Ziel der Zusammenkunft war, die Oppositionsgruppen soweit zu einigen, dass sie eine gemeinsame Delegation bilden könnten, wenn es - wie geplant - Mitte Januar zu neuen Verhandlungen über die Zukunft Syrien kommen sollte.
Ein gemeinsamer Nenner für die Opposition
An diesen Verhandlungen werden auch die äusseren Partner Syriens auf beiden Seiten des Bürgerkriegs teilnehmen, das heisst Russland und Iran auf Seiten Asads, die USA, Grossbritannien, Frankreich, Saudi Arabien, die Türkei und andere auf Seiten des Aufstandes. Noch diesen Dezember soll ein vorbereitendes Treffen für diese Verhandlungen in New York stattfinden, an dem auch die nun offenbar einigermassen geeinigte syrische Opposition mitsprechen soll.
Nach Riad waren 65 Personen eingeladen. Unter ihnen Vertreter der
Kampfgruppen; Politiker der vom Westen anerkannten Exilregierung von Istanbul, die sich zurzeit nach mehreren Umbildungen und
Namenswechseln Syrischer Nationalrat nennt; dazu Unabhängige; und
auch Vertreter der "Nationalen Koordinationskörperschaft für ein
Demokratisches Syrien" aus Damaskus.
Kurden, IS und Nusra nicht dabei
Diese Körperschaft besteht aus
einer Gruppe von Politikern, meist linker Ausrichtung, die in Damaskus
für einen Übergang zu einem demokratischen Regime werben. Sie werden von Asad geduldet. Doch es geschieht immer wieder, dass einzelne ihrer Mitglieder eingekerkert werden. Die "Körperschaft" unterhält auch direkte Kontakte mit Moskau. Sie bildet die einzige Oppositionsgruppe von Gewicht, die Moskau nicht als "Terroristen" einstuft.
Weder IS noch Nusra Front waren nach Riad eingeladen. Auch die
syrischen Kurden hatten keine Einladung erhalten. Sie führten parallel
zu Riad ihre eigene Versammlung innerhalb der kurdischen Gebiete
Syriens durch.
Ein neuer Rat der Opposition
Ergebnis der Konferenz von Riad war die Bildung eines
Oppositionsrates von 33 Mitgliedern, zusammengesetzt aus 11 Vertretern der Kampfgruppen, 9 des Syrischen Nationalen Rates von Istanbul, 8 Unabhängigen und 5 Mitgliedern der Koordinationskörperschaft von Damaskus.
Ahrar asch-Scham protestierte
Eine der wichtigsten der Kampfgruppen, die "Freien Syriens" (Ahrar
asch-Scham) verliess die Zusammenkunft unter Protest darüber, dass die Kampfgruppen ungenügend vertreten seien und dass auch Leute
mitsprechen durften, die von den Kämpfern als "Mitarbeiter Asads"
abgelehnt würden. Damit waren die Mitglieder der
Koordinationskörperschaft von Damaskus gemeint. Doch es scheint, dass die protestierenden "Freien Syriens" dennoch den Schlussvertrag
unterzeichnet haben, der in Riad zustande kam. Die Agentur Reuters
versichert, sie habe die Unterschrift dieser Gruppe unter der
Übereinkunft gesehen.
Positionen für die Verhandlungen
Neben der Bildung dieser 33 Mann-Verbindung, welche vermutlich die
eigentlichen Unterhändler bestimmen wird, kam es auch zur Formulierung von gemeinsamen Grundforderungen, die als Vorbedingungen und Verhandlungspositionen in den Gesprächen dienen sollen. Darunter ist eine Konzession, die als neu gelten kann. Die Versammlung stimmte zu, dass Asad am Ruder bleiben könne, bis eine neue Übergangsregierung für Syrien gebildet werde. Dann aber habe er abzutreten.
Die Position Asads und jene der Russen ist, dass der syrische Staatschef im Amt bleiben solle, bis zu den Wahlen für eine definitive syrische Regierung, und dies dürfte auch die Position der Iraner bleiben. Die Oppositionsvertreter befürchten zu recht, dass Wahlen mit Asad im Amt unvermeidlich zu einer Wiederwahl Asads führen werden, weil mit Asad seine Geheimdienste an der Macht bleiben und sie dafür sorgen werden, dass er die Wahlen gewinnt. Die Wahlen würden blosse Scheinwahlen werden.
Doch dass Asad bleiben könne, bis eine Übergangsregierung ernannt
worden sei, ist insofern neu, als bisher die Oppositionsgruppen
sagten, der Rücktritt Asads sei Vorbedingung dafür, dass sie in
Verhandlungen einträten.
Keine Aufteilung Syriens
Zu den gemeinsamen Vorstellungen der Opposition gehört, dass das
syrische Territorium unvermindert fortzubestehen habe, was den
Ausschluss der Kurden erklärt. Ein zukünftiger syrischer Staat müsse
ein demokratischer und ziviler Staat werden. Die bestehenden
Regierungsorgane könnten bestehen bleiben, jedoch die Armee und die
Sicherheitskräfte seien einer grundlegenden Reform zu unterziehen.
Alle nicht syrischen Bewaffneten hätten das Land zu verlassen, ist
eine Bestimmung, die sich gegen IS und Nusra richtet. Diese
Gruppierungen stellen bekanntlich Mitglieder anderer Staaten als
Kämpfer ein, weil für sie einzig die Angehörigkeit zum Islam (ihrer
Auslegung) zählt.
Ein Waffenstillstand als Vorbedingung ?
Die in Riad vereinigte Opposition erklärt auch, sie wolle Vertreter
des Asad-Regimes nur treffen, wenn gleichzeitig die Bombardierungen
aufhörten, und die Verhandlungen hätten nicht länger als sechs Wochen zu dauern. Nach Verstreichen dieser Frist habe Asad zurückzutreten, und die Uno habe zu garantieren, dass er dies auch tun werde. Dies sind natürlich Ausgangspositionen für die Verhandlungen. Wie weit sie während der Vorgespräche und der eigentlichen Verhandlung noch modifiziert werden können, bleibt offen und abzuwarten.
Islamisten mit und ohne Gewaltanwendung
Die Ahrar asch-Scham (Freien Syriens), die die Versammlung im Protest verliessen, aber offenbar dennoch ihre Beschlüsse unterzeichneten, sind eine Koalition von Kampfgruppen, die als stark "salafistisch" ausgerichtet gelten. Das heisst, sie streben einen Islamischen Staat Syrien an, der nach der Scharia regiert werden soll. Doch im Gegensatz zu IS und Nusra Front wollen sie dieses Ziel mit friedlichen Mitteln erreichen, nicht mit Gewalt.
Die Koalition der Ahrar asch-Scham ist ihrerseits Mitglied eines
weiter gefassten Verbandes, der sich "Dschaisch al-Fath" nennt
(Eroberungsarmee). Diesem Verband gehört auch Nusra-Front an, die
syrische Filiale von al-Kaida. Der Verband beherrscht die Provinz
Idlib und findet sich auch in Aleppo und in der Umgebung der Stadt.
Einheiten der FSA (Freien Syrischen Armee) gehören ebenfalls zu der
"Eroberungsarmee". Sie geniesst Unterstützung an Geld und Waffen von Seiten Saudiarabiens und der Golfstaaten sowie von privaten
Geldgebern aus dem Golf.
Ein zweiter relativ weit gepannter Kampfverband, die "Armee des
Islams" (Dschaisch al-Islam), der in den südlichen Teilen Syriens
kämpft, rund um Damaskus und an der südlichen Front bei Deraa, war
ebenfalls in Riad vertreten. Doch sein Chef, Zahran Allush, konnte
nicht kommen, weil der Weg, den er nach Saudi Arabien zu nehmen
gedachte, durch die Kämpfe mit der syrischen Armee gesperrt worden
war. Allush liess sich daher vertreten.
Ein Schrittchen voran
Natürlich wurde der Ausgang der Konferenz von Riad von den Diplomaten der westlichen Staaten als ein Forschritt gewertet. Doch die
iranischen warnten, die in Saudiarabien gebildete Front, könne ein
Hindernis auf dem Weg zu einem Frieden in Syrien werden und damit auch zu einer weiteren Stärkung von IS führen. Die Russen und die Asad Regierung werden dies ähnlich sehen.
Mehr Gewicht für die Kämpfer
In Riad erhielten die syrischen Kampfverbände mehr Gewicht, als sie es in der Syrien-Vertretung von Istanbul geniessen. Diese ist
mehrheitlich zivil dominiert. In Riad erhielten die Kampfverbände mit
11 Vertretern gegenüber 9 für den Syrischen Nationalen Rat von
Istanbul die relative Mehrheit der Mitglieder und ein Drittel der
gesamten Versammlung. Dass dies manchen Kämpfern immer noch
ungenügend erscheint, zeigte der Auszug der "Freien Syriens" und deren Einwände gegen die Versammlung.
Eiliger Fahrplan für Friedensgespräche
Der diplomatische Fahrplan für erhoffte Friedensgespräche für Syrien
lautet nun: eine vorbereitende Zusammenkunft der Aussenmächte,
einschliesslich der syrischen Opposition und mit den Russen und den
Iranern in New York am 18. Dezember. Und Beginn einer Verhandlung all dieser Kräfte mit der Asad-Regierung bereits am 18. Januar in Genf.
Doch ob dies wirklich stattfinden kann und ob es auch innerhalb des
knappen vorgesehenen Zeitraumes geschieht, bleibt abzuwarten.
Saudi Arabien wünscht "Frieden"
In Riad fand gleichzeitig mit der Zusammenkunft der syrischen
Oppositionsgruppen auch die 34. Gipfelkonferenz des Kooperationsrates der Golfstaaten statt. König Salman eröffnete sie mit einer Rede, die Frieden in Jemen und in Syrien forderte. In den beiden Kriegen ist Saudiarabien Kriegspartei, sehr direkt mit seinen Bombern im Jemen und etwas mehr indirekt durch seine Hilfe der syrischen
Widerstandsgruppen in Syrien. Dementsprechend ist der Frieden, den
das Königreich fordert einer, der aus einem Sieg über Asad in Syrien
und einem Sieg über die Huthis in Jemen hervorginge.
Ob und inwieweit Saudi Arabien bereit sein könnte, Konzessionen einzugehen und seine Kriegsziele zu reduzieren, dürfte für die Chancen der bevorstehenden Verhandlungen von grosser Bedeutung sein. Die syrischen Kampfgruppen hängen mehr als je zuvor von Geld und Waffen ab, die ihnen aus Saudiarabien zufliessen, seitem die Amerikaner den Versuch aufgegeben haben, Kampfgruppen aufzustellen und zu unterstützen, die ihre politischen Ziele in Syrien fördern.