Bernard Shaw, der den Nachrichtensender CNN als Reporter und Moderator bekannt machte, ist im Alter von 82 Jahren gestorben. Er war am Bildschirm einer der beliebtesten und besten seines Fachs.
Als Bernard Shaw 2000 im Alter von 60 Jahren bei CNN zurücktrat, war die Überraschung gross. Fernsehgrössen seines Kalibers treten in den USA nicht so früh ab, sie bleiben solange sie können und wollen. Er selbst sagte, er begehe mit dem Rücktritt als Fernsehmoderator «eine Ketzerei». Doch sein Entschluss stand fest und er sprach von den «ungezählten Opfern», welche die Familie seiner Karriere wegen habe erbringen müssen. Gelegentlich aber kehrte er noch auf den Bildschirm zurück.
Bernard Shaw, 1940 in Chicago geboren, begann sich schon früh für Journalismus zu interessieren. Dies nicht zuletzt, weil sein Vater Edgar, ein Eisenbahner und Anstreicher, jeden Tag vier Zeitungen nach Hause brachte. Er bewunderte den legendären CBS-Nachrichtenmann Edward Murrow und besuchte 1956 als Teenager den Parteikongress der Demokraten in Chicago. «Als ich dort zu den Kabinen der Fernsehmoderatoren hinaufschaute, wusste ich, dass ich den Altar sah», erinnerte er sich später.
Start bei einer Radiostation
Zu Bernard Shaws Idolen gehörte damals auch Walter Cronkite, der für CBS die Abendnachrichten moderierte und den er 1961 während seiner Dienstzeit als Marineinfanterist auf Hawaii kennenlernen wollte. Er hinterliess in Cronkites Hotel in Honolulu mehrere Botschaften, die schliesslich bewirkten, dass sich der landesweit populäre Fernsehmann («Uncle Walter») eine Stunde lang mit ihm in der Lobby unterhielt. «Er sagte, das Wichtigste sei es, zu lesen und zu lesen», erzählte Shaw: «Seither sind wir Freunde geblieben.»
Nach der Dienstzeit und einem kurzen Studium an der University of Illinois begann Bernard Shaw in Chicago zuerst für eine lokale Radiostation und später für einen Fernsehsender der Stadt zu arbeiten, welcher der Westinghouse Broadcasting Company gehörte. Westinghouse schickte ihn als Korrespondenten nach Washington DC, wo ihn 1971 der nationale Fernsehsender Columbia Broadcasting System (CBS) entdeckte und abwarb. Doch «Bernie» blieb nur sechs Jahre bei CBS und wechselte zur ebenfalls nationalen American Broadcasting Company (ABC), die ihm den Posten eines Lateinamerika-Korrespondenten und Bürochefs anbot. Er hatte immer ins Ausland gewollt.
Wechsel zu CNN
Obwohl Bernard Shaw bei ABC für Höheres bestimmt war, liess er sich 1980 von Ted Turner zum neu gegründeten Cable News Network (CNN) locken, weil er glaubte, dass ein Nachrichtensender, der 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche berichtete, eine einmalige Herausforderung war und Zukunft hatte. «Bernie war ein Pionier, ein erfahrener Profi und einer der meist respektierten Journalisten im Lande», hat der frühere CNN-Besitzer Ted Turner in einer Reaktion auf Bernard Shaws Tod geschrieben.
«Als meisterhafter Mentor, dessen ruhiges und diszipliniertes Auftreten den perfekten Ton für die historische Berichterstattung vorgab, die seine mehr als zwanzigjährige Karriere bei CNN prägen sollte, wird sein Vermächtnis in der Arbeit und im Bewusstsein so vieler Journalisten auf der ganzen Welt weiterleben», stellte Turners ferner fest: «Die Welt hat einen Helden für Demokratie und Wahrheit verloren.»
Das «Chicken Noodle Network»
Der Wechsel von ABC zu CNN war für Bernard Shaw nicht ohne Risiko, denn CNN war beim Start am 1. Juni 1980 noch eine völlig unbekannte Grösse. Niemand wusste, ob das Konzept, rund um die Uhr Nachrichten zu senden, gegenüber den nationalen Fernsehgesellschaften Bestand haben würde. Kritiker sprachen verächtlich vom «Chicken Noodle Network», dessen Nachrichtensuppe wohl niemandem munden würde.
Doch Bernie Shaws Frau Linda wusste, dass ihr Mann das Richtige getan hatte. Sie sagte ihm, es würde unmöglich sein, mit ihm weiter zusammenzuleben, falls CNN Erfolg haben würde und er nicht dabei sei: «Sie wusste, dass in mir ein Schwadroneur steckte. Ich sah CNN als die vielleicht letzte Grenze des Fernsehens.»
Das Attentat auf Ronald Reagan
Shaw sollte schon bald die Gelegenheit kriegen, sich zu beweisen und die Glaubwürdigkeit von CNN zu stärken. Als Roland Hinkley am 30. März 1981 vor dem Hilton Hotel in Washington DC ein Attentat auf Ronald Reagan verübte, bei dem der Präsident und drei weitere Personen verletzte wurden, bewahrte der CNN-Moderator kühlen Kopf. Während ABC und CBS irrtümlich meldeten, Reagans Pressesprecher James Brady sei von Schüssen getötet worden, weigerte er sich nachzuziehen, weil die Informationen, die CNN zum Attentat hatte, nur aus zweiter Hand stammten.
Kühlen Kopf bewahrte Bernard Shaw auch, als er am 4. Juni 1989 aus Peking über die Niederschlagung der Studentenproteste auf dem Tienanmen-Platz berichtete. Chinas Regierung verhängte über Teile der Hauptstadt Kriegsrecht, so dass CNN nur noch 58 Minuten blieben, bis der Sender abgeschaltet wurde.
Auf Pekings Tienanmen
«Und im letzten Moment, bevor der Stecker gezogen wurde, konnten wir Bernie nach langem Hin- und Herverhandeln mit den Chinesen die Chance geben, sich abzumelden und die ganze Operation zu beenden», erinnert sich Mike Chinoy, damals CNN-Büroleiter in Peking. Shaw selbst sagte, als er sich am Bildschirm vom Publikum verabschiedete: «In meinen 26 Jahren in diesem Geschäft habe ich so etwas noch nie gesehen. Für all die hart arbeitenden Männer und Frauen von CNN, auf Wiedersehen aus Peking.»
Doch es sollte noch dramatischer kommen. Im Januar 1991 flog Bernard Shaw nach Bagdad, wo er den irakischen Präsidenten Saddam Hussein zu interviewen hoffte, dessen Truppen im August zuvor in Kuwait einmarschiert waren. Doch das Interview kam nicht zustande und Shaw wollte das Land wieder verlassen, als er mit seinen beiden Kollegen Peter Arnett und John Holliman im Hotel Al-Rashid in Bagdad strandete: In der Nacht auf den 16. Januar war im Irak nach Ablauf des Uno-Ultimatums der Krieg ausgebrochen und CNN war mitten drin, als die ersten Bomben der von Amerika geführten Militärallianz auf Bagdad fielen.
Live aus Bagdad
Bernie Shaw und seine beiden Kollegen sassen im Zimmer 906 der CNN-Suite im Al-Rashid und beobachteten vom Fenster aus, wie die irakische Flugabwehr wild in den Himmel schoss, und sie spürten auch die Detonationen der amerikanischen Bomben. Die Telefonleitungen der übrigen US-Fernsehgesellschaften waren gekappt worden, so dass allein noch die drei CNN-Journalisten über Satellitentelefone live über den Kriegsausbruch berichten konnten.
«Der Himmel über Bagdad ist erleuchtet», schilderte Shaw das aktuelle Geschehen für ein weltweites Publikum: «Wir sehen helle Blitze, die überall am Himmel aufleuchten.» 16 Stunden lang, bis die irakischen Behörden die Kommunikation unterbrachen, berichtete das Trio in der Folge inmitten explodierender Bomben und Marschflugkörper ohne Unterbruch und mit nur kurzen Schlafpausen. «Ich war noch nie dort», sagte Shaw seiner Zuschauerschaft, «aber es fühlt sich an, als wäre einer mitten in der Hölle».
Die Berichterstattung aus dem Hotel in Bagdad machte das relativ noch junge CNN weltberühmt und trug wohl wesentlich zu dessen späterem Erfolg bei. «Er (Shaw) hat CNN buchstäblich auf die Landkarte gebracht, indem er im Golfkrieg vor Ort war», weiss Fernsehmoderatorin Judy Woodruff, einst eine Kollegin bei CNN, wo sie gemeinsam die Sendung «Inside Politics» moderierten.
Terror in Oklahoma City
Vier Jahre nach Bagdad berichtete Bernard Shaw mehr als zwei Wochen lang aus Oklahoma City, wo am 19. April 1995 ein einheimischer Terrorist namens Timothy McVeigh das Alfred P. Murrah Federal Building mit einer Lastwagenbombe angegriffen hatte. Die Bombe tötete 168 Menschen, unter ihnen 19 Kinder einer Tagesstätte. Shaw sprach später von «posttraumatischem Stress» nach der Berichterstattung über solche Ereignisse. «Das ist mir schon bei einigen anderen Geschichten passiert», verriet er CNN-Talkmaster Larry King: «Die meisten von uns sind so machohaft, dass wir so tun, als wären das keine Faktoren. Aber seien wir realistisch: Es belastet einen wirklich stark.»
Etwas, wonach er stets gestrebt habe, sagte Bernie Shaw Jahre nach seinem Rücktritt einem Interviewer des National Public Radio (NPR), sei die Fähigkeit gewesen, seine Emotionen zu kontrollieren, wenn die Hölle ausbrach. Er persönlich habe das Gefühl, dass er den Härtetest dafür in Bagdad bestanden habe: «Je intensiver die Nachrichten sind, über die ich berichte, desto cooler möchte ich sein. Auch cooler, je mehr ich meine Emotionen zurückhalte, sogar den Tonfall meiner Stimme, denn die Leute verlassen sich darauf, dass einer genau und leidenschaftslos beschreibt, was geschieht. Und es wäre ein Bärendienst für die Konsumenten von Nachrichten – seien es Leser, Hörer oder Zuschauer – wenn ich emotional werden und mich hinreissen lassen würde.»
CNNs Geburtshelfer
Professionell zu berichten ist Bernard Shaw während 20 Jahren bei CNN zweifellos gelungen. Er habe es geschafft, den Sender nach dessen Start für ein ursprünglich winziges Publikum zu einem Begriff zu machen, schreibt Lisa Napoli, Autorin von «Up All Night: Ted Turner, CNN, and the Birth of 24-Hour News», einer Geschichte des Nachrichtensenders in Atlanta: «Er hat den grossen Fernsehgesellschaften gezeigt, dass das Konzept eines Senders, der nur Nachrichten ausstrahlt, eine Macht sein kann.»
Quellen: CNN, NBC, NPR, New York Times, Washington Post, LA times, Guardian, Wikipedia