Nehmen wir einmal an, Mitarbeiter der ZKB hätten tatsächlich US-Steuerpflichtigen dabei geholfen, 420 Millionen Dollar vor dem amerikanischen Fiskus zu verstecken. Die UBS hat entsprechendes Fehlverhalten ja bereits eingestanden und eine Busse von 780 Millionen Dollar bezahlt. Sowie per Notrecht unzulänglich legitimiert unter Bruch des Schweizer Bankgeheimnisses Tausende von Kundendaten ausgeliefert. Recht geschieht’s denen, Strafe muss sein. Ist das so? Nein, denn es handelt sich hier um staatlichen Bankraub. Führen wir für diese steile These einen indirekten und einen direkten Beweis.
Der rechtsstaatliche Weg
Zu den wichtigsten Errungenschaften des römischen Rechts, auf dem unser europäisches Justizverständnis beruht, gehört es, dass ein Kläger vor Gericht die Legitimität seiner Forderungen und Behauptungen beweisen muss. Während der Beklagte das Recht hat, selbst mit Leugnen, Lügen oder Schweigen seine Position zu verteidigen. Also: Der Schweizer Staat beschuldigt mich, ich hätte bei meiner Steuererklärung beschissen. Ich weise diese Anschuldigung entrüstet zurück. Wir sehen uns vor Gericht wieder. Beweisofferten, Replik, Duplik, wortgewaltige Plädoyers, richterliche Entscheidung. Weiterzug an höhere Instanzen, Mahlen der Mühlen, irgendwann liegt ein rechtskräftiges Urteil vor. Dem muss ich mich unterwerfen, ob es mir passt oder nicht. Das ist Rechtsstaat.
Der Wildwest-Weg
Der Staat wirft mir vor, ich hätte bei den Steuern beschissen. Gleichzeitig sagt er mir: Entweder gestehst du und lieferst freiwillig alle deine Unterlagen aus – oder wir schliessen deine Bude, entziehen dir die Geschäftsgrundlage und treiben dich so in den Bankrott. Wohlgemerkt ohne ordentliche Verhandlung. Statt gerichtlicher Erstellung eines Sachverhalts genügt bereits die Behauptung plus die Drohung mit existenzvernichtenden Massnahmen, falls ich nicht gestehe. Deshalb dealen wir eine Busse aus, wobei dein Handlungsspielraum angesichts dieses Damoklesschwerts doch eher überschaubar ist. Würde das in der Schweiz geschehen, wäre das Geschrei gross. Auch bei denen, die lauthals eine möglichst hohe Bestrafung von schweinebackigen Bankengnomen fordern, die mit Beihilfe zu Steuerhinterziehung angebliche Rechtsstaaten wie die USA um ihnen zustehendes Steuersubstrat gebracht haben.
Die einfache Übertragung
Genau das passiert aber eins ums andere Mal in den USA. Eingestandenermassen haben Mitarbeiter der UBS US-Steuerzahlern dabei geholfen, den dortigen Fiskus zu betrügen. Möglicherweise haben das auch Mitarbeiter der ZKB getan. Normalerweise würde eine solche Beschuldigung vor Gericht enden. Natürlich, der Gerichtsstand definiert sich durch den Tatort, in den USA. Nur kam es dort noch nie zu einer ordentlichen Verhandlung. Warum? Ganz einfach: Weil bereits die Androhung einer Klage jede Bank der Welt in eine exsistenzbedrohende Krise stürzt. Warum? Weil das bereits beinhaltet, dass die Bank per sofort von allen Dollar-Geschäften abgeschnitten wird. Kein Devisenhandel mehr, kein Wertschriftenhandel mehr, kein Interbanking mehr im Wirkungsbereich der Weltwährung Dollar. Sofortige Kündigung aller entsprechenden Geschäftsbeziehungen mit anderen Banken. Das Todesurteil für jedes Finanzhaus. Das ist so, wie wenn einem Angeschuldigten die geladene Pistole an den Kopf gehalten wird. Mit der Frage: Gestehst du freiwillig – oder müssen wir dich vorher erschiessen?
Mafia-Methoden im Gewand der Rechtsstaatlichkeit
Selbstverständlich hätte die UBS das Recht gehabt, sich vor einem ordentlichen US-Gericht gegen die Anschuldigung des US-Staats zu verteidigen. Nur wäre sie vorher bereits tot, bzw. bankrott gewesen. Vielleicht wäre ihr Leichnam sogar, bspw. mangels Beweisen, dann freigesprochen worden. Sorry, shit happens, würde da der Ami sagen, passiert ja nach dem Vollzug der Todesstrafe auch gelegentlich. Da das aber keine Bank riskieren kann, setzt sie sich für einen sogenannten «Plea Bargain» an den Verhandlungstisch. Dieser Schnäppchenhandel bedeutet: Erklärst du dich ohne Verhandlung für schuldig und drückst eine gewaltige Busse ab, dann verzichten wir grosszügig darauf, auf den Abzug zu drücken. Unterscheidet sich dieses Vorgehen in irgend einer Form von einer Schutzgelderpressung der Mafia? Wir beschützen dich dagegen, dass üble Gestalten deinen Laden zu Kleinholz zerlegen. Natürlich gehören die auch zu uns, aber das ist halt die Grundlage unseres Geschäfts, sagt die Mafia. Sagt der US-Staat.
Recht oder Revolver
Du hast natürlich deine Rechte, aber wir haben den Revolver. Früher, im Wilden Westen, liess sich das US-Rechtsverständnis mit dem Satz beschreiben: Give them a fair trial – and then hang them. Heutzutage ist selbst das gerechte Gerichtsverfahren gestrichen, der Beschuldigte setzt sich mit dem Ankläger an den Verhandlungstisch, während über ihm der Galgenstrick baumelt. Und erklärt sich, völlig freiwillig natürlich, für schuldig, leert seine Taschen und ist froh, lebendig das Weite suchen zu dürfen. Das hat nichts mit Rechtssprechung zu tun. Sondern damit, ein Angebot zu bekommen, das man nicht ablehnen kann. Wie zu Don Corleones Zeiten.
Aber nein
Natürlich ist das keine Rechtfertigung dafür, dass Schweizer Banker und Banken offenkundig in den USA Gesetzesverstösse begangen haben. Natürlich ist das keine Rechtfertigung dafür, dass Schweizer Gnome meinten, das Bankgeheimnis schütze sie wie die Gotthardfestung vor Nachstellungen ausländischer Behörden. Natürlich ist das keine Rechtfertigung für die unsägliche Dummheit Schweizer Banker, die meinten, der verlumpenden Weltmacht USA auf der Nase herumtanzen zu können. Aber begangenes Unrecht mit grösserem Unrecht bekämpfen, das ist staatlicher Bankraub. Damit stellen sich die USA selbst ausserhalb jeder Rechtsordnung. Davor, und nur davor müsste die Schweizer Regierung den Finanzplatz Schweiz beschützen. Dabei versagt sie mehr als kläglich. Und das ist der eigentliche Skandal.