Alles hatten sie versucht, Millionen von Dollar ausgegeben, für Fernsehwerbung, Flyer und Plakate, die Anhänger der Bewegung „Never Trump“. Doch genützt hat alles nichts: „Too little too late“. Der Geschmähte hat die Vorwahl der Republikaner in Florida gewonnen und damit den Favoriten des Parteiestablishments, Senator Marco Rubio, aus dem Rennen um den Einzug ins Weisse Haus geworfen: Das „Marco-mentum“, kurzzeitig lebendig, ist endgültig verpufft. Ausser in Florida gewann Trump in Illinois, North Carolina und mutmasslich in Missouri.
Rubio wirft das Handtuch
„Amerika befindet sich inmitten eines politischen Sturms – eines wirklichen Tsunamis“, sagte Rubio nach der Niederlage in Miami: „Wir hätten das kommen sehen sollen.“ Die zornige Stimmung der republikanischen Wählerschaft, analysierte der Senator aus Florida, habe seinen Wahlkampf erstickt: „Die Politik der Feindseligkeit gegenüber anderen Leuten wird uns nicht nur eine zerbrochene Partei bescheren. Sie wird auch unsere Nation spalten.“
Bleibt die Frage, zu welchem der drei verbliebenen Kandidaten Marco Rubios Anhänger im Lande draussen nun wechseln: zum erzkonservativen Ted Cruz, zum wilden Donald Trump oder zum berechenbaren John Kasich. Möglich auch, dass sie sich frustriert der Stimme enthalten.
Selbst Donald Trump zeigte sich überrascht, dass die jüngsten Attacken aus der eigenen Partei, die er als „zumeist ungerechtfertigt“ einstuft, ihm nichts anhaben konnten: „Ich verstehe es nicht. Niemand versteht es.“ Allenfalls in Ohio, wo am Dienstag Gouverneur John Kasich siegte, haben die Angriffe mehrerer gut dotierter politischer Aktionskomitees (PACs) den New Yorker Unternehmer schwächen können. Doch war aufgrund von Umfragen zu erwarten, dass Kasich, als „native son“ (Einheimischer), den Urnengang gewinnen und im Rennen bleiben würde.
Kasich als Strohhalm der Republikaner?
Als Trost bleibt den Gegnern Trumps höchstens der Umstand, dass der Kandidat in keinem der Vorwahlstaaten mehr als die Hälfte der Stimmen hat gewinnen können, d.h. dass insgesamt mehr als 50 Prozent der republikanischen Wähler, aus was für Gründen auch immer, einen anderen Bewerber bevorzugten. Auch haben Nachwahlumfragen ergeben, dass weniger als die Hälfte der Befragten Trump für ehrlich und vertrauenswürdig hält. Und nach wie vor liegt der Milliardär in landesweiten Umfragen oft deutlich hinter Hillary Clinton
Sollte sich dieser Trend in den verbleibenden Urnengängen fortsetzen, könnte es für Donald Trump unter Umständen noch schwierig werden, bis zum Juli jene Zahl der Delegiertenstimmen zu gewinnen, die er am Parteitag in Cleveland (Ohio) braucht, um als Kandidat der Republikaner nominiert zu werden. Vor allem John Kasich hofft, in den kommenden Vorwahlen im Mittleren Westen und Nordosten der USA von früheren Rubio-Wählern profitieren und besser als bisher abschneiden zu können. Was angesichts des Terrains (besonnenere Temperamente, weniger Evangelikale) zumindest möglich ist.
Trumps Talent für mediale Inszenierungen
Noch immer aber gelingt es Donald Trump, auf Nebenschauplätzen die Aufmerksamkeit der Medien überproportional zu erregen – sei es jüngst durch eine angeblich aus Sicherheitsgründen abgesagte Wahlveranstaltung in Chicago, in deren Vorfeld es zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern des Kandidaten kam, oder sei es durch die unbotmässige Behandlung von Journalistinnen und Journalisten, die teils handgreiflich daran gehindert werden, sich bei Wahlveranstaltungen ausserhalb des ihnen zugewiesenen Platzes Trump zu nähern und allenfalls unbequeme Fragen zu stellen.
Nach den Vorfällen auf einem Universitätscampus in Chicago hatten etliche Kommentatoren düster prophezeit, nun drohe Amerika erneut wie seinerzeit in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre in politischer Gewalt zu versinken - Folge der Geister, die Donald Trump mit seinen rassistischen und Gewalt verherrlichenden Aussagen gerufen habe. Blanker Unsinn, konterte Fernsehmoderator Joe Scarborough. Der frühere republikanische Kongressabgeordnete ist überzeugt, dass Trump einen Vorfall wie jenen in Chicago gezielt inszeniert.
Gratiswerbung für The Donald
„Wie bereits im gesamten Wahlkampf 2016 profitiert Trump vom politischen Chaos, das er sät“, schreibt Scarborou gh in der „Washington Post“: „Falls es stimmt, dass Chance und Chaos in Mandarin dasselbe Wort sind, dann sollte Trump es auf Plakate drucken und diese bei der nächsten Wahlveranstaltung verkaufen. Für den Milliardär aus Manhattan ist Chaos so profitabel, wie es für Paris Hilton ihr Sex-Video war.“
Einer Untersuchung des Medienforschers Andrew Tyndall zufolge haben die Abendnachrichten der drei grossen amerikanischen Fernsehanstalten (ABC, CBS, NBC) im vergangenen Jahr während total 327 Minuten über Donald Trump berichtet – nach Wetterbeiträgen statistisch gesehen das wichtigste News-Thema. Hillary Clinton derweil erhielt 121 Minuten Sendezeit, Ted Cruz 21 Minuten und Bernie Sanders 20 Minuten – zusammen weniger als die Hälfte der Minuten für Trump.
Der Medienanalyst Paul Senatori hat errechnet, dass Donald Trump im Februar kostenlose Aufmerksamkeit der Medien im Gegenwert von 400 Millionen Dollar erhalten hat. Für den Wahlkampf seit Sommer 2015 beziffert Senatori die Summe auf zwei Milliarden Dollar. Hillary Clinton zum Vergleich wurde laut der Firma mediaQuant Gratis-Aufmerksamkeit in der Höhe von 746 Millionen Dollar zuteil.
Hillary Clintons Stärken und Schwachpunkte
Der demokratischen Kandidatin ist es am Dienstag mit ihren Siegen in Florida, North Carolina, Ohio und mutmasslich Missouri gelungen, Konkurrent Bernie Sanders erneut zurückzubinden. Der Senator aus Vermont hatte gehofft, nach seinem überraschenden Sieg in Michigan eine Woche zuvor zumindest in Ohio punkten zu können – einem Industriestaat im Mittleren Westen der USA, wo seine Kritik von Freihandelsabkommen, die erfahrungsgemässe Arbeitsplätze kosten, gut ankommen sollte.
In ihrer Siegesrede in Südflorida richtete Clinton am Dienstag den Blick bereits auf den nationalen Wahlkampf und ihren dereinstigen mutmasslichen Konkurrenten Donald Trump: „Wenn wir hören, dass sich ein Präsidentschaftskandidat dafür ausspricht, bis zu zwölf Millionen Einwanderer aufzugreifen, alle Muslime daran zu hindern, in die USA einzureisen und die Folter zu verschärfen, dann beweist das nicht seine Stärke, sondern lediglich, dass er Unrecht hat.“
Hillary Clinton hat bisher 1571 der 2383 für die Nomination nötigen Delegiertenstimmen gewonnen. Bernie Sanders kommt auf 800 Stimmen, eine Menge, die ihm vor Beginn des demokratischen Wahlkampfs kaum jemand zugetraut hätte. Der relative Erfolg zeigt auf, wo die Schwächen seiner Konkurrentin nach wie vor liegen: unter Jungen (auch jüngeren Frauen), unter Studenten, unter Gewerkschaftern, unter Parteilinken und Unabhängigen. Sanders‘ Berater hoffen, in liberalen Staaten wie Wisconsin, Kalifornien, New York oder New Jersey gut abzuschneiden und Delegiertenstimmen gewinnen zu können. Obwohl die Chancen, Hillary Clinton noch einzuholen, gering sind.
Ratschläge von der „New York Times"
Den Leitartiklern der „New York Times“ zufolge muss sich die demokratische Kandidatin künftig vermehrt jener Themen annehmen, die Bernie Sanders unerwartet stark gemacht haben. Dazu gehören die ungleichen Einkommen im Lande, die Folgen der Freihandelsabkommen oder die immer wichtigere Rolle des Geldes in Wahlkämpfen. Auch müsse Hillary Clinton, fordert die „Times“, transparenter werden und ihre Positionswechsel in wichtigen Fragen besser begründen.
Der republikanischen Partei rät das „Editorial Board“ der Zeitung, sie habe sich zu entscheiden, ob sie Trump als fast unausweichlich Nominierten zur Brust nehmen und durch dessen Kandidatur definiert – oder gar, wie einige Konservative unken - zerstört werden wolle - oder ob sie ihn zurückweisen solle in der Hoffnung, dass einer seiner verbliebenen Konkurrenten an einem offenen Parteitag nominiert wird: „Nach Jahrzehnten, in denen sie an Intoleranz appelliert und gegen die Interessen der amerikanischen Arbeiterklasse und der Minderheiten agiert hat, scheint die Republikanische Partei auf dem Weg ins Verderben zu sein. Soweit hätte es nicht kommen müssen.“