Ideologisch können die Schwedendemokraten mit der deutschen AfD verglichen werden. Nach Auszählung fast aller Stimmen hat die rechtspopulistische Partei mit 17,6 Prozent der Stimmen ihr bisher bestes Ergebnis eingefahren. Das sind 4,6 Prozent mehr als 2014. Erste Prognosen am Sonntagabend hatten sie noch auf dem zweiten Platz gesehen.
Die bisher regierenden Sozialdemokraten erzielten das schlechteste Ergebnis in ihrer über hundertjährigen Geschichte. Die Partei bleibt jedoch mit 28,4 Prozent (–2,6 Prozent) stärkste Partei. Sie ist damit „einer Katastrophe entgangen“, heisst es in Kommentaren in Stockholm. Meinungsumfragen hatten ihr weit grössere Verluste prophezeit.
Die sozialdemokratische Arbeiterpartei unter Ministerpräsident Stefan Löfven bildete bisher mit den Grünen eine Minderheitsregierung, die von der Linkspartei toleriert wurde. Die Sozialdemokraten dominierten das Land seit 101 Jahren und waren wesentlich am Aufbau des schwedischen Wohlfahrtsstaates beteiligt.
Da die traditionell liberale schwedische Flüchtlingspolitik unter Druck gekommen ist, hatte der sozialdemokratische Ministerpräsident Stefan Löfven eine härtere Gangart eingeschlagen. Diese hat sich in der Wählergunst jetzt allerdings nicht ausbezahlt.
Das links-grüne Lager kommt auf gut 40 Prozent der Stimmen, vorausgesetzt, die Grünen überspringen die 4 Prozent-Hürde, was noch nicht definitiv sicher ist. Die Grünen erzielten laut provisorischen Ergebnissen 4,28 Prozent (–2,7 Prozent). Die Linkspartei, die bisher die Regierung Lödven tolerierte, legt um 1,9 Prozent zu und kommt auf 7,9 Prozent.
Beide Blöcke: je 40 Prozent
Doch auch der Bürgerblock kann allein nicht regieren. Ihm gehören vier konservative und liberale Parteien an: Stärkste bürgerliche Kraft ist die liberal-konservative „Moderate Sammlungspartei“. Sie musste mit minus 3,2 Prozent noch grössere Verluste hinnehmen als die Sozialdemokraten. Die Moderaten kommen jetzt auf 18,9 Prozent und bleiben damit zweitstärkste Partei.
Zur bürgerlichen Allianz gehören auch die Zentrumspartei (+2,6 Prozent), die Liberalen (+0,1 Prozent) und die Christdemokraten (+1,8 Prozent). Insgesamt also kommt der Bürgerblock auf gut 40 Prozent.
Da keiner der traditionellen Blöcke allein eine Regierung bilden kann, wird die Regierungsbildung schwierig und langwierig werden.
Sowohl die Sozialdemokraten als auch die Bürgerlichen haben eine Allianz mit den Schwedendemokraten kategorisch ausgeschlossen.
Theoretisch möglich wäre, dass entweder die Sozialdemokraten oder die Bürgerlichen eine Minderheitsregierung bilden, die von der andern Seite toleriert würde.
Grosse Koalition?
Nicht ganz ausgeschlossen ist auch eine Grosse Koalition zwischen den Sozialdemokraten und den Bürgerlichen. Eine solche Allianz galt bis vor Kurzem noch als völlig abwegig, da erhebliche, grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Blöcken bestehen.
Die Bürgerallianz ist ideologisch mit der deutschen CDU vergleichbar. „In Deutschland gibt es eine Grosse Koalition, wieso nicht in Schweden?“, sagt uns eine schwedische Kommentatorin in Stockholm. „Das Damoklesschwert der Schwedendemokraten könnte beide Blöcke zwingen, sich zusammenzuraufen.“
Sowohl die Sozialdemokraten wie auch die Bürgerlichen versuchen zu verhindern, dass die Schwedendemokraten die Rolle der Mehrheitsbeschaffer erhalten. In diesem Fall könnten sie ihre eigene Politik durchdrücken.
Rechtsextreme Wurzeln
Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten hatten schon bei den Wahlen vor vier Jahren stark zugelegt. Der einst von alten Nazis gegründeten Partei ist es gelungen, die Asylpolitik zum Wahlkampfthema Nummer eins zu machen.
Die Schwedendemokraten, die sich heute moderat geben, kritisieren, dass Schweden seit 2015 320’000 Flüchtlinge aufgenommen hat. Damit hat das 10-Millionen-Land – im Vergleich zur Einwohnerzahl – so vielen Flüchtlingen Asyl gewährt wie kein anderes europäisches Land. „Die Asylanten zerstören unseren Wohlstand und fördern die Kriminalität“, behauptet die Partei. Sie weist auch immer wieder auf die zunehmende Gewalt in den grossen Städten hin. Dazu werden allerdings zweifelhafte Statistiken präsentiert.
7,4 Millionen Schwedinnen und Schweden ab 18 Jahren waren am Sonntag aufgerufen, die 349 Mitglieder des Reichstags zu wählen.
(J21/hh mit Informationen von E. V. K., Stockholm)