Dies sagt der ukrainische Berufssoldat «Waleri» in einer NZZ-Reportage aus Grossbritannien. An einem geheimen Ort in Südwestengland wird er zum Kampf gegen Putins völkermörderische Armee ausgebildet. Die Aussage zeigt: Die Schweiz ist kein echter Freund der Ukraine.
«Wenn es irgendeine Möglichkeit gibt, uns mehr Waffen und Munition zu schicken, dann tut das bitte», sagt Waleri in der NZZ-Reportage. «Wir brauchen für die kommenden Monate wirklich alles, was wir bekommen können.»
Grossbritannien hat in absoluten Zahlen nach den USA am meisten Mittel zur Unterstützung der Ukraine ausgegeben. Dazu gehören schwere Panzer und die Ausbildung ukrainischer Militärangehöriger. Die Schweiz könnte beides auch tun, tut es aber nicht.
Panzer
Bekanntlich stünden seit Monaten eine grosse Anzahl von ausgemusterten Kampfpanzern Leopard II in der Ostschweiz bereit, um im Ringverkauf via Deutschland oder direkt an die Ukraine abgegeben zu werden. Dies hat auch die schweizerische Verteidigungsministerin bestätigt. Entgegen den Behauptungen des Gesamtbundesrates ist dies sowohl von der Neutralität her, wie das die namhaftesten Völkerrechtler der Schweiz erschöpfend dargelegt haben, als auch basierend auf der geltenden Gesetzgebung über Kriegsmaterialausfuhr möglich: wenn nötig mit Notrecht, welches vom selben Bundesrat zur Rettung des Finanzplatzes Schweiz schnell und ohne Gewissensbisse angewandt worden ist.
Ausbildung
Die Schweiz könnte ohne weiteres jetzt ukrainische Soldatinnen und Soldaten ausbilden, wenn wir nur wollten.
Wie das, da sich doch die Ukraine im Krieg befindet?
Die Antwort ist in dieser Antwort des Bundesrates auf eine Interpellation von Nationalrat Pierre-Alain Fridez vom 19.09.2012 zu finden:
«(Es trifft zu, dass) russische Soldaten in den Genuss einer militärischen Ausbildung durch die Schweizer Armee gekommen sind. Zwei Detachemente der russischen Streitkräfte haben dieses Jahr in Andermatt im Kompetenzzentrum Gebirgsdienst eine Ausbildung absolviert.»
Das war zwar vor dem Beginn von Putins Aggression gegen die gesamte Ukraine, aber nur kurz vor dem von Russland entfesselten Donbass-Konflikt und nach den russischen Aggressionen in Georgien und anderen Regionen der ehemaligen UdSSR. Die wahre Absicht von Putin, das ganze Gebiet der UdSSR wiederherzustellen, war schon damals publik und allgemein bekannt. Offensichtlich hat damals die Neutralität für den Bundesrat keine Rolle gespielt, sondern, wie er in der Interpellationsantwort ausführt:
«Zu dieser auf Vertrauen und Gegenseitigkeit beruhenden Zusammenarbeit (mit Russland) zählen auch regelmässige Konsultationen auf den Gebieten der Menschenrechte und der Sicherheit.»
Die Moral
Nach all den politischen, juristischen und auch wirtschaftlichen Argumenten, ist die Moral der wichtigste Grund, weshalb die Schweiz mehr für die um ihr Überleben kämpfenden Ukraine tun muss.
Einer der berühmtesten, mit europäischen Preisen überhäuften, zeitgenössischen Schriftsteller der Ukraine, der in Russland geborene und im Original Russisch schreibende Andrei Kurkow, ein mit einer Engländerin verheirateter ukrainischer Staatsbürger, welcher mit seiner Frau in der Ukraine ausharrt, schildert ebenso konzis wie unnachahmlich, wie es sich anfühlt, von einem «Brudervolk» mit Krieg, Verwüstung, Folter und Tod überzogen zu werden. Mit dem er zudem eine Kultur teilt, welche zu den wichtigsten Weltkulturen gehört und unvergleichliche Literatur geschaffen hat. Eine Kultur, welche nun von Putin, seinen Schergen und seinen schleimenden Lawrow-Diplomaten in den Schmutz gezogen und nachhaltig beschädigt wird. (Andrei Kurkov: Tagebuch einer Invasion – Aufzeichnungen aus der Ukraine. Maymon, Oktober 2022)
Den schweizerischen Neutralität-Fetischisten ist anzuraten, Kurkows Buch aufmerksam zu lesen: Wenn sich diese dann, ohne Schamröte im Gesicht, weiterhin zur reinen und vollständigen Neutralität bekennen, welche zu wichtig sei, um kurzfristigen moralischen Einwänden Rechnung zu tragen – wie sich ein Genfer Völkerrechtsprofessor gegenüber dem Schreibenden sinngemäss ausgedrückt hat –, tragen sie die volle Verantwortung, als vermeintliche Experten die Schweiz auf den moralischen Irrweg geführt zu haben.
Kein Freund
Kein Freund der Ukraine zu sein in ihrer schwersten Stunde – der anlaufende Befreiungsvorstoss in der Ost- und Südukraine dürfte entscheidend werden –, wird für die Schweiz Folgen haben. Politische, wirtschaftliche und vor allem auch moralische. Im Gegensatz zum Brexit-Grossbritannien, das sich nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten in der Ukraine engagiert, zeigen wir uns nicht solidarisch mit dem demokratischen und rechtsstaatlichen Europa. Daran wird die Schweiz gemessen werden, von unseren gleichgesinnten ausländischen Partnern und auch von den zukünftigen schweizerischen Chronisten. Gewogen und zu leicht gefunden.