Zunächst einmal: Beim Skandal um die Optionsverkäufe des Sonova-Managements und dem damit verbundenen Verdacht auf Insiderhandel gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung. Denn es kann ja reiner Zufall gewesen sein, dass kurz vor der erstaunlich spät erfolgten Gewinnwarnung des Hörgeräteherstellers vom Top-Management Aktien und Optionen im Wert von 47 Millionen Franken verkauft wurden. Aber im Ernst, hier bietet sich die gute Gelegenheit, einen Aspekt der verheerenden Auswirkungen moderner Entlohnungssysteme im oberen Management zu untersuchen.
Die fatale Wirkung von Optionen
Eine Option, die als Zückerchen zur Leistungssteigerung neben dem Fixgehalt an Entscheidungsträger verteilt wird, soll in der Theorie bewirken, dass der Angestellte unternehmerisch handelt und den Aktienwert seiner Firma steigert. Denn eine solche Option hat einen sogenannten Ausübungspreis, der normalerweise an den Aktienkurs zum Zeitpunkt der Verteilung gekoppelt ist. Steigt die Aktie bis zum Ablaufdatum, ergibt die Umwandlung der Option in eine Aktie einen hübschen, oft auch noch gehebelten Gewinn.
Ganz abgesehen davon, dass so meistens nur kurzfristige Gewinnoptimierungen stimuliert werden, verliert eine Option aber, im Gegensatz zur Aktie, vollständig ihren Wert, wenn der Aktienkurs unter den Ausübungspreis sinkt, da es dann ja billiger wäre, eine Aktie direkt zu kaufen. Motiv, Gelegenheit und Mittel im Falle einer bevorstehenden Gewinnwarnung, die erfahrungsgemäss die Aktie eines Unternehmens nicht gerade zu Höhenflügen verleitet, sind also einwandfrei vorhanden.
Strafbarer Insider-Handel
Insider-Handel bedeutet, dass jemand eine nur ihm oder einem kleinen Kreis von Personen, aber nicht allen Aktienhändlern bekannte Information verwendet. Ein Mitglied des Managements einer Firma weiss um die bevorstehende Fusion, die aber erst in einem Monat offiziell verkündet wird. Ein Verwaltungsrat erfährt, dass das neue Produkt wegen schwerer Mängel nicht rechtzeitig wie angekündigt auf den Markt kommt. Und verwendet dieses Insiderwissen, um rechtzeitig Aktien des Unternehmens zu kaufen oder zu verkaufen. Bis 1988 war das in der Schweiz nicht mal ein Kavaliersdelikt, sondern Gang und Gäbe. Dann wurde eine Insiderstrafnorm eingeführt, die sich als völlig zahnloser Papiertiger erwies und deshalb 2008 verschärft wurde. Um weiterhin ein zahnloser Papiertiger zu bleiben. Verurteilungen wegen dieses Delikts lassen sich bis heute an den Fingern beider Hände abzählen.
Das Problem der Beweislast
Erst durch eine weitere, erst geplante Strafverschärfung sollen auch Hedgefonds oder private Investoren teilweise diesem Gesetz unterstellt werden, da bisher die absurde juristische Logik davon ausgeht, dass ein Insider ja per Definition ein Verwaltungsrat oder Angestellter einer Firma sein muss. Viel gravierendere Auswirkungen hat aber die Beweislast bei einem Insiderhandel. Damit die bei Wirtschaftsdelikten meistens sowieso überforderte Staatsanwaltschaft eine Verurteilung erreicht, muss sie ja mehr als den Verdacht auf Insiderhandel nachweisen können. Sondern belegen, dass der Angeklagte nicht nur zufällig, sondern unter Benützung von nur ihm zugänglichen Insiderwissen, also vorsätzlich, gehandelt hat. Ansonsten gilt die Unschuldsvermutung. Dem Richter ist es dann überlassen, ob er der Behauptung des Insiders Glauben schenken will, er habe von nichts gewusst oder sein Aktien- oder Optionshandel habe keinerlei Zusammenhang mit seinem Insiderwissen. Je nach Ausgang des möglichen Strafverfahrens gegen die beiden zurückgetretenen Sonova-Manager können die dann allenfalls sogar noch Schadensersatzforderungen geltend machen. Im Falle eines Freispruchs wäre ihnen ja ein ziemlicher Reputationsschaden entstanden.