Mit zum knappen Entscheid für einen Rahmenkredit zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge beigetragen hat wohl auch die mangelnde Begründung in den bundesrätlichen Erläuterungen zur Rechtfertigung der Kosten. Vage von „mehr Sicherheit“ für die Schweiz zu sprechen langt nicht. Sicherheit hat eine weiche und eine harte Seite. Gehen wir einmal davon aus, dass bei einer Beschaffung von Kampfflugzeugen harte Sicherheit – primär aber keineswegs ausschliesslich militärische Sicherheit – zur Diskussion steht, so muss das internationale Umfeld dieser Sicherheit im Zentrum stehen. Dieses ist für einen flächenmässig eher kleineren Staat wie die Schweiz von zentraler Bedeutung.
Luftpolizei ist grenzüberschreitend
Dies beginnt bereits beim in der Botschaft konkret genannten Zweck moderner Kampfflugzeuge, der Luftpolizei. Effektive polizeiliche Hoheit über den schweizerischen Luftraum kann nur in engem Zusammenspiel mit militärischen Stellen der Nachbarländer gewährleistet werden. Die Schweiz wird in Minuten überflogen. Im Rahmen luftpolizeilicher Aufgaben sind Vorauswarnung, Koordination und Verfolgung über die Landesgrenzen hinweg zwingend.
Luftpolizei allein kann aber nicht die hohen Ausgaben rechtfertigen, die für Beschaffung, Training der Piloten und Unterhalt der Flugzeuge bereitgestellt werden sollen. Dank dem Friedenswerk der EWG, heute der EU – und dem atomaren Abwehrschild der Nato während des Kalten Krieges – sind militärische Konflikte im Kerneuropa seit dem 2. Weltkieg unwahrscheinlich geworden. Nicht aber an den Rändern unseres Kontinentes, in seiner unmittelbaren Nachbarschaft, wo sicherheitspolitische Interessen aller Europäer, eingeschlossen der Schweizer, mit auf dem Spiel stehen.
Unsicherer Rand Europas
Im Osten versucht Putin, militärisch Stück um Stück zurückzuholen, was er als Sowjetnostalgiker zu „Grossrussland“ gehörend sieht. Im Südosten, im Mittelmeer und seinem südlichen Rand wird Europa direkt betroffen vom Dreikampf um den Vorrang in der muslimischen Welt zwischen dem schiitischen Iran und seinen Ablegern, den sunnitischen Arabern mit unendlichem Ölgeld und dem Anspruch aus Ankara, das osmanische Erbe wieder aufzunehmen. Entsprechende Stellvertreterkriege, zusätzlich angefeuert durch Drittinteressen mannigfaltigster Art bringen Flüchtlings- und Migrationsströme mit sich, welche in Europa nicht durchwegs, aber noch zu oft auf unvorbereitete Nationalstaaten treffen. Zur direkten sicherheitspolitischen Bedrohung Europas gehört auch internationaler Terrorismus, oft angeblich islamischer Prägung, der am Entstehungsort etablierte Regierungen ins Wanken bringt und der in Europa, weit über seine zahlenmässige Stärke hinaus, durch hemmungslose Brutalität zu grosser Verunsicherung führen kann.
Neutralität obsolet
Angesichts solcher Herausforderungen genügt ein Verweis der Schweiz auf Distanz, Neutralität und friedenspolitische Aufgaben nicht länger. Distanz spielt angesichts der globalisierten Welt keine Rolle mehr. Ebenso hat die Neutralität praktisch ihren Inhalt verloren. Und kaschiert oft ganz andere Interessen, etwa wirtschaftlicher Natur. Die Schweiz als „Friedensbringerin“ ist ein hehrer, wichtiger, durchaus noch zeitgemässer, aber auch sehr viel Mittel verlangender Anspruch. Er reicht von den guten Diensten über nachhaltige Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe bis zur Schweiz als Symbol des Roten Kreuzes.
Europäische und nationale Sicherheitsaufgaben
Diese dritte Funktion allein reicht aber nicht, um dem schweizerischen Anspruch gerecht zu werden, gleichzeitig nützliches Land im internationalen Staatenverbund zu sein und nationale Interessen zu verteidigen. Wiewohl geographisch eher klein, gehört die Schweiz zu den globalen Finanzmächten, ist eine auch im internationalen Vergleich grössere Wirtschaftsmacht und politisch eine europäische Mittelmacht. Das Märchen von der „kleinen Schweiz“, die doch nur Gutes will (und dabei kräftig verdient), nimmt uns, zumal bei unseren engen europäischen Partnern, niemand ab. Zurecht wird von der Schweiz erwartet, dass sie sich entsprechend ihrem Potential und durchaus im eigenen Interesse, an europäischen Sicherheitsaufgaben beteiligt. Auch an solchen militärischer Art. Genau dies tun wir bereits im Kosovo, wo gleichzeitig sowohl gesamteuropäische (Befriedung des Balkans) als auch spezifisch schweizerische (ex-jugoslawische Diaspora) Interessen anstehen. Weniger offensichtliche, aber ebenso dringende Aufgaben stehen an, etwa im Sahelgürtel.
Richtung Europa
Dass dazu auch die entsprechenden Mittel vorhanden sein müssen erscheint logisch. Schon vor Jahren hat ein SVP-Vorsteher des VBS vorgeschlagen, ein Grossraum-Transportflugzeug gemeinsam mit Österreich anzuschaffen. Was bereits im Parlament auf die unsichtbare Marignano-Mauer stiess. Nun hat endlich, ein Primeur in der jüngeren eidgenössischen Politik, GLP-Nationalrat Roland Fischer diese tabuisierte Glaswand durchstossen, indem er bereits vor der Abstimmung auf die Notwendigkeit der Einfügung in einen europäischen Militärverbund hinwies. Ähnlich haben sich nun nach dem Entscheid bereits Vertreter der beschaffungsskeptischen Linken geäussert, so etwa SP-Nationalrat Fabian Molina. Solche internationale Zusammenarbeit allein rechtfertigt die hohen Kosten der anstehenden Modernisierung der schweizerischen Luftwaffe. Und weist bei der Typenauswahl in Richtung eines in Europa gefertigten und eurokompatiblen Flugzeuges, also entweder den Eurofighter oder den Rafale.