„Nessun dorma…“, einer der ganz grossen Hits des Opernrepertoires, stammt aus Giacomo Puccinis „Turandot“. Niemand dürfe schlafen, befiehlt Prinzessin Turandot. Stattdessen müssten alle nach dem Namen des fremden Prinzen suchen, der das Rätsel der hartherzigen Prinzessin gelöst hatte. Eine brutale Geschichte. Mit anderen Bewerbern um ihre Hand hatte die Prinzessin nämlich zuvor kurzen Prozess gemacht und sie köpfen lassen, wenn sie das Rätsel nicht lösen konnten. Und ganz klar, dass auch in den Bregenzer Zuschauerreihen niemand schlief, als Prinz Kalaf die chinesische Prinzessin nach einigem Blutvergiessen schliesslich zur Gemahlin erhielt.
Einen ganzen Monat lang strömte das Publikum auf die Seebühne, vorausgesetzt, es strömte nicht ebenfalls nass und kalt vom Himmel… Fast 7 000 Personen finden in dem gigantischen Zuschauerbereich Platz. Mehr als die Hälfte kommen aus Deutschland angereist, etwa 13 Prozent aus der Schweiz.
Es sind sicher nicht nur Opernfans, die nach Bregenz reisen. Was auf der Seebühne geboten wird, ist grosses Spektakel im XXL-Format. Riesige Bühnendekors, hollywoodreife Technik, raffinierte Licht-Regie und Gesangs-Stars, die diesem Aufwand gewachsen sind. Dazu eines der besten österreichischen Orchester: die Wiener Symphoniker. Dies alles vor dem Hintergrund des Bodensees beim Einnachten, mit Lichtern rings um den See und immer wieder mal einem beleuchteten Schiff, das hinter den Kulissen durchzuschweben scheint. Mitunter als dramatische Krönung noch etwas Wetterleuchten im Hintergrund, ohne Donnergrollen und vor allem ohne Gewitterschauer.
Bei einem Sommer-Opern-Festival kann man sich kaum eine erfolgversprechendere Mischung vorstellen. Denn neben der Grossproduktion auf der Freilicht-Bühne gibt es Anspruchsvolleres im Festspielhaus, dazu Konzerte und Ausstellungen. Aber natürlich verbindet man mit Bregenz in erster Linie die Seebühne. Und dies mittlerweile seit siebzig Jahren. Aus Operetten-Unterhaltung ist seither grosse Opern-Show geworden. Dies wiederum hat auch grosse Namen angezogen. „Turandot“ beispielsweise wurde vom Schweizer Regisseur und Bühnenbildner Marco Arturo Martelli inszeniert und ausgestattet, einem der Grossen der Opern-Regie. So hat er „Turandot“ unter anderem auch an der Wiener Staatsoper auf die Bühne gebracht. Auf der Besetzungsliste finden sich ebenfalls bekannte Namen: So etwa die russische Sängerin Mlada Khudoley in der Rolle der Turandot oder, als Sklavin Liu, die chinesische Sopranistin Guanqun Yu, die im Opernhaus Zürich als „Mimi“ in „La Bohème“ brilliert hatte.
Rund 160 000 Zuschauer haben „Turandot“ in diesem Sommer gesehen. Damit ist es die erfolgreichste Puccini-Oper auf der Bregenzer Seebühne. Das heisst auch, es wurde eine Auslastung von 94 Prozent erzielt, was angesichts der Wetterkapriolen dieses Sommers bemerkenswert ist. Insgesamt waren es sogar 213 000 Musik-Fans, die die verschiedenen Veranstaltungen besuchten.
Nach der Saison ist vor der Saison. Nur wenige Stunden nach der letzten Vorstellung beginnt am Montagmorgen der Bühnenabbau im Bodensee. Zunächst werden Lautsprecher und technische Geräte versorgt, dann wird die grosse Mauer Stein für Stein abgetragen. Schon Anfang Oktober rammt anschliessend eine Spezialfirma die ersten Holzpfähle in den Grund des Bodensees. Sie sind das Fundament für „Carmen“, die 2017 und 2018 andalusische Atmosphäre auf die Bregenzer Seebühne zaubern soll. Denn wie heisst es doch in der „Turandot“? „Nessun dorma...“ Niemand schläft. Die neue Saison wird sofort angepackt.