Lange Zeit pendelte der Zustimmungswert für den Rechtspopulisten Salvini bei 37 oder 38 Prozent. Trotz seiner Arroganz und seinem diktatorischen Gehabe wurde seine Lega-Partei von bis zu 38,9 Prozent der Italienerinnen und Italienern unterstützt. Selbst seine Mussolini-ähnlichen Forderungen („Ich will volle Macht“) schadeten ihm nicht.
Doch sein Höhenflug in den Umfragen liess ihn übermütig werden. Er schien keine Grenzen mehr zu kennen. Er verspottete und verhöhnte seine Gegner und glaubte, die Welt liege ihm zu Füssen. Dann liess er die Regierungskoalition mit der Protestpartei Cinque Stelle auffliegen. Er glaubte, der 5-Sterne-Ministerpräsident Paolo Conte würde subito zurücktreten – und er, Salvini, würde dann die angesetzten Neuwahlen bravourös gewinnen.
Es kam anders. Conte trat nicht zurück, und Staatspräsident Sergio Mattarella weigerte sich, Neuwahlen auszurufen.
Minus 5 Prozent
Jetzt zeigt eine am Sonntag von der Wirtschaftszeitung „Sole24ore“ veröffentlichte Umfrage, dass Salvini den Preis für seine Überheblichkeit zahlt.
Die vom Institut „Winpoll“ durchgeführte Erhebung gibt Salvini noch einen Zustimmungswert von 33,7 Prozent – ein Verlust von 5 Prozent im Vergleich zur Umfrage vor einem Monat. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern gelten Meinungsumfragen in Italien als recht zuverlässig. „Wenn sich in Italien ein Politiker im Abschwung befindet“, kommentiert ein Beobachter in Rom, „kann das schnell Fahrt aufnehmen.“ Wie auch immer: Salvini kann sich nicht mehr als stets siegender Strahlemann präsentieren.
Gegen Neuwahlen
Die Umfrage zeigt zudem, dass die Mehrheit der Italiener keine Neuwahlen will, wie dies Salvini fordert. 60 Prozent wollen nicht sofort an die Urnen gehen.
Wie es in Italien weitergeht, soll sich in den nächsten Tagen entscheiden. Staatspräsident Mattarella hat den Politikern und Parteien bis Dienstag Zeit gegeben, eine neue Mehrheit für eine Regierungsbildung zu finden.
Am Wahrscheinlichsten erscheint zurzeit ein Bündnis zwischen dem sozialdemokratischen „Partito Democratico“ (PD) und den Cinque Stelle. Salvini wäre dann vorerst kaltgestellt.
„Schaut diese Umfrage an“
Die Umfrage zeigt, dass 62 Prozent der Sozialdemokraten sich für eine Allianz mit den 5 Sternen aussprechen. Bei den Cinque Stelle ist die Begeisterung für ein Bündnis mit der Linken weniger gross: 43 Prozent befürworten es.
Doch mit der Lega scheinen die 5 Sterne endgültig gebrochen zu haben. So bleibt eigentlich nur eine rot-gelbe Heirat (gelb ist die Parteifarbe der 5 Sterne).
Der frühere sozialdemokratische Ministerpräsident Paolo Gentiloni macht der Linken und den Sternen Mut, sich zusammenzufinden. „Schaut diese Umfrage an“, schrieb er am Sonntag auf Twitter.
„Der Verschrotter“
Doch noch gibt es ernsthafte Differenzen zwischen den beiden Parteien. Wer soll Ministerpräsident werden? Die 5 Sterne scheinen am bisherigen Regierungschef Conte festhalten zu wollen. Viele Sozialdemokraten lehnen ihn ab. Roberto Fico, der Präsident der Abgeordnetenkammer, hat offenbar das Handtuch geworfen. Zudem ist die Linke wieder einmal zerstritten. Der frühere Ministerpräsident Matteo Renzi, einst „der Verschrotter“ genannt, schüttelt die Partei durch und arbeitet an seinem Comeback.
Die Umfrage zeigt aber auch, dass weder die Sozialdemokraten noch die Fünf Sterne vom Niedergang der Lega stark profitieren. Zwar legen beide Parteien leicht zu – aber eben nur leicht. Zugelegt, auf tiefem Niveau, haben Berlusconis Forza Italia und die postfaschistischen Fratellit d’Italia. Die Sozialdemokraten liegen jetzt bei 24 Prozent, die 5 Sterne bei 16 Prozent. Zusammen verfügen sie im Parlament über eine klare Mehrheit.
Auf schwachen Füssen
Auch die meisten Anhänger der Lega sind sich bewusst, dass eine Neuauflage der bisherigen Koalition zwischen Lega und 5 Sternen nicht mehr möglich ist. Nur noch 7 Prozent der „Leghisten“ (Anhänger der Lega) befürworten erneut eine solche Allianz.
Beobachter in Rom glauben, dass eine Regierung zwischen Sozialdemokraten und Cinque Stelle auf schwachen Füssen stehen wird. Wie lange sie halten würde, wagt niemand vorauszusagen. Die ideologischen Differenzen sind gewaltig. Die Cinque Stelle sind unberechenbar und unerfahren. Gewaltig sind auch die persönlichen Animositäten. Die Exponenten der beiden Parteien haben sich in den letzten Monaten derart angefeindet, dass noch viele Wunden offen sind. Die Umfrage zeigt, dass nur ein Drittel der Anhänger der Cinque Stelle glaubt, eine solche Regierung würde eine ganze Legislatur lang, also bis 2022, halten.
Die Gefahr besteht jetzt, dass beide Parteien so hoch pokern, dass sie sich überwerfen und die Koalitionsverhandlungen abbrechen. Dann könnte es doch zu Neuwahlen kommen – welche Salvini gewinnen könnte.