Die Stimmung an der Feier zum 50jährigen Jubiläum des Radio Studios Lugano in dessen Musiksaal war gedämpft. Das von den drei renommierten Tessiner Architekten Rino Tami, Alberto Camenzind und Augusto Jäggli geschaffene Gebäude, war und ist ein Bau, der den Radiomitarbeitern Arbeitsräume von höchster Qualität bietet. In der Folge der Konvergenz, des Zusammenführens von Radio und Fernsehen, mit Einbezug der neuen Medien, sollen sämtliche Radiomitarbeiter ins Fernsehquartier in der Peripherie verlegt und das inzwischen geschützte Gebäude verkauft werden. Eine Petition gegen den Verkauf des Radiogebäudes und den Umzug nach Comano war Anfang 2008 innert kurzem von 2400 Personen unterschrieben worden, doch das hatte die Direktionen der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) sowie der Radiotelevisione della Svizzera Italiana (RSI) nicht beeindruckt.
Wo bleibt der Stolz der SRG?
An der Erinnerungsstunde am 18. April im bislang einzigen für Konzerte geigneten Musiksaal im Tessin – sie wurde vom Syndikat Schweizer Medienschaffenden (SSM) organisiert – erinnerten die Architekten Mario Botta und Tita Carloni an die Qualitäten dieses Gebäudes, und Botta betonte, dass ein ansprechender Arbeitsplatz, in dem sich die Menschen wohl fühlten, gerade für kreativ tätige Radioleute wichtig sei. In den Chor jener, welche die SRG und RSI-Direktor Dino Balestra aufforderten, den Verkauf noch einmal zu überdenken, stimmten auch der ehemalige RSI-Direktor, Marco Blaser, und die für die Kultur von Lugano zuständige Stadträtin Giovanna Masoni ein. Die SRG müsste eigentlich stolz sein auf dieses herausragende Radiostudio und es nicht veräussern, sagte die Politikerin. Abschliessend rechtfertigte Direktor Balestra den Entscheid und betonte, das unter Schutz stehende Gebäude werde als solches erhalten bleiben, samt dem Musiksaal. Allein die öffentliche Hand könne das Gebäude übernehmen, das zum Haus der Musik werden sollte. Auf unsere Fragen an die SRG präzisierte die RSI, d.h. Direktor Balestra, das Orchestra della Svizzera Italiana, der Radiochor und das Barockorchester würden dort arbeiten; überdies könnte das Konservatorium Platz darin finden.
Bereits im Jahr 2006 hatte Direktor Balestra die Konvergenz als Ziel gesetzt, und es ging ihm darum, das Radio mit dem Fernsehen in Comano zusammenzuführen. Seit Anfang 2008 hat die Information von Radio und von Fernsehen einen einzigen Chef, und seit Mitte 2010 sind alle Mitarbeiter der Information des Radios gegen ihren Willen nach Comano verlegt worden, wo unter schlechteren Produktionsbedingungen gearbeitet wird. Der Chef der Information hat jedoch nie mit den Journalistinnen und Journalisten das Gespräch gesucht, um zu erörtern, was Konvergenz für die journalistische Arbeit bedeute. Das war nie ein Thema, weshalb vor einem Jahr die Mehrheit der Journalisten, frustriert über viele Fehlentscheide, die Absetzung des Chefs verlangte; er wird nun bald gehen.
Eigenmächtiger RSI-Direktor
Die RSI stellte auf Anfrage klar, dass im Tessin die Produktion der Programme von Radio, Fernsehen und Multimedia infolge des Entscheids des SRG-Verwaltungsrats vom Herbst 2010 in Comano zu konzentrieren sei; Gebäude, die zu Produktionszwecken nicht notwendig seinen, würden verkauft, also auch das Radiogebäude. Direktor Balestra hatte die Verlegung des Radios nach Comano schon mehr als zwei Jahren zuvor verlangt und damals auch angekündigt, das Radiogebäude sei zu verkaufen. Es ist erstaunlich dass das voreilige eigenmächtige Vorgehen des Direktor einer Institution, die von ihren Zuhörern und Zuschauern bezahlt wird, keine Diskussion auslöste – gerade in einem Kanton, in dem über so vieles in den Medien heftig gestritten wird. Die Trägerschaft, damals unter Leitung des ex Banquiers und ex Staatsrats Claudio Generali, genehmigte fast unbesehen alle Projekte Balestras.
Vielleicht ist der Verkauf des Radios finanziell gar nicht sinnvoll
Unsere Frage, ob die SRG das Radiogebäude auch verkaufen werde, wenn sie kein günstiges Angebot erhalten werde, beantwortet die RSI nicht. Sie wies darauf hin, das Radiogebäude der drei berühmten Tessiner Architekten gehöre zu den Meisterwerken der europäischen Architektur jener Zeit. Weiter erinnerte sie daran, das Gebäude sei in seiner Gesamtheit geschützt, auch im Innern dürfe kaum etwas geändert werden. Angesichts dieser Rahmenbedingen stellt sich die Frage, wer denn die Liegenschaft zu einem für die SRG einträglichen Preis kaufen möchte? Sind der Kanton und/oder die Stadt Lugano bereit, einen guten Preis zu bezahlen? Der Kanton muss sparen und Lugano hat u.a. ein finanziell aufwändiges Kulturzentrum am See im Bau und erwägt den Bau eines neuen Kongresszentrums. Es bestehen Projekte, den Umschwung des Radiogebäudes – teils Parklätze – durch Neubauten stärker zu nutzen, doch Einzelheiten sind nicht bekannt.
Es ist möglich, dass der Verkauf des Radiogebäudes sich für die SRG nicht als gutes Geschäft erweisen wird. Vielleicht wäre es finanziell günstiger, die vielen, heute noch in Lugano arbeitenden Radioleute dort zu belassen, und darauf zu verzichten, in Comano für teures Geld neue Arbeitsräume zu bauen und einzurichten. Ein finanzieller Vorteil wäre für die SRG wohl der einzige Grund, doch noch von der Idee der Konzentration von Radio und Fernsehen in Comano abzurücken.