Am Montagmittag hätte Griechenland sein Einverständnis mit allen Bedingungen für die nächste Multimilliardenfinanzspritze erklären sollen. War wohl nichts. Dann probieren wir es mal mit etwas Neuem, hat sich das duo infernal Merkozy gedacht. Der griechische Staat liefert alle seine Einnahmen auf ein Sonderkonto ab, auf das er keinen Zugriff hat und von dem zuerst mal Schuldendienste beglichen werden. Wenn dann noch etwas übrig bleibt, dürfen damit staatliche Aufgaben bezahlt werden. Ein neuer, schöner Beitrag zum europäischen Gedanken. Genauer: ein neuer Heuler aus dem Tollhaus.
Die Realität
Die eigentlich unübersehbare Realität ist: Griechenland war, ist und wird pleite sein. Daraus gibt es nur zwei Auswege. Staatsbankrott, Austritt aus dem Euro und Wiedereinführung der Drachme. Oder die Europäische Zentralbank öffnet die Geldschleusen, kauft sämtliche Griechenstaatspapiere zum aktuellen Kurswert von 25 bis 50 Prozent auf und garantiert sie anschliessend zu 100 Prozent. Damit würde die EZB nebenbei noch einen schönen Bilanzgewinn machen, mit dem sie grosszügig den armen Hellenen alle Schulden erlassen kann. Der Gläubiger, also der Risikonehmer, würde rasiert, was ihm recht geschieht. Tertium non datur, das ist zwar Latein und nicht Griechisch, trifft hier aber dennoch zu: Etwas Drittes gibt es nicht.
Der Wahnsinn
Auf den Strassen tobt das Volk, griechische Politiker wollen sich vor allem für die bevorstehenden Wahlen in Position bringen. Würden sie der Einrichtung eines Sonderkontos zustimmen, könnten sie stattdessen auch gleich nach Hause gehen und das Regieren einer Troika, einem EU-Kommissar oder einem deutschen Reichsverweser überlassen. Ganz abgesehen davon, dass der Hellenenstaat gar nicht über die nötige Infrastruktur verfügt, um ordnungsgemäss Staatseinnahmen und –ausgaben zu garantieren. Ganz abgesehen davon, dass die griechische Wirtschaft nicht in der Verfassung ist, um nennenswerte Steuersubstrate zu generieren. Ganz abgesehen davon, dass die Kürzung von Löhnen und Sozialleistungen die Nachfrage zusammenbrechen lässt. In dieser Situation die Rettung in der Einrichtung eines Sonderkontos zu sehen, ist etwa so wahnsinnig wie von den Griechen die Herausgabe des Goldenen Vlies zu fordern.
Das Zeitfenster
Gläubiger und Schuldner sind in einer Krisensituation immer unangenehm miteinander verklammert. Der Gläubiger würgt den Schuldner, weil er sein Geld zurückhaben will. Der Schuldner japst: Wenn du mir die Luft ganz abdrehst, dann ist dein Geld restlos weg. Wenn die Hoffnung verloren ist, dass der Schuldner mit neuem Geld wieder zu Atem kommt und alte und neue Kredite in Zukunft zurückzahlen kann, dann ist höchste Zeit für einen Kassensturz. Den nennt man Bankrott, und dafür gibt es immer ein enges Zeitfenster, in dem mit raschem Handeln die für alle Beteiligte bestmögliche Lösung gefunden werden kann. Was wir in diesem Moment erleben, ist, dass sich dieses Fenster mit einem lauten Knall schliesst.
Die Zukunft
Um sie zu antizipieren, müssen wir einen Moment in die Vergangenheit zurückgehen. Hätte Griechenland vor zwei Jahren Staatsbankrott erklärt, stünde es heute entschieden besser da. Erklärte Griechenland morgen Staatsbankrott, stünde es besser als heute da. Aber inzwischen wurde durch die Eurokraten auf den alten Schuldenberg ein neuer gestülpt. Es gilt festzuhalten: Es wurden Multimilliarden verröstet, ohne den geringsten Nutzen. Nun kann man zwar Geld sinnlos ausgeben, es aber nicht aus Luft und Liebe herstellen. Das bedeutet, dass jemand die Zeche zahlen muss. Nicht die Griechen, die Eurokraten auch nicht. Die Banken sowieso nicht, die müssen nach einer Griechenpleite rekapitalisiert werden. Da gilt wie in einer Wildwestschiesserei das Prinzip, dass "the last man standing" zur Kasse gebeten wird. Wer ist das wohl? Richtig, der EU-Steuerzahler. So er denn noch steht. Und zahlen will.
Die Behaftbarkeit
Ein Grundprinzip der demokratischen Delegation von eigenen Rechten an Volksvertreter beinhaltet, dass diese für die Verwaltung der Rechte haftbar sein müssen. Griechische Volksvertreter sind es schon längst nicht mehr, da sie ihrerseits bereits einen Teil dieser Rechte an die EU abgetreten haben. Die Eurokraten sind ebenfalls nicht haftbar, da ihr Handeln schon immer weitgehend der demokratischen Kontrolle durch die europäischen Völker entzogen war. Ohne Kontrolle herrscht Willkür. Wo Willkür herrscht, entsteht Widerstand von Betroffenen, die nicht Beteiligte an der Ausübung ihrer Rechte sind. Zentrales Recht jedes Staatsbürgers ist es, über die Verwendung des von ihm erarbeiteten Geldes mitbestimmen zu dürfen. Hier zeichnet sich der nächste Akt der europäischen Tragödie ab. Seine Auswirkungen werden weit über das Griechenland-Schlamassel hinausgehen.