Am Sonntag und Montag findet im prächtigen oberbayerischen Schlosshotel Elmau das traditionelle Treffen der Staats- und Regierungschefs von sechs grossen Industrie-Nationen statt um über aktuelle globale Probleme zu beraten. Mit dabei bei diesen seit den siebziger Jahren praktizierten Gesprächen in ursprünglich zwanglosem Rahmen sind die Regierungschefs Deutschlands, der USA, Frankreichs, Grossbritanniens, Italiens, Japans und Kanadas – zusammengefasst unter dem Kürzel G-7. Bis zum letzten Jahr war die G-7-Gruppe lange Zeit durch die zusätzliche Einladung Russlands zur G-8 mutiert.
Nicht der Weisheit letzter Schluss
Im vergangenen Jahr hätte die G-8-Versammlung eigentlich in Sotschi am Schwarzen Meer stattfinden sollen. Wegen der wenige Monate zuvor erfolgten völkerrechtswidrigen Annexion der Krim-Halbinsel und der russischen Intervention in der Ostukraine wurde das Sotschi-Treffen von den Westmächten mit gutem Grund abgesagt. Die ursprünglichen Teilnehmer trafen sich stattdessen ohne Putin in Brüssel unter dem alten Label G-7.
Was vor einem Jahr – schon wegen des damals vorgesehenen Tagungsortes Sotschi – richtig war, ist für das diesjährige Treffen in Elmau nicht der Weisheit letzter Schluss: die Nichteinladung Putins. In diesem Punkt muss man den beiden deutschen Ex-Kanzlern Schmidt und Schröder, die mit ihren saloppen Urteilen über Putins aggressive Ukraine-Politik sonst weitherum Kopfschütteln hervorgerufen haben, sogar recht geben.
Möglichkeit um Tacheles zu reden
Der Meinungsaustausch im G-7 oder G-8-Kreis sollte ja nicht als gemütliches Picknick-Geplauder oder als konfliktfreies Verbrüderungsritual verstanden werden. Vielmehr wäre das eine gute Gelegenheit, mit dem russischen Präsidenten bei vertiefter Diskussion in Sachen Ukraine erneut Tacheles zu reden. Dabei müsste klargestellt werden, dass eine Aufhebung der für Russland keineswegs nebensächlichen Sanktionen nicht in Frage kommt, solange die Umsetzung des Minsker Waffenstillstandsabkommens in der Ostukraine nicht gesichert ist, Russland seine direkte Einmischung in diese Krisenregion nicht einstellt und Moskau nicht bereit ist, über die Krim-Annexion seriöse Verhandlungen zu führen. Mit andern Worten: mit Russland wird auf der G-8-Ebene ein offener und kritischer Dialog geführt – ohne falsche oder voreilige Harmonie-Vorspiegelungen.
Solche unverblümten Gespräche zum Ukraine-Thema liegen im tieferen Interesse aller direkt oder indirekt von diesem Konflikt betroffenen Parteien – der G-7-Mitglieder ebenso wie derjenigen Moskaus und Kiews. Dieser Konflikt ist schliesslich der akuteste und gefährlichste kriegerische Brandherd, der auf europäischem Boden mottet. So gesehen mutet es befremdlich an, dass die G-7-Chef die Möglichkeit nicht nutzen, sich in Elmau mit Putin an den Tisch zu setzen und ihm erneut und gemeinsam die Tragweite und die Konsequenzen seiner Expansionspolitik gegenüber einem Nachbarland zu verdeutlichen, dessen territoriale Integrität Moskau nach der Auflösung der Sowjetunion vertraglich anerkannt hatte.
Widerspruch zu Merkels Rezept?
Verwunderlich ist der Ausschluss Putins vom diesjährigen G-7-Treffen auch deshalb, weil ja die Elmauer Gastgeberin Angela Merkel das Konzept, mit Putin das Gespräch intensiv zu pflegen und dabei die Ukraine-Krise und deren mögliche Langzeitfolgen für das europäisch-russische Verhältnis unmissverständlich in den Mittelpunkt zu stellen, bisher mit vorbildlicher Hartnäckigkeit praktiziert hat. Weshalb sie für den bevorstehenden Gipfel in Oberbayern darauf verzichtet hat, von diesem Rezept Gebrauch zu machen, bleibt vorläufig undurchsichtig.
Sollte Putin, der ja gerne mit der Pose des gekränkten und angeblich vom Westen zu wenig respektierten Machthabers spielt, im Vorfeld die Möglichkeit einer Einladung nach Elmau selber zurückgewiesen haben? Oder waren es andere Mitglieder aus dem G-7-Kreis, die Merkel nahelegten, eine solche Einladung gar nicht erst in Betracht zu ziehen? Sicher ist so viel: Ohne eine konzentrierte Auseinandersetzung mit der Ukraine-Krise und glaubwürdigen Bemühungen, den politisch-wirtschaftlichen Druck auf Russland ebenso aufrecht zu erhalten, wie den Dialog mit Putin, werden die Erinnerungen an den G-7-Gipfel im schönen Elmau schnell verwehen.