Die Pleite von Lehman war der Startschuss zur bislang grössten Finanzkrise aller Zeiten. Mit Gratisgeld, das durch die verbrecherische Niedrigzinspolitik der US-Notenbank unter dem angeblichen Geld-Guru Alan Greenspan in Hülle und Fülle vorhanden war, wurden Spekulationsblasen gefüllt, die natürlich platzen mussten. Durch das Herstellen von völlig undurchschaubaren Hypothekarschrottpaketen, CDO genannt, verdienten sich Investmentbanker eine goldene Nase. In den fetten Jahren bis 2008 kassierten sie geschätzte 1000 Milliarden Dollar an Boni und richteten dabei einen Gesamtschaden von ungefähr 6000 Milliarden Dollar an.
Gespür für Timing
Die UBS beweist heute ein Gespür für gutes Timing. Den Jahrestag der Lehman-Pleite benützt sie dazu, den Verlust von rund 2 Milliarden Dollar bekannt zu geben. Angeblich «nicht genehmigte» Geschäfte eines Händlers im Investmentbanking hätten zu diesem Schaden geführt, liess die UBS schmallippig vor Börseneröffnung verlauten. Aus Innensicht der Bank handelt es sich dabei eher um Peanuts. Das mag den Laien überraschen, aber vor dem Hintergrund, dass die UBS im Investmentbanking in den USA insgesamt seit dem Start im Jahre 2004 bis heute einen kumulierten Verlust von über 40 Milliarden Dollar eingefahren hat, ist das ja nur ein kleiner Kollateralschaden.
Das System ist krank
Natürlich legt die UBS Wert auf die Feststellung, dass es sich hier um das Versagen eines einzelnen Mitarbeiters gehandelt habe, der zudem existierende Vorschriften nicht beachtete. Die Verteidigungslinie ist die gleiche wie beim Schwarzgeldproblem mit US-Steuerzahlern. Nicht die Bank oder das System der Bank seien schuld, sondern menschliche Fehler Einzelner. Das ist kompletter Unsinn. Einen modernen Investmentbanker hat man sich so vorzustellen: Er setzt sich jeden Tag in einen Formel-1-Boliden, klappt ein schwarzes und völlig undurchsichtiges Visier herunter und gibt Vollgas. Kommt er tatsächlich am Ziel an, ist er der Held, hat die Bank ihre Mitbewerber abgehängt und kann fröhlich Millionenboni verteilen. Fährt er gegen die Wand, war das «unvorhersehbar», und ausserdem hat der Zocker natürlich gegen irgendeine interne Vorschrift verstossen.
Wer zahlt die Zeche?
Banken sind heutzutage Wertvernichtungsmaschinen. Tropft aus den Wolken von virtuellen Wettwolken, die sie mit Derivaten, also Ableitungen von realen Werten, also Wettscheinen, herstellen, ein Gewinn am richtigen Ort heraus, wird er innerhalb der Bank als Bonus verteilt. Gibt es einen Verlust, zahlt zunächst einmal der Besitzer der Bank, also der Aktionär, die Zeche. Ist auch der pleite, kommt die Allgemeinheit, also der Steuerzahler, zum Handkuss. Bei der UBS war es schon einmal so weit, sie überlebte die letzte Finanzkrise nur, weil sie vom Schweizer Steuerzahler unfreiwillig gerettet wurde. Zurzeit leidet nur der Aktionär; während die UBS-Aktie noch vor wenigen Jahren fast 80 Franken Wert war, dümpelte sie in den letzten anderthalb Jahren bei 20 Franken vor sich hin und stürzte heute mal wieder kurzfristig sogar unter einen Wert von 10 Franken.
Grübel gescheitert
Als ob es noch eines weiteren Beweises bedurft hätte: Die Strategie des Investmentbankers und UBS-Bosses Grübel, die Bank mit einem forcierten Investmentbanking-Kurs in eine Gewinnzone von über 15 Milliarden im Jahr zu führen, war schon vor diesem aktuellen Milliardenverlust gescheitert, sie ist ab heute für alle offenkundig gescheitert. Dass Oswald Grübel allerdings die Grösse hat, seine Einsichtsfähigkeit mit seinem Rücktritt zu beweisen, muss leider bezweifelt werden. In einem E-Mail an seine Mitarbeiter lässt Grübel jedenfalls keinerlei Lernfähigkeit erkennen: «Obwohl diese Nachricht bedauerlich ist, wird die fundamentale Stärke unseres Unternehmens dadurch nicht beeinträchtigt.» Fundamental? Stärke? In welcher Welt lebt dieser Mann eigentlich?
Gewinn und Verlust
Abgesehen von diesem völlig typischen Einzelfall muss man sich vor Augen halten: Investmentbanking besteht heutzutage zum grössten Teil aus Derviategeschäften. Derivate sind Wettscheine. Bei einer Wette gibt es immer einen, der verliert, und einen, der gewinnt. Denn Wetten haben eine nicht unwichtige Eigenschaft: Bei ihnen wird keine Wertschöpfung betrieben, es wird nichts Neues hergestellt. Es wird einfach gezockt. Das weiss jeder Investmentbanker. Es ist erstaunlich, dass sich die Öffentlichkeit und die Politik bis heute weigern, diese banale Tatsache zur Kenntnis zu nehmen. Bei der aktuellen «too big to fail»-Debatte in Bern tropfen mal wieder erregte Kommentare einzelner Parlamentarier aus dem Bundeshaus. Dabei haben sie es in den vergangenen drei Jahren, seit der Lehman-Pleite, gnadenlos vermieden, auch nur eine einzige umgesetzte gesetzliche Konsequenz daraus zu ziehen.