefon als Geste des guten Willens die Teilnahme eines hochrangigen Beobachters zu.
Von einer echten Friedensinitiative ist man aber weit entfernt. Den Russen geht es offenbar nur darum, die Geländegewinne der syrischen Armee und ihre eigenen Militärbasen in Syrien durch einen Waffenstillstand abzusichern. Für Hunderttausende Syrer ist das eine gute Entwicklung. Sie ändert aber nichts am Elend der Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen sowie für jene Menschen, die Opfer des Kriegs zwischen den Dschihadisten und der internationalen Militärkoalition geworden sind.
Erfolgshungrige Präsidenten
Uno-Vermittler de Mistura gibt die Hoffnung nicht auf, noch im Monat Mai eine Wiederaufnahme der Genfer Friedensgespräche zu erreichen, auf deren Tagesordnung die Schaffung eines demokratischen Staates mit einer frei gewählten Regierung steht. Dafür fehlen aber weiterhin alle Voraussetzungen.
Die USA und Russland fassen jetzt ein neues Datum für einen möglichen Ausgleich ins Auge. Trump und Putin wollen die Grundlagen für eine Vereinbarung am Rande des G-20-Gipfels am 7. und 8. Juli in Hamburg erarbeiten. Beide haben einen durchschlagenden Erfolg auf der internationalen Bühne dringend nötig.