Die westlichen Sanktionen gegen Russland waren und bleiben politisch unumgänglich, wirtschaftlich sind sie ein Erfolg. Die russische Wirtschaft wird in der Aussen- und der Binnenwirtschaft von den Sanktionen in zunehmendem Masse schwer getroffen. Der Rubel wird zur internationalen Schundwährung.
Als Antwort auf die Aggression des Autokraten Putin gegen die Ukraine hat der Westen, eingeschlossen der Schweiz, weitgehende Sanktionen erlassen. Zusammen mit Waffenlieferungen an Kiew ist dies die schärfste mögliche Reaktion, abgesehen von einem schwer denkbaren Waffengang der Nato gegen die Nuklearmacht Russland.
Politischer Imperativ
Für einmal hat der politische Imperativ Oberhand gewonnen über wirtschaftliche Überlegungen. Der am 24. Februar von Putin losgetretene, seit dem 2. Weltkrieg in Europa präzedenzlose Feldzug mit dem Ziel der Ausradierung der demokratischen Ukraine hatte unverzüglich Folgen im Westen. Dieser antwortete ebenso präzedenzlos mit Paketen immer schärferer Wirtschaftssanktionen gegen Russland sowie seine Bürger.
Die andauernden Aggressionen Putins in der Ukraine, die mit genozidaler Kriegsführung einhergehen, lassen eine weitere Verschärfung der Sanktionen erwarten. Mit wenigen Ausnahmen macht die westliche Welt deutlich, dass im Ukraine-Krieg grundlegende Prinzipien auf dem Spiele stehen.
Auch für die Schweiz
Das trifft für den grossen Teil der politischen Schweiz zu, ebenso die Mehrheit der Bevölkerung, welche die volle Übernahme der EU-Sanktionen befürwortet und beim Empfang ukrainischer Kriegsflüchtlinge von Grosszügigkeit Beweis ablegt. Ein kleinerer Teil der nationalistischen Rechten distanziert sich von Sanktionen – ein Phänomen, das auch in anderen Ländern wie etwa Deutschland an beiden politischen Rändern anzutreffen ist.
In der Schweiz schliessen sie sich hinter der Neutralitätsinitiative von Blocher zusammen, die faktisch eine Sanktionsverweigerungsinitiative ist. Diese hat nämlich nicht Neutralität zum wahren Ziel, sondern eine verfassungsrechtlich festgelegte Unmöglichkeit für die Schweiz, je der EU beizutreten oder ihr auch nur nahezukommen – eine Realitätsverleugnung, welche dem Lebensziel Blochers entspricht, da Europa auch in Zukunft bei so eklatanten Verletzungen jeden Rechtes wie in der Ukraine Massnahmen ergreifen wird. So etwa, sollte Xi Jinping je das demokratische Taiwan angreifen.
Russisches Öl und Gas
Russisches Öl und Gas wird tatsächlich von Moskau nach Asien umgeleitet. Aber der Weg dorthin ist dreimal so lang und damit teurer als nach Europa. Die Hauptabnehmer China und Indien wissen, dass Putin gar keine andere Wahl bleibt und verlangen entsprechend massive Preisabschläge. Die gesamte Ölförderung Russland ist zudem entscheidend auf westliche Technologie angewiesen, welche nun ausbleibt – mit verheerenden Folgen für zukünftige Produktion und Exploration.
Beim Gas ist auch eine mittelfristige Umleitung russischer Förderungen noch viel schwieriger als beim Öl. Ein ganz kleiner Teil wird als Flüssiggas, der Rest in bestehenden Pipelines Richtung Europa exportiert. Pipelines aus Sibirien hinaus sind erst sehr rudimentär vorhanden. Gasförderung und Weiterleitung von dort ist mit immensen Kosten verbunden; Mittel, über die Russland nicht verfügt und auch am Markt nicht mehr aufnehmen kann.
Hier ist allerdings anzumerken, dass die EU-Solidarität bei jedem Sanktionspaket erneut auf die Probe gestellt wird. Wegen drohenden Energieknappheiten im kommenden Winter geschieht die Durchführung der Sanktionen manchmal langsamer als in Brüssel von allen beschlossen.
Entscheiden ist aber letztlich, dass Russland nun – wie es beim mutwilligen Auf- und Zudrehen der verbleibenden Gasexporte Richtung Europa zeigt – für lange Zeit den Ruf als verlässlicher Partner für Rohstoffexporte verloren hat. Und dies weltweit, nicht nur in Europa.
Russische Importe und Russen
Zunächst ist festzuhalten, dass seit Kriegsbeginn ausnahmslos allen russischen Quellen von Zahlen misstraut werden muss. Dies schliesst nun auch alle offiziellen Statistiken ein, welche ein rosiges Bild der russischen Wirtschaft vorgaukeln. Wie bei den Kriegsmeldungen aus dem Kreml muss grundsätzlich von Fake News ausgegangen werden.
Die Importe aus dem Westen, an welche sich nicht nur die russische Oberschicht gewöhnt hat, sind tatsächlich auf rund die Hälfte des Vorkriegsniveaus zusammengesackt, mit weiterhin abnehmender Tendenz. Der Exodus zunächst fast aller westlichen Firmen – und damit westlicher Expats und in zunehmendem Masse auch der besten, weil kritischen russischen Intellektuellen – hält an. In Moskau und in anderen Grossstädten sind damit Tausende wertvoller Arbeitsplätze verloren gegangen.
Schundwährung, Schundpapiere
Der Rubel als Folge ausserordentlich strikter Kapitalkontrollen zur «Unwährung» geworden. Sein wahrer Wert ist damit nicht oder nur auf Schwarzmärkten bestimmbar. Ein guter Teil der russischen Auslandsguthaben in Devisen, rund 300 Mia. Dollar, ist bekanntlich im westlichen Ausland eingefroren. Laut verlässlichen Quellen wird Russland noch diesen Herbst alle seine verfügbaren Devisen aufgebraucht haben.
Russische Wertpapiere sind wertlos, weil international nicht mehr handelbar; zudem kann davon ausgegangen werden, dass die bestehenden russischen Rohstofffirmen den Kriegsausgang, geschweige dann dessen Aufarbeitung, nicht in der bestehenden Form überleben werden.
Alles Russische kontaminiert
Der Krieg in der Ukraine kann dank besserer Waffen der ukrainischen Verteidiger und Ermüdung von Mensch und Material auf russischer Seite sehr wohl noch andauern. Damit werden auch Sanktionen gegen Russland, gegen russische Firmen und Firmen im westlichen Ausland mit russischen Interessen (Drittwirkungen westlicher Sanktionen) sowie gegen russische Bürger in ihrem Heimatland oder im westlichen Ausland andauern.
Ganz abgesehen von moralischen Kriterien, die bereits dazu geführt haben, dass westliche Unternehmen auch ohne gesetzlichen Zwang alles Russische meiden, kann in wirtschaftlicher Optik nur ein klares «Hände weg» empfohlen werden. Putin hat mit seiner Aggression die Wirtschaft des Landes isoliert und lässt alles Russische auf Dauer als kontaminiert erscheinen.
Gute Dienst für Russland?
In der Schweiz scheinen dies die tonangebenden Tenöre der SVP zu ignorieren. Sie übernehmen kritiklos die russische Regierungspropaganda, wonach sich die Schweiz durch die Übernahme der Sanktionen gegen Russland von der Leistung Guter Dienste zwischen Moskau und Kiew selbst ausgeschlossen habe. Das ist lächerlich, da erstens eine Nichtteilnahme an den Sanktionen die Schweiz zum europäischen Paria gemacht hätte. Und zweitens, da mit einer Nichtteilnahme an Sanktionen die Ukraine ihrerseits die Schweiz als pro-russische Partei niemals als Vermittlerin akzeptiert hätte.
Mit dem Anfang einer möglichen Wende im Ukrainekrieg – etwa dem Einbezug der von Russland besetzten Krim im Zuge eines Vorrückens der ukrainischen Regierungstruppen im Süden – könnte Moskau eines Tages noch sehr froh sein, überhaupt einen Vermittler zu finden, der für beide Parteien und Europa akzeptabel wäre. Die Türkei Erdoğans, für beide Kriegsparteien ungleich wichtiger als die Schweiz, hat sich durch ihre kürzlichen Geschäfte mit Putin zur Sanktionsumgehung wohl bereits disqualifiziert.