Der italienische Regisseur Romeo Castellucci zeigt am Theater Basel, wie man mittels Mozarts Totenmesse hüpfend und tanzend das Leben feiert. Dem existenziellen Ernst dieser Musik lässt die Inszenierung nur teilweise Raum.
Um das Positive vorwegzunehmen: Vieles an dieser szenischen Umsetzung von Mozarts Requiem überzeugt – vor allem zum Schluss hin –, auch mit überwältigenden Bildern. Was jedoch vorher in dieser vom Regisseur angestrebten Umkehrung einer Totenmesse in ein «letztes Fest des Lebens» passiert, wirkt manchmal wie eine Anleitung im Sinne: Wie bewege ich einen grossen Chor über die Bühne?
Die offenbar gewollte und bewusste Annäherung an Tänze verschiedener Völker ist im Prinzip zwar ehrenwert, doch szenisch oft ermüdend. Es wirkt darüber hinaus für Mozarts Komposition von 1791 geradezu beleidigend, wenn zu den drohend ernsten Worten des «Dies irae» (Tag des Zornes) im mozart’schen Originalrhythmus im Ringelreihen herumgehüpft wird.
Im Grunde passt diese Umsetzung eher zu Strawinskys «Sacre du printemps» – als Todesopfer und Totentanz. Aber Castelluccis Absicht, dass die absehbare Auslöschung allen Seins «wie Flammen» der Erinnerung gedacht werden solle, überzeugt dann doch. Dies ist der dramaturgische Faden, der sich durch seinen Totentanz namens Requiem zieht. Er kehrt die erwartbare Chronologie um und feiert den Tanz der Lebenden, rückwärts abrollend von der Greisin bis zum Säugling. Zudem erweitert er die Totenmesse musikalisch durch verschiedene geistliche Werke, vom gregorianischen Choral bis Mozart.
Bestürzende Abfolge des Verschwindens
Dabei verweist die Inszenierung generell auf das Verschwinden allen Lebens von dieser Erde und projiziert eine bestürzende Abfolge von Namen und Gattungen auf den Bühnenprospekt, Bezeichnungen allen endgültigen Verschwindens bis hin zur Auslöschung des Gedankens. Diese textliche Abfolge, einer der eindrucksvollsten Regieeinfälle, ist einer Totenmesse wahrhaft angemessen. Sie wird durch ein rieselndes Schlussbild gekrönt – ein grossartiges Tableau, das so leicht nicht mehr aus der Erinnerung verschwinden wird.
Romeo Castellucci, 1960 in der Emilia Romagna geboren, Autor und Regisseur, vielfach ausgezeichnet und mit Ehren überhäuft, weiss seinen stoisch-philosophischen Ansatz breit aufzufächern und szenisch wirksam umzusetzen. Aix-en-Provence erlebte 2019 die erste Station dieser Koproduktion; es folgte das Adelaide-Festival in Südaustralien, und nun, nach einer Corona-bedingten zweijährigen Pause, findet das Projekt am Theater Basel seinen Endpunkt.
Hervorragender Theaterchor
Hier nahm sich ein profunder Mozartkenner der musikalischen Umsetzung an: Ivor Bolton, heute Chef des Basler Sinfonieorchesters und unter anderem langjähriger Chefdirigent des Salzburger Mozarteumorchesters. Er verzichtete auf allzu rasante Tempi, sondern gab sowohl dem Orchester als auch dem riesigen Gesangsensemble genügend Atem, die Parforcejagd dieses Abends durchzuhalten.
Wobei wir beim Hauptprotagonisten wären: dem wie immer hervorragenden Basler Theaterchor, der hier bis an seine körperlichen Grenzen gefordert war. Zusammen mit den vier Gesangssolisten (Alfheiour Erla Guomundsdottir, Jasmin Etezadzadeh, Ronan Caillet und André Morsch, berührend ergänzt vom Knabensopran Eugen Von der Mühll) ernteten Chor, Solisten und weitere Beteiligte der Szenerie zu Recht begeisterten Applaus. Ein zwiespältiger Abend mit viel schöner Musik.
Foto: Ingo Höhn
Nächste Vorstellungen: 25. und 29. April