(ist) Dass Alliierte einander bespitzeln, ist nicht neu. Oder spätestens bekannt seit den Enthüllungen Edward Snowdens über die Aktivitäten der NSA. Staaten haben, auch das weiss man, keine Freunde, sondern lediglich Interessen. Gewöhnungsbedürftig aber ist der Umstand, dass ein Land eine befreundete Nation ausspioniert und deren Parlament Informationen zuspielt, um der alliierten Regierung innenpolitisch zu schaden. Dem „Wall Street Journal“ zufolge hat Israel genau das getan.
Hochrangige amerikanische Regierungsvertreter berichten, die Israelis hätten die Nukleargespräche zwischen den P5+1 (die fünf ständigen Mitglieder Sicherheitsrates plus Deutschland) und dem Iran abgehört, die diese Woche in Lausanne in ihre entscheidende Phase treten. Wobei das allein noch nicht genügt hätte, um das Weisse Haus zu erzürnen. Denn die Amerikaner hören auch die Israelis ab und haben nur so vom subversiven Vorgehen des israelischen Geheimdienstes erfahren. Sie hörten, wie Mitarbeiter der Regierung Benjamin Netanjahus untereinander Geheiminformationen austauschten, die sie gemäss den USA allein durch das Ausspionieren der Atomgespräche hatten beschaffen können.
Die amerikanische Regierung ärgert über alle Massen, dass die Israelis ihre Erkenntnisse offenbar Mitgliedern des Kongresses in Washington DC zukommen liessen – in der Hoffnung, die Parlamentarier davon zu überzeugen, die Gespräche zwischen den P5+1 und der Islamischen Republik zu sabotieren. Das Weisse Haus war bereits zuvor alles andere als erbaut gewesen, als Ministerpräsident Netanyahu auf Einladung der republikanischen Führung vor dem Kongress auftrat, um dessen Mitglieder eindringlich vor einem Abkommen mit dem Iran zu warnen, das die Sicherheit Israels gefährden würde.
Überhaupt sind die Beziehungen zwischen Washington und Tel Aviv gespannt wie selten zuvor, und es ist kein Geheimnis, dass Barack Obama und Benjamin Netanyahu sich nicht mögen. Dazu trug jüngst auch bei, der der israelische Premier vor den Wahlen in seinem Land eine Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt mit den Palästinensern ausschloss und seine jüdischen Landsleute davor warnte, israelische Araber würden in grosser Zahl zu den Urnen gekarrt, um ihn, den Garanten nationaler Sicherheit, zu entmachten – ein taktisches Foul, für das sich Netanyahu zwar entschuldigt hat, ohne aber das Weisse Haus von seiner Aufrichtigkeit zu überzeugen.
Als „völlig falsch“ hat Israel inzwischen den Vorwurf Washingtons zurückgewiesen, bei den Nukleargesprächen mit dem Iran mitgehorcht zu haben. Der israelische Aussenminister dementierte jedoch nicht, dass sein Land über Informationen aus dem Innern der heiklen Verhandlungen verfüge. Doch diese seien auf anderem Wege beschafft worden. Israel, argumentiert Avigdor Lieberman, habe zwar ausgezeichnete Geheimdienste, doch sei schon vor geraumer Zeit der Grundsatzentscheid gefallen, die USA nicht zu bespitzeln.
Und die Moral von der Geschichte? Aussenstehende fühlen sich ob der Spionage-Affäre an Captain Louis Renault erinnert, jenen französischen Polizeioffizier, der sich im Film „Casablanca“ nach dem gewaltsamen Tod Major Strasser demonstrativ „schockiert“ gibt – „schockiert“ darüber, dass in Rick’s Café in der marokkanischen Hafenstadt illegal gespielt wird. Was der gute Mann aber seit jeher gewusst und wovon auch er hübsch profitiert hat. „Play it again, Bibi“.