Der schweizerische Journalist und Kriegsreporter Kurt Pelda organisiert die Beschaffung und den Transport von geeigneten Occasions-Autos aus der Schweiz in die Ukraine. Diese werden für den Transport von Verwundeten und medizinischen Hilfsgütern dringend gebraucht. Pelda hält sich seit Beginn von Russlands Angriffskrieg häufig wochenlang in der Ukraine auf.
Auf die Idee, mit Kurt Pelda direkten Kontakt aufzunehmen bin ich dieser Tage durch eine Facebook-Meldung gekommen, aus der zu erfahren war, dass er inzwischen sein 25. Occasionsauto aus der Schweiz, ein robustes Pick-up Geländefahrzeug, in die Ukraine gebracht hat. Es biete als improvisierter Krankenwagen Platz für zwei bis drei Verwundete, hiess es in der Meldung. Für die Kosten der Überführung auf der 2700 Kilometer langen Fahrt suche er aber noch finanzielle Hilfe.
Kurt Pelda ist ein früherer NZZ-Kollege von mir. Er war mehrere Jahre Afrika-Korrespondent in Nairobi. Später hat er für verschiedene andere Medien und teilweise als freier Journalist aus einer Reihe von Kriegs- und Krisengebieten berichtet, unter anderem aus Afghanistan, Nordafrika und dem Nahen Osten. Inzwischen ist er beim Verlagshaus CH-Media angestellt.
Langes Whatsapp-Gespräch mit Kiew
Ich erreiche Pelda über Whatsapp in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Er sitzt dort in einem Hotelzimmer und es entwickelt sich über diese patente Verbindung ein langes Gespräch über Peldas Hilfstätigkeit für die Ukraine, seine Eindrücke über die Entwicklung des Krieges und die aktuelle Stimmung im Lande.
Für den erfahrenen Journalisten steht fraglos fest, dass die Lieferung von tauglichen Gebrauchtwagen in die Ukraine, wie er und mehrere andere NGOs sie betreiben, für die Armee und für andere Hilfstätigkeiten in diesem bedrängten Lande von grosser Bedeutung ist. Pelda ist sofort nach dem russischen Angriff im Februar 2022 als Kriegsberichterstatter in die Ukraine gereist. Bei seinen inzwischen mehrmonatigen Aufenthalten in dem Land, zu denen auch häufige Reisen in die Frontgebiete gehören, ist ihm klar geworden, dass es hier an allen Ecken und Enden an geeigneten Fahrzeugen für den Transport von Verwundeten an der Front zu den weiter zurückliegenden Ambulanz-Stellen fehlt. Ebenso für die Versorgung der Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten. Es gibt eine ganze Reihe von privaten in- und ausländischen Organisationen, die sich für den Nachschub solcher Transportfahrzeuge für die Ukraine einsetzen.
In der Praxis stiess vor allem am Anfang die praktische Durchführung solcher Gebrauchtwagen-Importe, abgesehen von Korruptionshindernissen, oft auf enervierende bürokratische Schwierigkeiten – nicht nur seitens der ukrainischen Behörden. Inzwischen hat sich das komplexe Prozedere besser eingespielt. Kurt Pelda hat in der Schweiz einen Verein namens Swiss UAid gegründet (www.swiss-uaid.org). Präsident des Vereins ist der Horgener Arzt Adrian Müller. Ein mit Pelda befreundeter Mechaniker kümmert sich um die technische Instandhaltung der in der Schweiz beschafften Occasionsautos und deren Transport in die Ukraine.
Die in der Ukraine ankommenden Fahrzeuge werden von einer Stiftung in Kiew übernommen und von dieser an die verschiedenen militärischen Einheiten in der Frontregion übergeben. Heute sehe man in diesen Gebieten derartige Occasionsautos aus allen möglichen Ländern. Die Behörden lassen es angesichts der herrschenden Notsituation zu, dass diese Autos mit den Nummernschildern aus den Herkunftsländern herumfahren können. Die Fahrzeuge aus England können auch rechtsgesteuert im Gebrauch sein. Besonders gefragt sind ältere Kleinbusse und Geländewagen.
Kurt Pelda ist weiterhin sehr interessiert, bezahlbare Occasions-Autos für die Ukraine in der Schweiz aufzutreiben. Wer solche Fahrzeuge anzubieten hat, kann per Mail mit ihm Kontakt aufnehmen: [email protected]. Spenden für sein Projekt können auf das Konto seines Hilfsvereins Swiss UAid überwiesen werden: IBAN CH25 0900 0000 1621 9814 9. Auf der Webseite des Vereins findet man auch einen QR-Code für Twint-Zahlungen.
Im vergangenen Jahr haben Pelda und sein Verein auch das Mobiliar und die medizinische Ausrüstung eines Spitals in Kilchberg, dessen Betrieb eingestellt wurde, in die Ukraine transportiert. Ebenso ist ein älteres Schweizer Feuerwehrauto durch diese Vermittlung in die Ukraine gelangt.
Ukrainische Stimmungseindrücke
Befragt über seine Eindrücke von der aktuellen Stimmung in der Ukraine, meint Pelda im Gespräch, er neige dazu, diese Stimmung für zuversichtlicher und robuster einzuschätzen, als es mancherorts im Westen eingeflüstert werde, insbesondere in den sozialen Medien-Blasen im Umfeld von Putin-Propagandisten à la «Weltwoche». Dort wird die Kiewer-Regierung hartnäckig zum «Kriegstreiber» und der Kriegsherr im Kreml zum legitimen Verteidiger gegen westliche Angriffspläne auf das friedliebende Russland umgelogen.
In Charkiw zum Beispiel, der zweitgrössten Stadt des Landes, die nur dreissig Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegt und die seit Wochen praktisch jede Nacht mit Raketen und Drohnen angegriffen wird, herrsche keineswegs Resignation und Untergangsstimmung. Die Gartenanlagen in der Stadt würden sorgfältig gepflegt und beschädigte Brücken in der Umgebung repariert oder neu gebaut. In der Innenstadt habe man keineswegs den Eindruck weitflächiger Zerstörung. Hauptsächlich in den Aussenquartieren sehe man Wohnhäuser, die von Raketeneinschlägen betroffen wurden.
Mangel an militärischem Nachwuchs
Gewiss leide die Bevölkerung gerade in den östlichen Regionen unter den systematischen russischen Angriffen auf die elektrische Infrastruktur, berichtet Pelda weiter. Immer wieder falle die Stromversorgung für längere Zeit aus. Doch weitherum gebe es mit Benzin betriebene Notstromaggregate, die massenweise aus dem Ausland geliefert würden. Die Benzinversorgung sei überraschenderweise kein akutes Problem. Die meisten Tankstellen im Lande funktionierten normal, häufig im Verbund mit kleinen Kioskläden oder Cafés.
Eine deutliche Schwäche der ukrainischen Verteidigung ist nach Peldas Beobachtungen dagegen der Mangel an militärischen Nachwuchskräften. In den Frontgebieten treffe man praktisch auf keine Kämpfer unter dreissig Jahren. Und in der U-Bahn in Kiew sehe man auffallend viele jüngere Männer. Es fehle offenbar den Behörden an der Durchsetzungskraft, alle dienstpflichtigen Leute im Lande zu mobilisieren. Und natürlich bleibt die Verpflichtung der im Ausland lebenden jungen Männer ein Problem.
Putins Empörung gegen grenzüberschreitenden Einsatz westlicher Waffen
Wenig Verständnis kann der Kriegsreporter Pelda für die zeitweise langatmigen öffentlichen Debatten im Westen über den ukrainischen Einsatz der gelieferten Waffen gegen das Hinterland des Angreifers aufbringen. Die Ukraine wird von Russland schliesslich mit Waffen und Truppeneinheiten, die hinter der Grenze stationiert sind, attackiert. Weshalb sollte das sich verteidigende Land nicht das Recht haben, diese Angriffskapazitäten nach Möglichkeit auszuschalten – und dies auch mit Hilfe ausländischer Waffen?
Auch Putin setzt für seinen Angriffskrieg iranische Drohnen und nordkoreanische Geschosse ein, vielleicht auch chinesisches Material. Hat es darüber in Russland je eine kritische Diskussion gegeben? Putins Empörung und seine Warnungen vor dem grenzüberschreitenden Einsatz westlicher Waffen durch die Ukraine ist auch nach Peldas Meinung nichts anderes als ein heuchlerisches Propaganda-Tool zur Beeinflussung verblendeter Seelen im Westen – und Stichworthilfe für seine Medien-Claqueure.