Junge Männer aus Nordafrika überfordern das Asylland Schweiz. Nicht staatliche Verfolgung, sondern fehlende Zukunftsperspektiven veranlassen sie zur Ausreise. Angekommen im europäischen Raum, wandern sie meist über Italien in das Zielland Schweiz. Dass sie an unserem Wohlstand teilhaben wollen, ist verständlich. Sie erfüllen jedoch die ausländerrechtlichen Kriterien für eine legale Einwanderung in keinerlei Hinsicht nicht. Sie wählen deshalb die Asylschiene und strapazieren als Asylsuchende im Schutze des vorläufigen Bleiberechts die vorhandenen Asylstrukturen.
Dessen ungeachtet scheinen das Bundesamt für Migration (BFM) und das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) im alltäglichen Trott der gewachsenen Asylbürokratie zu verharren. Statt mit den verfügbaren oder kurzfristig erhältlich zu machenden Mitteln dieser unhaltbaren Entwicklung Einhalt zu gebieten, beschäftigt sich das BFM mit sich selbst. In Arbeitsgruppen wird weiter theoretisiert und die zeitgerechte Behandlung der Asylgesuche wird auf die lange Bank geschoben. Die Führung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) kümmert sich zu wenig konsequent um die Problematik und scheint das Problem aussitzen zu wollen. In den letzten Jahren wurden im BFM funktionierende Strukturen zerschlagen und erfahrenes Personal entlassen oder demotiviert. Mit dem Wechsel von der aufgaben- zur prozessorientierten Struktur scheint man im BFM das Verständnis für zentrale Aufgaben verloren zu haben.
Unter dem Vorwand, zur Beschleunigung der Asylverfahren brauche es mittel- bis langfristig weitere Gesetzesänderungen, sollen der Rechtsschutz ausgebaut und die Verfahren noch weiter verkompliziert werden. Bisherige Versprechungen über die Wirkung von Gesetzesrevisionen, personellen Aufstockungen und Reorganisationen haben sich als Worthülsen erwiesen. Im Auftrag der Staatspolitischen Kommission des Ständerates hat das EJPD den IST-Zustand erhoben und dabei festgestellt, dass selbst einfachste Verfahren verschleppt und der rasche Vollzug der Ausreise verschlampt wird. So benötigte das BFM durchschnittlich 120 Tage, um im sogenannten Dublin-Verfahren den Entscheid über die Rücküberstellung von Asylsuchenden in den für die Durchführung des Asylverfahrens und den Vollzug der Wegweisung zuständigen EU-Staat zu erlassen. Bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Asyl- und Wegweisungsverfahrens benötigten BFM und BVGer zusammen gar über 1’150 Tage. Die Gesamtdauer von der Einreichung des Asylgesuchs bis zur Ausreise aus der Schweiz oder bis zu einer Aufenthaltsregelung für abgewiesene Asylsuchende beträgt sogar 1’400 Tage. Dies ist nicht akzeptabel. Nicht Visionen, sondern Taten sind nun gefordert.
Die Verantwortlichen des EJPD, BFM und BVGer müssen ihre Führungsverantwortung endlich wahrnehmen. Werden die Prioritäten anders gesetzt, lassen sich mit den verfügbaren Mitteln Grundsätze konkretisieren, wonach die Schweiz ihrer humanitären Tradition treu bleibt, indessen den Missbrauch des Asylrechts nicht duldet. Diese Handlungsoption ist realistisch, sofort umsetzbar und stützt sich auf das geltende Asyl-und Ausländerrecht.
Am 1. September 2010 ist die Restrukturierung des BFM mit dem Ziel einer Effizienzsteigerung in Kraft getreten. Deren Ziel waren Effizienzsteigerungen, damit die aktuellen und bevorstehenden Herausforderungen im Migrationsbereich besser bewältigt werden können. Das BFM wurde von einer aufgabenorientierten in eine prozessorientierte Struktur überführt. Die BFM-Direktion hat eine vertiefte Rollenanalyse vorgenommen, um sicherzustellen, dass die ausgeschriebenen Kaderstellen optimal besetzt werden. Die Kaderstellen sind im Hinblick auf die operativen und strategischen Bedürfnisse des Amtes und im Interesse der Neuausrichtung besetzt worden. Mit Synergiegewinnen und Effizienzsteigerungen wurde insbesondere für den Bereich des Asylverfahrens eine Produktionssteigerung von 20 Prozent binnen weniger Monate in Aussicht gestellt. Das BFM verfügt über rund 700 Stellen. Davon wird rund die Hälfte in dem für die Behandlung der Asylgesuche zuständigen Führungsbereich eingesetzt. Im BFM sind 70 Personen befähigt, qualifizierte Anhörungen zu den Asylgründen durchzuführen. Das BFM wäre damit in der Lage, pro Jahr 12'000 Asylanhörungen durchzu-führen.
Beim Bundesverwaltungsgericht (BVGer) befassen sich zwei Abteilungen schwerpunktmäs-sig mit Beschwerden gegen Verfügungen des BFM betreffend Ablehnung von Asylgesuchen bzw. Nichteintreten auf solche und Wegweisungen. In diesen Abteilungen arbeiten 26 Rich-terinnen und Richter sowie über 80 Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber.
Das BFM verfügt in den Empfangs- und Verfahrenszentren (EVZ) über 1'200 Plätze. Die Abklärungen des BFM haben ergeben, dass es zur Erfüllung seines Auftrags über mindestens 1'900 Plätze verfügen müsste. Das Militärdepartement (VBS) verfügt in Truppenunterkünften über rund 7'000 Plätze, die kaum oder gar nicht mehr genutzt werden. Kooperiert das BFM mit dem VBS, den Standortkantonen und -gemeinden, wird es die ihm fehlenden Unterbringungsplätze in Erstaufnahmestrukturen rasch in Betrieb nehmen können. Die jüngst von den Kantonen Bern, Uri und Graubünden erklärte Hilfsbereitschaft sind nur Beispiele dafür.
Die Kooperationsbereitschaft liegt auch im Interesse der Kantone und Gemeinden, dürfen sie doch damit rechnen, vom Bund weniger Asylsuchende zugeteilt zu erhalten, für welche sie zu sorgen haben. In der Schweiz stehen zudem 476 Haftplätze für den Vollzug der Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft zur Verfügung. Die Rückführungsquote bei Anordnung der Ausschaffungshaft beträgt 96 Prozent.
Das geltende Gesetzesrecht enthält sowohl Rechtsgrundlagen über die Fürsorgezuständigkeit des Bundes während des Aufenthaltes in den Empfangs- und Unterbringungsstrukturen des Bundes10 als auch über die verschiedenen Verfahrenskategorien mit den entsprechend für BFM und BVGer verbindlichen Behandlungsfristen. Allenfalls notwendige Änderungen des Verordnungsrechts können vom Bundesrat rasch beschlossen werden. Gleiches gilt für die Verordnungen und Vollzugsweisungen des EJPD sowie des BFM.
Fazit:
● Das Asyl- und Ausländerrecht in der heute gültigen Fassung enthält die Rechtsgrund-lagen, um auf die aktuelle Situation im Asylbereich adäquat zu reagieren.
● Es enthält mehr als ausreichende Bestimmungen, um die Asylsuchenden mittels Präsenzpflicht in zentralen Bundesunterkünften unterzubringen.
● Asylsuchende sollen in der Regel nicht mehr auf die Kantone verteilt werden. Entsprechend müssen die Kapazitäten der Empfangs- und Verfahrenszentren rasch und massiv erhöht werden. Dazu müssen auch nicht mehr benötigte Truppenunterkünfte eingesetzt werden.
● Die im geltende Recht enthaltenen, kurzen Verfahrens- und Behandlungsfristen sind zwingend anzuwenden.
● Befragung und Anhörung haben umgehend zu erfolgen. Straffällige, Randalierende und von der Polizei aufgegriffene Asylsuchende, die sich bereits in einem Kanton aufhalten, sind umgehend Bundeszentren zuzuweisen. Deren Verfahren sind vorzuziehen und rasch abzuschliessen.
● Das geltende Recht gewährleistet mit seinen Verfahrensgarantien ein rechtsstaatlich korrektes Verfahren. Von einem weiteren, vorgesehenen Ausbau der Verfahrensgarantien ist abzusehen.
● Das BFM und das BVGer verfügen über das erforderliche Personal, um Verfahren, in denen die Anordnung des Vollzugs der Wegweisung vorauszusehen und durchführbar ist, entsprechend den gesetzlich vorgeschriebenen Behandlungsfristen zu erledigen.
● Es ist realistisch, dass das BFM die für die Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahmen erforderlichen zusätzlichen Unterbringungsplätze kurzfristig erhältlich machen kann. Es bedarf einzig einer guten Kooperation zwischen BFM und VBS einerseits und diesen Bundesbehörden mit denjenigen der Standortkantone und -gemeinden anderseits.
● Von der Vorsteherin des EJPD wird erwartet, dass sie die lethargisch-träumerische Führung des BFM auf den Boden der Realität zurückholt. Nicht die Erarbeitung weiterer Visionen sind nötig, sondern die zügige Abarbeitung der hängigen Verfahren und die sofortige Umsetzung der gesetzliche vorgeschriebenen Massnahmen.
Rasches und entschlossenes Handeln ist dringend nötig. Nur so kann ein noch grösserer Strom von Wirtschaftsflüchtlingen verhindert werden und die nötige Kapazität für echte Flüchtlinge freigehalten werden, da Schlepperbanden die politische Entwicklung in Zielländern wie die Schweiz verfolgen.
Rasches Handeln ist auch eine Verpflichtung gegenüber der Bevölkerung. Es besteht die Gefahr, dass die Untätigkeit im Asylbereich sowie Fehler beim Familiennachzug unqualifizierter Personen aus Drittstaaten die gesamte Migrationspolitik in Verruf bringen. Das gefährdet die Personenfreizügigkeit und damit die Bilateralen Verträge mit der EU.
Eine Priorisierung der Verfahren für offensichtliche Nichtflüchtlinge mit der Zuweisung eines Aufenthaltsortes in den Aufnahmestrukturen des Bundes, hat sich bereits in einer vergleichbaren Situation im Jahre 1988 bewährt. Mit seinen Beschlüssen im Rahmen des sogenannten „Verfahren 88“ hatte der Bundesrat damals erfolgreich Massnahmen gegen die illegale Einwanderung junger, arbeitsuchender Männer ergriffen. Die daraus gewonnen Erkenntnisse wurden in der Folge ins Gesetz überführt. Sie sind heute dringendst zu nutzen