Und kennen Sie Joyce DiDonato? Die Sängerin? Eine der Besten unserer Zeit.
Die beiden haben durchaus etwas miteinander zu tun. Die Schlechteste, die in den Vierzigerjahren zu zweifelhaftem Ruhm kam, wird jetzt im Film «Die Florence Foster Jenkins Story» von einer der Besten dargestellt.
Und nun sitzt Joyce DiDonato in ihrem Zürcher Hotelzimmer, der Blick geht über den See auf den herbstlich verfärbten Üetliberg. Neben ihr Bestseller-Autorin Donna Leon. Dies nicht nur, weil die beiden befreundet sind, sondern auch, weil Donna Leon an diesem Film als Produzentin mitwirkt.
Wie ist es denn nun, diese «schlechteste Sängerin der Welt» zu spielen und auch zu singen …? «Befreiend!» antwortet Joyce DiDonato und strahlt übers ganze Gesicht. «Auf der gesanglichen Seite gab es keinen Druck, perfekt sein zu müssen. Stattdessen echt schlecht singen zu dürfen, das hatte etwas Befreiendes.» Als Opernsängerin vor der Kamera zu stehen, war dann schon schwieriger für sie. «Zumindest bis ich ihre ‘Gesangssprache’ beherrschte, ihr musikalisches und stimmliches Vokabular. Dann liebte ich die Rolle!» Denn auch das will erst mal gekonnt sein, so schief, so schrill, so falsch und krächzend zu singen, wie Florence Foster Jenkins es damals tat.
Auftritt in der Carnegie Hall
Der Film ist eine Mischung aus Dokumentarfilm und Phantasiebild. «Vor allem wollten wir uns auf keinen Fall über Florence lustig machen», erzählt Joyce DiDonato. «Natürlich muss man zeigen, warum sich das Publikum damals kaputtgelacht hat über sie, aber wir versuchen auch, die tragische Seite ihres Lebens aufzuzeigen.»
Florence Foster Jenkins stammt aus einer reichen New Yorker Bankiersfamilie und ihre ganze Liebe gehörte der Musik, vor allem dem Gesang. Wobei damit ihr eigener Gesang gemeint ist. Höhepunkt ihrer «Gesangskarriere» war 1944 ein Auftritt in der Carnegie Hall in New York. Das Publikum riss sich buchstäblich die Karten aus der Hand, das Konzert war im Handumdrehen ausverkauft. Und Florence Foster Jenkins enttäuschte ihr Publikum nicht: der Abend wurde legendär. Das Publikum krümmte sich vor Lachen und die Kritiken waren verheerend hinterher …
Warum nur hat sie sich das angetan, fragt man sich, und Joyce DiDonato vermutet: «Ich weiss gar nicht, ob sie realisierte, dass sie nicht gut war. Das wird wohl immer ein Rätsel bleiben.» Es gibt aber trotzdem eine mögliche Erklärung. «Florence litt seit ihrer Jugend an Syphillis und wurde mit Quecksilberchlorid behandelt. Dadurch könnte ihr Gehirn Schaden genommen haben und auch ihr Gehör. Sie selbst hat sich nämlich nie als schlechte Sängerin gesehen, sonst hätten sie auch die Kritiken nach dem Carnegie-Konzert nicht dermassen verletzt. Nur einen Monat später starb sie an einem Herzinfarkt.»
Riesiges Repertoire
Zuvor jedoch war sie durchaus glücklich mit ihrer Singerei im noblen, privaten Kreis unter Freunden. In New York war sie das Stadtgespräch und jeder kannte sie. «Ich wurde ein paarmal gefragt, ob ich denn kein Mitleid mit ihr hätte, und ich antwortete: nein», sagt Joyce DiDonato. «Florence liebte Musik und konnte 45 Jahre das tun, was sie am liebsten tat: singen.»
Joyce DiDonato zögerte zunächst ein bisschen, als ihr die Rolle angeboten wurde. «Vor allem, weil Florence nicht das gleiche Repertoire hatte wie ich. Ihr Repertoire war riesig und sie sang auch die ‘Königin der Nacht’.» Dann aber liess DiDonato sich auf das filmische Abenteuer ein, obwohl kurz zuvor bereits ein weiterer Film über Florence Foster Jenkins produziert worden war. Ein Spielfilm, mit Meryl Streep in der Hauptrolle. «Die beiden Filme ergänzen sich», sagt DiDonato. «Der andere Film ist eine Art Momentaufnahme rings um das Carnegie-Konzert herum. Fragen, die in diesem Film offenbleiben, werden in unserem beantwortet.»
Und eines muss man Florence Foster Jenkins auf jeden Fall lassen: Sie war als Sängerin äusserst erfolgreich. Trotz allem. «Sie hat mehr Platten verkauft als ich», sagt Joyce DiDonato lachend. «Sie schlägt uns alle. Höchstens Cecilia Bartoli ist heute so erfolgreich wie Florence Foster Jenkins. Ihr Traum wurde Wirklichkeit, wenn auch nicht ganz so, wie sie es erhofft hatte.»
Krieg und Frieden
Ein zweites, ganz anderes Projekt liegt Joyce DiDonato aber auch sehr am Herzen: ihr neues Programm «In War & Peace», mit dem sie zurzeit quer durch Europa und die USA unterwegs ist, und von dem auch eine CD herausgekommen ist.
«Krieg und Frieden», ein ewiges Thema, ein aktuelles Thema. «Ursprünglich wollten wir Stücke in Vergessenheit geratener Komponisten aus Neapel präsentieren», erzählt sie. «Dann geschahen vor einem Jahr die Anschläge in Paris. Ich sass zuhause in Kansas City an meinem alten Klavier, das Telefon obendrauf, und wartete auf Anrufe von Freunden, die in Paris waren. Und ich dachte, nein, es geht doch nicht, dass wir jetzt einfach Lieder von ein paar obskuren Komponisten aus Neapel aufnehmen! Jetzt muss ich ein Zeichen setzen.» Und sie stellte sich die Frage: «Wenn wir mitten in Dunkelheit und Chaos stehen, voller Sehnsucht nach Ruhe, wie können wir dann Frieden finden?» Mit Musik von Purcell über Händel bis Monteverdi, war ihre Antwort. Die Plattenfirma hat mitgemacht, und so wurde im letzten Moment ein anderes Programm zusammengestellt.
Begleitet wird sie vom Barock-Orchester «Pomo d’Oro» unter der Leitung des jungen russischen Dirigenten Maxim Emelyanychev, der soeben am Zürcher Opernhaus an Stelle von Teodor Currentzis die musikalische Leitung der «Entführung aus dem Serail» übernommen hat. «Es ist sehr spannend, mit ihm zu arbeiten», sagt sie. «Seine Sicht auf die Musik ist ganz anders als meine und wir lernen gegenseitig voneinander. Ausserdem bringt er grenzenlose Energie ein».
Und sozusagen als kleines Supplément hat Joyce DiDonato soeben ein ganz spezielles Konzert in Paris gegeben. In der schönen alten Opéra Garnier hat sie Lieder von Joseph Haydn und Richard Strauss gesungen. Begleitet vom Schweizer Philippe Jordan, dem musikalischen Leiter der Pariser Oper, der diesmal als Pianist aufgetreten ist. Eine kleine Rarität, auf die sich beide ganz besonders gefreut haben.
«THE FLORENCE FOSTER JENKINS STORY»
Mit Joyce DiDonato
Im Kino ab 17. November 2016
„IN WAR & PEACE“
Joyce DiDonato /Maxim Emelyanychev / Il Pomo d’Oro
ERATO
Querverweis auf Maxim-Emelyanychev-Artikel