Nach Monaten der Ungewissheit ist es nun klar: Zürichs ehemaliger Opern-Intendant Alexander Pereira leitet weiterhin die Scala. Der Aufsichtsrat der Scala hat Pereiras Amtszeit als Intendant für weitere fünf Jahre verlängert, Pereira kann also bis ins Jahr 2020 eines der berühmtesten Opernhäuser der Welt leiten. Für ihn persönlich ein Riesen-Erfolg und eine grosse Freude. Und auch eine Bestätigung seiner Arbeit.
Gleichzeitig pendelt er von Mailand aus nach Zürich, an seine alte Wirkungsstätte. Denn auch hier steht er wieder im Einsatz. Nicht mehr als Direktor, sondern als Haushofmeister. Und zwar in der Wiederaufnahme der „Ariadne auf Naxos.“
Herzig. Richtig herzig sieht es aus, das Namensschild neben der Herrengarderobe im Zürcher Opernhaus. Blümchen sind drauf, Herzchen und ein Name: Alexander Pereira. Mit ein bisschen Stolz zeigt er im Vorbeigehen auf das Schild, und auch mit Rührung. Denn nicht für jeden durchreisenden Sänger wird das Schild so liebevoll dekoriert.
Drinnen in der Garderobe ist es nüchterner. Nichts Persönliches mehr, ein paar Stühle, Kleiderstange, ein grosser Spiegel. Und jetzt Alexander Pereira: elegant, im schwarzen Anzug. Es ist sein Bühnenkostüm, denn für ein paar Vorstellungen der „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss hat Pereira der Mailander Scala den Rücken gekehrt und ist ans Zürcher Opernhaus zurückgekommen.
Mehr als acht Jahre ist es her, da hatte Pereira, damals noch Intendant des Opernhauses, sich selbst für die Rolle des Haushofmeisters in der Neuinszenierung der „Ariane auf Naxos“ engagiert. Es war eine Produktion, in die er bestens passte: die Bühne sieht wie ein Spiegelbild der noblen Zürcher Kronenhalle aus, in der man Alexander Pereira damals häufig sehen konnte, wenn er mit finanzkräftigen Wirtschaftsführern dort am Ecktisch sass. Meistens konnte er hinterher einen erklecklichen Betrag mehr auf dem Sponsoring-Konto des Opernhauses verbuchen.
Nun hat sein Nachfolger, Andreas Homoki, die „Ariadne“ wieder auf den Spielplan gesetzt. Und Alexander Pereira als Haushofmeister verpflichtet. Jetzt sitzen wir in seiner Garderobe.
Wie kommt es Ihnen denn vor, nun wieder hier im Opernhaus zu sein?
Alexander Pereira: „Diese Rückkehr ist natürlich nicht frei von Emotionen. 21 Jahre meines Lebens habe ich in diesem Haus verbracht. Das ist ja nicht wenig. Es ist wahrscheinlich die längste Intendantenzeit, die es gegenwärtig irgendwo gibt. Und, ja, es ist immer ein wunderbares Haus gewesen, und so ist es auch ein Geschenk für mich, hier noch einmal den Haushofmeister spielen zu dürfen“.
Ist denn der alte Stallgeruch noch da…?
„Ja klar! Natürlich! Ich kenne hier noch sehr, sehr viele Leute und der Stallgeruch war schon da, als Claus Helmut Drese und Christoph Groszer das Haus vor mir geleitet haben. Und der Stallgeruch wird auch noch da sein, wenn Pereira und Homoki nicht mehr sind. Das ist etwas, was das Opernhaus Zürich immer haben wird. Und es ist eine Qualität, die die Zeit überdauern wird.“
Ist die Rückkehr ans Opernhaus auch ein bisschen mit Nostalgie verbunden?
„Ich komme eigentlich gar nicht dazu, nostalgisch zu werden. Das Leben treibt mich immer so energisch voran. Wenn ich aber irgendwann einmal allein in meinen vier Wänden zuhause sitze und kein Mensch mehr an mir interessiert ist, dann werde ich vermutlich nostalgisch. Aber im Moment nehme ich es wie ein Fest. Für mich ist der Haushofmeister immer ein Fest“.
Haben Sie nachdenken müssen, ob Sie das Angebot nach Zürich annehmen wollen?
„Nein! Nein, nein…“
Für Alexander Pereira, der eigentlich Sänger werden wollte, stattdessen bei Olivetti Schreibmaschinen verkaufte und dann für Oesterreich-Tourismus arbeitete, bevor er in Zürich Opernintendant wurde, ist der Haushofmeister in der „Ariadne“ so etwas wie die Rolle seines Lebens geworden. Intendant Pereira hatte Recht, als er die Rolle mit sich selbst besetzte. In zwei verschiedenen Inszenierungen hat er sie seither in Zürich gespielt, anschliessend an der Wiener Staatsoper, in Covent Garden in London und am Strauss-Fest in Garmisch. Pereira ist auf vielen Bühnen sozusagen der Haushofmeister vom Dienst.
„Man kann mich um vier Uhr morgens wecken und ich rattere den Haushofmeister runter“.
Dann mussten Sie den Text gar nicht mehr repetieren?
„Doch, doch, das muss man immer, weil das so ein gefinkeltes Wienerisch ist, so ein überzüchtetes Deutsch, da muss man in jede Ecke hinein hören. Jedes Mal, wenn man es wieder macht, betont man plötzlich ein Wort anders oder unterstreicht ein anderes Detail.“
2012 hat Pereira das Opernhaus verlassen, um in Salzburg die Festspiele zu leiten. Schon bald gab es allerdings Knatsch wegen seiner Art, die Angelegenheiten dort an die Hand zu nehmen. Pereira verliess Salzburg.
Bereuen Sie im Nachhinein, nach Salzburg gegangen zu sein?
„Nein. Ich glaube, ich habe in Salzburg vieles aufbauen können, was auch bleiben wird: die Ouverture Spirituelle, Programme für Kinder, jedes Jahr eine Uraufführung und viele Neuinszenierungen. Beim Publikum war es ein Riesenerfolg und im dritten Jahr haben wohl auch einige Politiker gesehen, dass ich möglicherweise nicht die dümmsten Ideen hatte und dass alles aus einem Guss war.“
Nach einigem Hin und Her wurde Pereira nach Mailand an die Scala berufen, wo er nun seine erste Spielzeit leitet, von der man bis jetzt nicht wusste, ob es möglicherweise auch seine einzige bleiben würde. Denn Knatsch gab es nicht nur in Salzburg, sondern sehr schnell auch in Mailand. Dort sah man es nicht so gern, dass Pereira als Intendant in Salzburg Opernproduktionen an Pereira, den designierten Intendanten der Scala, verkauft hatte. Pereira wurde auf Ende seiner ersten Saison entlassen, konnte sich aber – neben anderen Interessenten – wieder neu um die Intendanz in Mailand bewerben. Wie man sieht: mit Erfolg.
Viel Kritik ist über Sie ausgeschüttet worden. Wie gehen Sie damit um, immer im Gegenwind zu stehen?
„Solange man weiss, was man will und solange man auch nicht goldene Löffel gestohlen hat, sondern mit geradem Rückgrat durch die Gegend läuft, kann man auch schwierige Zeiten überstehen. Die Scala ist faszinierend. Jeden Morgen komme ich mit Freude ins Haus. Und es heisst immer, es sei dort so schwierig mit den Gewerkschaften. Aber ich habe Spass mit den Gewerkschaftern, weil sie einfach zutiefst italienisch sind. Ich liebe dieses Land und liebe die Menschen dieses Landes. Ich glaube auch, dass momentan für die Scala jemand mit grosser Theatererfahrung sicher nicht falsch ist.“
Das hat sich offensichtlich auch der Aufsichtsrat der Scala gesagt und Pereira zu seinem eigenen Nachfolger ernannt. Er selbst wollte sich vor dem Entscheid nicht über seine Chancen äussern.
„Da ich munter weiterplane, komme ich gar nicht dazu, darüber nachzudenken“.
Sie planen nicht nur, sondern sind auch fleissig auf der Suche nach Sponsorengelden. Auch in der Schweiz?
„Ich habe ein Netzwerk in der ganzen Welt und einige Schwerpunkte dieses Netzwerkes liegen in Zürich. Aber das heisst nicht, dass ich dem Opernhaus Zürich etwas wegnehme. Diese Unternehmen sind gross genug, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen.“
Gute Voraussetzungen für Pereiras weitere Tätigkeit in Mailand.
„Ariadne auf Naxos“
Opernhaus Zürich
18. Februar, 22. Februar, 28. Februar, 03. März