Der Grossraum Asien-Pazifik (AP) ist die grösste, bevölkerungsreichste und am schnellsten wachsende Region der Welt, aber auch die potenziell konfliktträchtigste. Der AP reicht von der Westküste der USA bis in den Persischen Golf und nach Zentralasien sowie von Sibirien bis zu den polynesischen Inseln weit unten gegen die Antarktis.
Die Region wird allgemein als Schlüssel- und Geschichtszentrum des 21. Jahrhunderts gesehen. Dies gilt sowohl im positiven Sinn – sie ist Hauptmotor und -markt der Weltwirtschaft – als auch im negativen: AP ist potentieller Ausgangspunkt einer globalen kriegerischen Auseinandersetzung.
Asien-Pazifik im Brennpunkt der globalen Entwicklung
Die ausdrückliche Einfügung des pazifischen Raumes in die gängige, aber unscharfe Bezeichnung Asien rechtfertigt sich aus historischen (ursprüngliche Besiedelung), politischen (der Korridor Chinesisches Meer zum Indischen Ozean mit den Hauptanliegern Indien und Australien ersetzt den Nordatlantik als maritimen Brennpunkt der Welt) und wirtschaftlichen Gründen (Rohstoffgewinnung und Verarbeitung, regionale Freihandelszonen).
Wenn so der AP auch als Gesamtheit gesehen werden kann und muss, sind doch zum besseren Verständnis der strategischen Entwicklungen unterschiedliche Kategorien von Staaten zu unterscheiden.
In die AP Champions League gehören die USA und China. Im Verhältnis der herkömmlichen Weltmacht USA mit dem Emporkömmling China haben sich im AP wohl die grössten Veränderungen der letzten fünf Jahre ergeben. Angetrieben von seiner florierenden Wirtschaft, hat China seine frühere Zurückhaltung aufgegeben und lässt zunehmend Weltmachtansprüche durchscheinen (Chinese exceptionalism). Teilweise als Reaktion darauf haben die USA unter Obama eine Kehrtwende (Asian pivot) von Europa, respektive dem Nordatlantik, weg hin zum AP eingeleitet.
Zwei gefährliche Krisenherde
Nach den Champions folgt bekanntlich die Challenger League. Ihr gehören an: Indien, Japan, Korea, Indonesien im Verbund mit der ASEAN und Australien. Zentrales Element hier sind die beiden gefährlichsten potentiellen Krisenherde im AP: erstens die Auseinandersetzung zwischen China und zahlreichen anderen Ländern im Raum des Südchinesischen Meers; zweitens das nuklear bewaffnete und politisch unzurechnungsfähige Nordkorea.
Es kann argumentiert werden, dass der bald ebenfalls nuklear bewaffnete Iran, der zudem Exporteur einer militanten schiitischen Ideologie des Islam ist, ebenfalls zu dieser Hauptkategorie potentieller Krisenherde gezählt werden muss. Indes bildet Persien den Übergang vom AP zum Mittelosten mit einer eigenen Problematik (Israel-Palästina, arabische Revolutionen). Zudem besteht im Iran, im Gegensatz zu Nordkorea, weiterhin ein grundsätzlich demokratisches System.
Ernst zu nehmende Strategieexperten warnen heute vor einem «1914-Syndrom» im AP. So wie 1914 die Schüsse in Sarajewo das 20. Jahrhundert, Europa und damit die damalige Welt veränderten, so könnten Konflikte in den beiden erwähnten Krisenherden eine ebenso zufällige und sich rasch global auswirkende Explosion auslösen – mit verheerenden Folgen auch für den Rest der Welt.
Positive und negative Entwicklungsmodelle
Die dritte Kategorie von AP-Ländern sind der Einfachheit halber alle noch nicht erwähnten Länder. Sie bilden eine ebenso heterogene Gruppe wie die Challenger League. Von ihnen werden wohl keine existentiellen Bedrohungen für die Sicherheit und Stabilität der Region ausgehen – und damit auch nicht für die Welt. Das bedeutet aber keineswegs, dass sie für Zukunft und Sicherheit in AP bedeutungslos wären. Sie könnten quasi Modelle positiver und negativer zukünftiger Entwicklungen im AP sein.
Laos und Kambodscha sowie Zentralasien sind Negativbeispiele von autoritär geführten Systemen, welche keine Entwicklung von kolonial geprägten Herrschaftsstrukturen zu Bürgergesellschaften zulassen. Malaysia etwa, aber auch Singapur und neuestens Myanmar sind grundsätzlich positive Beispiele von Staaten, in denen durch zunehmende Prosperität auch politischer Wandel, weg von feudalistischen und hin zu demokratischen Strukturen, eingeleitet wird.
Fehlende multilaterale Strukturen
Das institutionelle Hauptproblem der Sicherheitspolitik im AP besteht im Fehlen von multilateralen Strukturen zur Konflikteindämmung und Streitbeilegung. Im Labyrinth bestehender bilateraler, sub-regionaler und regionaler Verbindungen sind bislang gewisse wirtschaftliche und sogar sozialpolitische Erfolge zu verzeichnen; der sicherheitspolitische Bereich wird indes weiterhin von kruder bilateraler Konfrontation beherrscht, wo sich in jedem einzelnen Krisenfall gegenläufige Interessen scheinbar unüberbrückbar entgegenstehen.
Bislang hat erstens das Interesse der betroffenen Staaten am ununterbrochenen eigenen Wirtschaftswachstum, zweitens der amerikanische sicherheitspolitische Schirm (die Pax americana) und drittens der vergleichsweise geringe Rüstungsstand vieler nationaler Streitkräfte im AP das Ausbrechen grösserer kriegerischer Auseinandersetzungen verhindert. Weil sich aber heute die Rüstungsspirale schneller dreht, nicht zuletzt wegen nationalem Wirtschaftswachstum und damit staatlichem Reichtumssprung, und diese Aufrüstung zu Reaktionen der bisherigen Schutzmacht USA führt (vergleiche oben den erwähnten Asian pivot), werden die zweite und die dritte Hürde zunehmend tiefer.
Das Krisenrisiko wächst, trotz oder – wie die europäische Geschichte im 20. Jahrhundert zeigt – wegen zunehmendem wirtschaftlichen Erfolg, welcher ja genauso zum nationalistischen Muskelspiel gegen aussen wie zur generellen Wohlstandsvermehrung im Innnern eingesetzt werden kann.
In einem nächsten AP-Beitrag soll dargestellt werden, welche Strukturen im AP bereits bestehen und welche geschaffen werden müssten als diplomatischer Beitrag zur Vermeidung von Konflikten, welche die Welt bedrohen könnten.