Doch daneben gibt es aber auch die Reihe „Debut“, wo die Besten der Jungen zeigen, was sie können. Zu ihnen gehört Vojin Kocic.
Die Lukaskirche in Luzern ist voll besetzt , der Aufnahmewagen des Radios steht draussen, Kabel laufen zum Mikrofon auf der Bühne und Vojin Kocic dürfte hinten in der Sakristei recht aufgeregt sein vor dem Konzert. Verdient hat er den Auftritt durch den ersten Platz, den er sich am renommierten „Prix Credit Suisse Jeunes Solistes“ erspielt hat. Damit werden junge Musiker ausgezeichnet, die sich im jeweiligen Jahrgang als überzeugendste Persönlichkeit unter den Studierenden einer Schweizer Musikhochschule erweisen haben, ganz egal, welches Instrument sie spielen.
Vojin Kocics Instrument ist die Gitarre. (Bild: LUcerne Festival) Eher eine Rarität in der klassischen Musik. Und nun steht er vor dem Publikum. Ganz allein. Nur mit seiner Gitarre. Fernando Sor ist der Komponist des ersten Stücks, Variationen über ein Thema von Mozart aus dem Jahre 1821.
Vom Glück überwältigt
Vojin Kocic spielt, als hätte er nie etwas anders gemacht. Leicht und sicher fliegen die Finger über die Saiten, er selbst geht völlig darin auf, keine Nervosität ist spürbar, der Klang der Gitarre füllt den Raum. Das Publikum ist begeistert, der junge Musiker nimmt es erleichtert zur Kenntnis. Es folgen Stücke von Joaquin Rodrigo, William Walton und anderen. Keine Gassenhauer, die man bestens kennt, nichts Folkloristisches, keine Effekthascherei. Als Michael Haefliger, der Intendant des Lucerne Festivals schliesslich noch lobende Worte spricht und Vojin Kocic den Scheck über 25‘000 Franken überreicht, ist der junge Musiker vom Glück überwältigt…
24 Stunden später treffen wir uns in Zürich. Hier studiert er seit ein paar Jahren Musik. Das Konzert vom Vortag war der bisherige Höhepunkt seiner noch jungen Laufbahn. „Es war einfach wunderbar gestern“, sagt Vojin Kocic. Er schaut immer noch ein bisschen verklärt drein und gibt zu, dass er vor dem Konzert reichlich nervös gewesen sei. Wie weggeblasen ist das jetzt.
Jimi Hendrix und Claudio Abbado
25 Jahre ist Vojin Kocic alt und er kommt aus Serbien. Zwei Namen haben ihn als Jungen geprägt, zwei Namen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Jimi Hendrix, der grosse Rock-Gitarrist der wilden Sechzigerjahre, und Claudio Abbado, der Dirigent, der jahrelang und bis zu seinem Tod die Lichtgestalt des Lucerne Festivals war. Eine überraschende Kombination…. „Mein Vater war ein grossen Jimi Hendrix-Fan“, erzählt Kocic. So kam der Sohn schon früh mit der Gitarre in Berührung. Rockig und lärmig ging es damals zu, denn der Vater besass selbst eine E-Gitarre. Die Mutter gab Gegensteuer und führte den Sohn mit ihrem Klavierspiel an die klassischen Musik heran. Der Fall war klar: Vojin wollte Gitarre spielen und klassische Musik. Mit acht Jahren begann mit dem Musikunterricht in seinem Geburtsort Smederevo an der Donau. Sechs Jahre später ging es an der Musikakademie in Belgrad weiter. Inzwischen war klar, dass es nicht bei ein paar talentierten Griffen auf der Klampfe bleiben würde, sondern dass er sich ernsthaft auf ein Musikstudium vorbereiten wollte. „Damals habe ich bei uns in Fernsehen einen Bericht gesehen über das Lucerne Festival und Claudio Abbado. Das hat mich so beeindruckt und ich wusste: da will ich hin!“
„Oscar Ghiglia, ein italienischer Gitarrist, der noch Schüler des grossen Andrés Segovia war, hat mir dann geraten, bei Anders Miolin an der Zürcher Hochschule der Künste weiter zu studieren“, erzählt er. Er reiste also in die Schweiz, traf Miolin und spielte ihm vor. „Und das war Liebe auf den ersten Blick….“ Vermutlich auf beiden Seiten. Zunächst musste Kocic aber seine Technik ändern. „Die war in Serbien völlig falsch. Aber nach einem Jahr hatte ich die technischen Probleme gelöst.“ Von nun an trat er an verschiedenen Wettbewerben auf. Mit Erfolg. Eine ganze Sammlung an Auszeichnungen kann er bereits vorweisen. Und er liess sich weiterhin von Anders Miolin unterreichten. „Das war der beste Entscheid meines Lebens!“
Master-Diplom und CD
Das Studium an der Musikhochschule hat er inzwischen mit dem Master-Diplom abgeschlossen und im September macht er mit Musikpädagogik weiter. „Ich freue mich aber auch darauf, im Herbst in Paris meine erste CD aufzunehmen. Am liebsten hätte ich es, wenn auch ein paar Stücke live aufgenommen würden.“
In erster Linie konzentriert er sich vorläufig auf klassische Gitarre und ein entsprechend klassisches Repertoire. Aber: „Ich liebe auch Jazz oder Rock und eine Jam-Session mit Kollegen ist wunderbar!“ Dann packt er auch die rockige E-Gitarre aus. „Das gefällt den Mädchen“, lacht er, „aber mir auch!“ Oder er nimmt sich Stücke von Johann Sebastian Bach vor, eine Partita zum Beispiel, und schreibt sie um für Gitarre. Er spielt aber auch auf Instrumenten, die schon vor der Gitarre existierten: die Laute, Barock-Gitarre oder Theorbe. Auf diesen alten Instrumenten, spielt er alte Musik: „John Dowland gefällt mir sehr“, aber auch andere Komponisten aus Renaissance und Barock.
Nach seinem gelungenen Auftritt am Lucerne Festival stehen die Türen für Vojin Kocic weit offen. Er weiss, dass noch viel Arbeit vor ihm liegt. Er weiss aber auch, dass er schon einiges erreicht hat. Und wenn man sieht, wie innig er seine Gitarre spielt und welch sanfte, oder rhythmisch temperamentvolle Töne er ihr entlockt, zweifelt man kaum, dass Vojin Kocic wieder einmal am Lucerne Festival auftreten wird. Dann aber nicht mehr in der Reihe „Debut“.