Es war Vorwahlkampf wie gehabt, in Michigan, jenem Staat des „Rostgürtels“ im Mittleren Westen Amerikas, der die nationale Autoindustrie beherbergt und dessen grösste Stadt, Detroit, lange Zeit Symbol des Niedergangs der Nation war. Mitt Romney und Rick Santorum lieferten sich vor dem Urnengang in Michigan ein erbittertes Duell, derweil ihre Kontrahenten Newt Gingrich und Ron Paul bereits überwiegend in Staaten unterwegs waren, in denen am „Super Tuesday“, am 6. März, gewählt wird und wo sich beide grössere Chancen ausrechnen, Delegiertenstimmen für den Parteikonvent in Tampa (Florida) zu sammeln.
Noch eine Woche bis zum "Super Tuesday"
Insgesamt werden am „Super Tuesday“ in zehn Staaten 400 Delegiertenstimmen vergeben, wobei im August 1144 Stimmen für die Nomination nötig sind. Derzeit weiss Romney nach Entscheidungen in 11 von 50 Bundesstaaten 167, Santorum 83, Ginrich 32 und Paul 19 republikanische Delegierte hinter sich.
„Courant normale“: Da war vergangene Woche die jüngste Fernsehdebatte unter den vier Kandidaten, nach 20 derartigen Auftritten unter Umständen der letzte, aber so gehässig wie etliche zuvor. Zwar stand in Mesa (Arizona) ein Quartett auf der Bühne, aber die Debatte reduzierte sich auf ein Duell zwischen Mitt Romney und Rick Santorum, bei dem Ron Paul und Newt Gingrich flankierend als Statisten mittun durften.
Dabei hatte Romney allen Grund, aggressiv aufzutreten, hatte ihn doch Santorum laut Umfragen in der Wählergunst zumindest eingeholt, wenn nicht überholt. Eine Niederlage in Michigan wäre für den Ex-Gouverneur von Massachusetts der Gipfel der Peinlichkeit gewesen, hat der 65-Jährige doch nach wie vor das Establishment seiner Partei, die besseren Wahlkampfhelfer und viel mehr Mittel hinter sich. So hat Romney seit Januar allein 30 Millionen Dollar für Werbespots am Bildschirm ausgegeben.
Pannen wie gehabt
Wahlkampf wie gehabt: Da waren, vor allem in Michigan, auch erneut die unbedachten Äusserungen, die rhetorischen Pannen, die teils abstrusen Beweisfühungen. Mitt Romney zum Beispiel versuchte sich bei den Fans von NASCAR-Rennen anzubiedern, die in den USA populärer sind als zum Vergleich in Europa die Formel-1-Rennen. Er räumte ein, er verfolge die Wettkämpfe zwar nicht so genau, zähle aber einige Team-Besitzer zu seinen Freunden. Dabei machte er sich gleich auch noch über NASCAR-Enthusiasten lustig, die mit billigen Plastikpelerinen auf den Rängen am Rande der Pisten hockten. Ferner brüstete sich Romney, seine Frau besitze zwei Exemplare der Nobelmarke Cadillac. Solche Bemerkungen haben nicht dazu beigetragen, sein Image als volksferner Multimillionär (mit einem geschätzten Vermögen von rund 250 Mio. $) oder als privilegierter Schnösel zu strafen.
„Romneys Problem ist es, dass er sich in Zeiten einer kriselnden Wirtschaft als Geldsack gebärdet und in einer Art und Weise agiert, welche die Leute annehmen lässt, er habe keine Ahnung, wie gewöhnliche Menschen leben“, argumentiert „Guardian“-Kolumnist Gary Younge: „Dabei hat er sich die schlimmsten Ausrutscher nicht dann geleistet, wenn er vergass, sich seines Reichtums zu rühmen, sondern dann, wenn er vom Drehbuch abwich, um zu zeigen, wie volkstümlich er ist.“
Indes stand Rick Santorum in Sachen rhetorischer Pannen seinem Konkurrenten in nichts nach. Der 54-Jährige kritisierte etwa, der in den USA noch immer äusserst beliebte John F. Kennedy habe als Präsident Kirche und Staat zu strikt trennen wollen und der Gottlosigkeit im Lande Vorschub geleistet, was ihn noch heute beinahe kotzen liesse. Ferner warf er Barack Obama vor, ein „Snob“ zu sein, weil er in einer Rede junge Leute dazu aufgefordert hatte, etwas für ihre Bildung zu tun und ein College zu besuchen.
Laut Santorum, der seine sieben Kinder aus Misstrauen gegenüber öffentlichen Schulen zu Hause erzieht, sind Colleges Brutstätten liberalen Denkens, ja geradezu gefährlicher Subversion. Kein Wunder, verurteilte der Erzkatholik auch erneut Abtreibungen, Empfängnisverhütung und gleichgeschlechtliche Ehen. „Wenn einer Sex, College und JFK gleichzeitig attackiert, reduziert er den Fundus möglicher Wähler drastisch“, spottete deshalb der frühere Clinton-Berater Paul Begala in einer Kolumne für „The Daily Beast“.
Am Ende wurde es, zumindest in Michigan, äusserst knapp. Mitt Romney gewann 41 Prozent der Stimmen, lediglich drei Prozent mehr als Rick Santorum, während sich Ron Paul mit zwölf und Newt Gingrich mit sieben Prozent der Voten zufrieden geben mussten. Umfragen unmittelbar nach der Stimmabgabe („exit polls“) aber dürften Romney und dessen Anhänger nachdenklich stimmen.
Solche Befragungen zeigten, dass es dem Spitzenkandidaten erneut nicht gelungen war, unter erzkonservativen Wählern – Anhänger der Tea Party, Abtreibungsgegner, Evangelikale - zu punkten. Ausserdem konnte er in Michigan weder Unabhängige noch Arbeiter mehrheitlich auf seine Seite ziehen. Am meisten Stimmen machte Romney unter Wählern, die sagten, sie wollten in erster Linie Barack Obama abwählen und sorgten sich am stärksten über die Lage der Wirtschaft.
Für Komiker ein gefundenes Fressen
Dagegen erhielt Mitt Romney ironische Schützenhilfe von Fernsehkomiker Stephen Colbert, der in seinem „Report“ auf dem Sender „Comedy Central“ einen strammen Konservativen zu mimen pflegt. Als Kritiker anmerkten, Romney habe bei einem Auftritt im grossen Football-Stadion von Detroit praktisch vor leeren Rängen gesprochen, konterte Colbert mit dem Hinweis, es sei dem Kandidaten immerhin gelungen, zu einem Meer leerer Sitze einen Rapport herzustellen, da diese Sitze wie er „aus Plastik und unbequem“ seien.
Mehr Glück in Sachen Support hatte indes Barack Obama. Dessen Super PAC mit dem eher umständlichen Namen „Priorities USA Action“ spendete Bill Maher, ein anderer populärer TV-Komiker, eine Million Dollar. Der erklärte Atheist war nach den Anschlägen von 9/11 politisch inkorrekter Äusserungen wegen zwischenzeitlich geächtet und vom Bildschirm verbannt worden. Zum einen, begründete der 56-jährige Maher nun seinen Entscheid, habe er mehr als genug Geld, und zum andern glaube er, sei es „die beste Investition“, die er habe tätigen können.