Das Öl soll wieder fliessen. Zu Beginn der Woche einigten sich der Sudan und der Südsudan darauf, innerhalb von zwei Wochen wieder gemeinsam den lebenswichtigen Rohstoff zu fördern. Nach mehr als zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg hatte sich der Südsudan 2011 von seinem nördlichen Nachbarn abgespaltet. Die Ölfelder hatte er dabei mitgenommen, die Raffinerien liegen aber weiterhin im Norden. In einem Streit über die Transportgebühren hatte die südsudanesische Regierung vor mehr als einem Jahr die Förderung gestoppt – und dem Land damit die Chancen für Entwicklung genommen.
Alle Lebensbereiche beeinträchtigt
Der Ölstopp hat sich laut Kenyi Spencer gravierend auf den Alltag der Südsudanesen ausgewirkt. «Vor allem auf den Lebensunterhalt der Familien, wenn man bedenkt, dass der Staat 92 Prozent aller Arbeitsplätze schafft.» Die enorme Summe, die in der Kasse gefehlt haben muss, ist nur zu erahnen. Immerhin bezieht der Südsudan 98 Prozent seiner Einnahmen aus dem Geschäft mit dem Öl. Kurz nach dem Stopp im Januar 2012 hatte Präsident Salva Kiir Mayardit angekündigt, alle Entwicklungsprojekte auszusetzen, die nicht zum Überleben notwendig wären. Die Leidtragende war Spencer zufolge bald schon die verarmte Landbevölkerung, die von Kleinfarmen lebt. «Mit dem Ölfluss endete auch der Bau von Strassen, Brücken, Dämmen und Kanälen zur Bewässerung.»
Truppen sollen aus Grenzgebiet abziehen
Dass dies nicht lange gutgeht, erkannten die Präsidenten der beiden Sudans und hatten sich schon im vergangenen September geeinigt, die Pipelines wieder zu aktivieren. Bis heute scheiterte es jedoch an der Umsetzung. Die entscheidende Voraussetzung: Beide Truppen sollten sich zehn Kilometer hinter die Grenze zurückziehen und die Pufferzone den Blauhelmsoldaten der UNMISS-Mission überlassen.
Thabo Mbeki, Südafrikas Ex-Präsident und Verhandler der Afrikanischen Union, konnte mit den Vertretern der beiden Sudans erstmals ein konkretes Datum vereinbaren. Innerhalb von zwei Wochen sollen die Soldaten das Grenzgebiet geräumt haben und die Petrofirmen wieder für den Öltransport bereit sein. Diplomaten warnen, es könnte zu weiteren Verzögerungen kommen: Immer noch ist ungeklärt, wer die umstrittenen ölreichen Grenzstädte Abyei oder Heglig bekommt. Die Afrikanische Union zeigt sich dennoch zuversichtlich, dass im April wieder Rohöl in den Norden fliesst.
Fischerei als «das neue Öl»
Was danach folgt, sei laut Spencer zwar Spekulation, aber dennoch ein heikles Thema. «Hätten wir Raffinerien oder eine Infrastruktur für die Verarbeitung des Öls, wäre dieser Sektor nachhaltig. Da wir beides nicht besitzen, und nicht wissen, wie viel Öl noch unter der Erde lagert, müssen wir uns nach Alternativen umschauen.» Die Landwirtschaft wäre langfristig eine gute Einnahmequelle. Die Viehzucht scheide allerdings von vornherein aus. Die Tiere würden nur für traditionelle Zeremonien geschlachtet, während das Fleisch aus Uganda, Äthiopien oder Kenia importiert werde. Und Fischerei? «Ja, diese könnte unser neues Öl sein», strahlt Spencer.
Vorausgesetzt, es kommen die richtigen Geräte zum Einsatz. «Derzeit fahren Fischer noch mit Kanus auf den Flüssen und benützen umweltschädigende Netze und Haken.» Von der Regierung wünscht sich Spencer dafür Förderungen, von den Entwicklungspartnern eine bessere Hilfe. «Westliche Länder spenden grosszügig Traktoren. Leider kommen diese aber ohne Bedienungsanleitung oder einen Plan für die Wartung bei uns an.»
Der Ackerbau als Geschäft ist im Südsudan praktisch nicht vorhanden und werde Spencer zufolge «noch Jahre» benötigen. Derzeit sind die einzigen Farmer die Selbstversorger im Land. «Das Öl ist nicht nachhaltig. Doch um andere Bereiche in die Wirtschaft aufzunehmen, brauchen wir das Öl als treibenden Motor, fürchte ich.»