Bringt „Super Tuesday“ keine Vorentscheidung, könnte in den USA der Vorwahlkampf der Republikaner noch bis in den Juni hinein unentschieden andauern – ausser für Präsident Barack Obama und dessen Demokraten eine ernüchternde Aussicht. Die Kandidaten würden sich weiter abnützen, sich weiter gegenseitig mit Schlamm bewerfen und weiter Millionen von Dollar verbrennen, die sie im Hauptwahlkampf besser brauchen könnten. Wählerinnen und Wähler würden ermüden, sich unter Umständen angewidert abwenden und am 6. November desillusioniert der Urne fernbleiben.
Romney mit Vorsprung
Es sei denn, es gelinge Mitt Romney oder Rick Santorum, bei den drei Parteiversammlungen („caucuses“) und sieben Vorwahlen („primaries“) am 6. März viel beschworenes „momentum“ zu gewinnen, Fahrt aufzunehmen und einen Vorsprung herauszuholen, der nicht mehr wettzumachen ist. Newt Gingrich und Ron Paul kommen für einen Durchbruch nach menschlichem Ermessen nicht mehr in Frage.
Am „Super Tueday“ stehen in zehn Bundestaaten 437 Delegiertenstimmen zur Disposition, wobei für die Nomination am Parteikonvent der Republikaner im August in Tampa (Florida) 1144 Stimmen nötig sind.
Nach wie vor ist Mitt Romney der eindeutige Favorit des Parteiestablishment oder des „country club set“, wie es auch heisst, der Liebling jener meist weissen, wohlhabenden und wirtschaftsfreundlichen Republikaner, denen Extremismus, wie ihn die Tea Party verkörpert, oder religiöser Fundamentalismus, wie ihn Evangelikale zeigen, eher fremd ist.
Taucht noch ein "dark horse" auf?
George W. Bush hat seinerzeit ihrem Anforderungsprofil fast ideal entsprochen: Er kam aus reichem Haus, war als Gouverneur von Texas politisch erfolgreich, nicht allzu vergeistigt und mit der nötigen Portion Volkstümlichkeit gesegnet. Romney ist heute eher ein Kandidat „faute de mieux“: „Robo Romney“ mangelt es an Lockerheit, Volksnähe und Witz, nicht aber an Geld und guten Beziehungen.
Dem Vernehmen nach wird nun aber in den Reihen republikanischer Parteigranden geflüstert, ob sich unter Umständen nicht ein Aussenseiter überreden liesse, als Nothelfer zu kandidieren, um der Partei im Herbst eine Niederlage zu ersparen. Genannt werden Namen wie Jeb Bush, „W“’s jüngerer Bruder und früherer Gouverneur von Florida, Chris Christie, der gewichtige Gouverneur von New Jersey, oder Mitch Daniels, Gouverneur von Indiana. Noch erscheint es unwahrscheinlich, dass sich eines dieser „dark horses“, einer dieser noch unbekannten Kandidaten, zur Teilnahme am Rennen um die Präsidentschaft bewegen lässt.
Die Stunde der Engros-Politik
Offen beleibt auch die Frage, ob und falls ja, wann Mitt Romney sich dazu entschliesst, eigenes Geld in den Wahlkampf zu investieren, um so seinen Konkurrenten schneller den Garaus machen zu können. Noch hat der 65-Jährige keinen einzigen Cent seines auf rund 250 Millionen Dollar geschätzten Vermögens investiert, obwohl er sich seine Kandidatur vor vier Jahren nicht weniger als 44,6 Millionen Dollar aus der eigenen Tasche kosten liess.
Auf jeden Fall geht mit dem „Super Tuesday“ jene Phase der Vorwahlkampfes zu Ende, die amerikanische Kommentatoren Detail-Politik („retail politics“) zu nennen pflegen, die Zeit, in welcher bei unzähligen Auftritten in kleinem Kreis der Kontakt und die Nähe zum Wähler gesucht wird. Dafür schlägt nun die Stunde der Engros-Politik („wholesale politics“), während der die Bürger möglichst grossflächig und flächendeckend umworben werden, was aber fast nur noch via teure Fernsehanzeigen zu bewerkstelligen ist.
Millionen für Fernsehwerbung
Wahrscheinlich hat der bisherige Verlauf des Wahlkampfs Mitt Romney mehr gekostet, als er ursprünglich plante, obwohl er von allen Kandidaten am meisten Geld hat sammeln können. Seine Wahlhelfer meldeten Ende Januar, sie hätten bis dato 63 Millionen Dollar an Spenden gesammelt, wovon ihnen noch 7,7 Millionen zur Verfügung stünden. Schätzungen zufolge dürfte Romney vor dem „Super Tuesday“ allein in Ohio, wo es 66 Delegiertenstimmen zu gewinnen gibt, drei Millionen Dollar für Fernsehwerbung ausgeben.
Indes hat Rick Santorum, dessen Wahlkampfapparat sich nach wie vor auf das Allernötigste beschränkt, im Februar stolze neun Millionen Dollar an Spenden eingenommen. Der 57-Jährige, der sich vor allem auf freiwillige Helfer abstützt, beschäftigt nicht einmal einen Umfragespezialisten und besitzt für Überlandfahrten auch keinen eigenen Bus. Dagegen soll Romney einen Mitarbeiter beschäftigen, der für nichts anderes zuständig ist, als bei Auftritten seines Chefs ein kleines Podium dort zu platzieren, wo es für Fotografen und Kameraleute optimal zu sehen ist.
Religions-Vorteil für Santorum?
Wie Mitt Romney weiss auch Rick Santorum, wo er sich im Wahlkampf verbessern muss. Während Romney versuchen muss, sein Image der Volksferne sowie des hartherzigen Kapitalisten und weichgespülten Konservativen loszuwerden, wird Santorum nicht darum herumkommen, seine eher unbarmherzigen religiösen und sozialen Überzeugungen zu modifizieren, falls er, als resoluter Gegner von Abtreibung und Geburtenkontrolle, Wählerinnen nicht allzu stark vergraulen will.
Dafür dürften Santorum, obwohl er Katholik ist, protestantische Evangelikale eher gewogen sein als dem Mormonen Romney, dessen Konfession viele Amerikaner als Sekte betrachten. Evangelikale stellen am „Super Tuedsay“ vor allem in Georgia, Oklahoma und Tennessee starke Wählersegmente. Auf jeden Fall waren vor vier Jahren in allen drei Staaten mehr als die Hälfte der republikanischen Vorwähler Evangelikale.
Ideologische Polarisierung
Wobei in seinem Heimatstaat Georgia Newt Gingrich, ansonsten bereits abgeschlagen, Favorit ist. Der dreimal verheiratete Katholik ist wiederholt in Kirchen aufgetreten, um über seinen Glauben und über religiöse Freiheit zu sprechen. „Ich komme nicht als Heiliger hierher“, verkündete er im Februar in Cumming (Georgia): „Ich komme hierher als ein Bürger, der ein Leben geführt hat, das gelegentlich der Glorie Gottes nicht gerecht wurde, der Gott um Vergebung bitten und Versöhnung anstreben musste.“
Indes hoffen die Demokraten, dass der republikanische Vorwahlkampf noch lange andauert. Nicht zuletzt deswegen, weil er den mutmasslichen Sieger Mitt Romney zwingt, sich konservativer und unflexibler zu geben, als ihm eigentlich lieb ist, und damit wichtige Wählersegmente – Unabhängige, Frauen und Latinos –abzuschrecken. Dies als Folge des Umstands, dass sowohl die demokratische wie die republikanische Partei in jüngerer Vergangenheit viel homogener und linientreuer geworden sind: Heute haben die Demokraten keine Konservativen und die Republikaner keine Liberalen mehr in ihren Reihen.
**Gute Nachrichten für Obama in den "Swing States"
Jüngsten Umfragen zufolge liegt Barack Obama in erfahrungsgemäss besonders umkämpften Bundesstaaten („swing states“) wie Michigan, Pennsylvania oder Virginia gegenüber Mitt Romney deutlich vorn.
Es ist kein Zufall, hat Olympia J. Snowe, die republikanische Senatorin aus Maine, Ende Februar nach 33 Jahren in Washington DC (wovon 18 Jahre im Senat) ihren Rücktritt aus der Politik erklärt. Als Grund dafür gab die 65-Jährige die zunehmende Verschlechterung des politischen Klimas in den USA an: „Ich empfinde es als frustrierend, dass sich in Wahlkämpfen und in politischen Institutionen eine Atmosphäre der Polarisierung und der verhärteten Ideologien hat festsetzen können.“ Leider, führte sie aus, sei es unwahrscheinlich, „dass sich der parteiische Charakter des Senats, der immer deutlicher hervortritt, in absehbarer Zeit ändert.“
Anders als ihre Kolleginnen und Kollegen im Senat, egal ob Demokraten oder Republikaner, hatte Olympia J. Snowe es wiederholt gewagt, ihrer Fraktion zu widersprechen und für Gesetzesvorlagen der Gegenseite zu stimmen, wenn diese sie überzeugten. Sie halte, sagte die populäre Senatorin anlässlich ihrer Pressekonferenz, diese Entwicklung für höchst bedenklich für das Land: „Ich glaube, die Mehrheit der Amerikaner sind irgendwo in der Mitte.“