Kuba geht es wirtschaftlich nicht besonders toll. Das ist eine gute Nachricht, weil die Insel während der «speziellen Periode in Friedenszeiten» nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers unterzugehen drohte. Von den ganz finsteren Zeiten, die bis Anfang dieses Jahrtausends andauerten, hat sich Kuba wieder einigermassen erholt. Von den Folgeschäden nicht.
In erster Linie ist das die Aufgabe einer zumindest egalitären Verteilung des Mangels. Im Zusammenhang mit dem Massentourismus wurde ein Zwei-Währungssystem eingeführt, zu dem theoretisch jeder Kubaner Zugang hat. Aber immer noch sind mehr als 94 Prozent der insgesamt rund 5 Millionen Werktätigen Staatsangestellte und verdienen im Schnitt 350 Pesos (ca. 15 Franken) im Monat, während immer mehr Artikel des täglichen Gebrauchs nur noch in der Zweitwährung CUC (Wechselkurs: 24 Pesos für 1 CUC) erhältlich sind, zu durchaus europäischen Preisen.
Keine Wirtschaftsreformen in Sicht
Die Situation der kubanischen Wirtschaft ist schwer zu analysieren, da es seit vielen Jahren kapitalistische Erfindungen wie ein statistisches Jahrbuch oder nachprüfbare ökonomische Daten nicht gibt. Es ist aber bekannt, dass rund 80 Prozent des gesamten kubanischen Aussenhandels aus Importen besteht. Und eine weitere, offiziell anerkannte Zahl: Die fruchtbare tropische Insel muss über 80 Prozent ihrer Nahrungsmittel importieren, nicht zuletzt, weil mehr als 50 Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens brach liegen. Grösster Einzellieferant sind übrigens die USA, denn die Handelsblockade ist auch nicht mehr das, was sie einmal war.
Vor diesem Hintergrund gab es gelinde Hoffnungen, dass der seit 2009 verschobene Parteitag ein Anlass sein könnte, bahnbrechende wirtschaftliche Reformen umzusetzen. Die Ankündigung, dass ab Ende 2010 die Ausübung von mehr als 170 Berufen für sogenannte «cuenta propistas» gestattet werde, also kleine Privatunternehmer, während gleichzeitig in Etappen insgesamt 1 Million überflüssige Staatsangestellte entlassen werden, sorgte für eine Mischung aus Angst und Hoffnung in der Bevölkerung. Aber bereits im Vorfeld des Parteitags wurde ein 291 Punkte umfassendes Papier unter dem Titel «Richtlinien der Wirtschafts- und Sozialpolitik» in Umlauf gebracht und in vorbereitenden Parteiversammlungen diskutiert. Sein Inhalt lässt sich einfach zusammenfassen: Es wird sich nichts ändern.
Theorie und Praxis
In der Theorie ist Kuba ein sozialistischer Staat mit zentral gelenkter Planwirtschaft, zu über 90 Prozent vergesellschafteten Produktionsmitteln und einem winzig kleinen Privatsektor. Dazu lediglich rund 600 Joint Ventures mit ausländischen Firmen, bei denen fast ausnahmslos der kubanische Staat Mehrheitseigner ist.
In der Praxis verfügt der Staat über ein Aussenhandels- und Warendistributionsmonopol, wobei der Binnenmarkt mangels Kaufkraft der Bevölkerung für ausländische Firmen weitgehend uninteressant ist. In der Praxis existiert neben der offiziellen Ökonomie eine Schattenwirtschaft in Form von Tauschhandel und einem florierenden Schwarzmarkt mit aus staatlichen Betrieben geklauten Waren, was wohl konservativ geschätzt 40 Prozent der Wirtschaftsaktivitäten ausmachen dürfte. Das wird geduldet, weil zu scharfe Kontrollen das Überleben vieler Kubaner ernsthaft in Frage stellen würden. Diese Toleranz ist wohl auch der Grund für das Ausbleiben von Protestbewegungen auf Kuba.
Und wer bezahlt’s?
Zum einen ist Kuba notorisch im Verzug beim Bedienen von ausländischen Krediten und stopft seit Jahren die dringlichsten Schuldenlöcher mit neuen Darlehen. Zum anderen sind die wichtigsten Devisenquellen Kubas nicht etwa Exporte von Nickel oder Zitrusfrüchten oder gar Tourismus. Letzterer bringt zwar einen schönen Schwung Devisen auf die Insel, die aber zu einem nennenswerten Teil versickern und nur zu einem kleinen Teil beim Staat landen. Hauptdevisenquelle Kubas ist die Vermietung von qualifizierten Arbeitskräften ins Ausland, so arbeiten mehr als 30 000 kubanische Ärzte und medizinische Hilfskräfte alleine in Venezuela. Daraus schöpft der Staat im Jahr insgesamt rund 4 Milliarden Dollar ab, auf Platz zwei stehen die Überweisungen von Exil-Kubanern in der Höhe von jährlich rund 1 Milliarde Dollar. Zusammen mit den Öllieferungen aus Venezuela zum Freundschaftspreis garantieren diese Einnahmen, dass sich das Regime und die Insel über Wasser halten können.
Die Ergebnisse des Parteitags
Nur mit einer Spur Zynismus kann man wohl vorhersagen, dass der bereits angekündigte Rückzug Fidel Castros (84) von seinem letzten offiziellen Amt als 1. Sekretär des Zentralkomitees der KP wohl der symbolische Höhepunkt des Parteitags sein wird. Veränderungen im deutlich überalterten Politbüro oder der Aufbau eines Nachfolgers für Fidels Bruder Raúl Castro (79) sind nicht angekündigt. Veränderungen im politischen System sowieso nicht. Und wirtschaftlich bleibt es bei den üblichen Forderungen nach mehr Effizienz, Verantwortung, Organisation, Planerfüllung. Wie beim letzten Parteitag von 1997 und dem vorletzten von 1991. Im Roman «Der Leopard» gibt es den schönen Satz: «Es muss sich alles ändern, damit es bleibt, wie es ist.» Nach 52 Jahren Revolution und erfolgreichem Machterhalt stellt dem die KP Kubas entgegen: Es bleibt, wie es ist. Ende der Durchsage. Ob das für weitere 52 Jahre Revolution reicht, darf stark bezweifelt werden. Aber wer wieder einmal den Countdown bis zum demnächst bevorstehenden Zusammenbruch des Regimes herunterzählt, irrt sich wie die meisten grossen Kuba-Kenner. Unter ihnen Andres Oppenheimer vom «Miami Herald». Der veröffentlichte ein dickes Buch unter dem Titel: «Castros Final Hour». Im Jahre 1992.