Sergei Magnitzki war der 2009 in Moskau im Gefängnis ums Leben gekommene russische Rechtsvertreter des in England lebenden Amerikaners Bill Browder. Dieser einstmals wichtigste ausländische Investor im unmittelbar postsowjetischen Russland war Gründer des Hermitage Capital Management Funds. Er wurde enteignet, des Landes verwiesen und wird weiterhin vom russischen Geheimdienst verfolgt.
Die „Spengler“ in Davos
Browder, Stammgast am World Economic Forum, wurde dieses Jahr nach verlässlichen Quellen gewarnt, dass er in Davos vom russischen Geheimdienst bedroht sei. Dem Vernehmen nach gaben sich die Häscher als „Spengler“ aus, die schon im vergangenen Sommer in Davos „Ferien“ verbracht hatten. Browders Buch „Red Notice: How I Became Putin’s No. 1 Enemy“ ist bereits 2015 erschienen. Seine Schilderungen grenzenloser Gier an der Spitze des russischen Staates, willfähriger Justiz und korrupter Verwaltung dürften aber weiterhin gelten.
Die dunkelste Seite der Herrschaft
Die dunkelste Seite von Putins Herrschaft besteht laut seinen Feinden darin, dass er Kritiker, die ihm gefährlich erscheinen, umbringen oder doch mundtot machen lässt – so wie 2015 den damals wichtigsten Dissidenten, Boris Nemtsov, der auf einer Moskauer Brücke in Sichtweite des Kremls ermordet wurde. Ganz zu schweigen von abgesprungenen Spionen, die er mit Nuklearmaterial im westlichen Ausland vergiften lässt. Browder wird seit Jahren von der russischen Staatsanwaltschaft mit offensichtlich falschen Beschuldigungen eingedeckt und weltweit ausgeschrieben. Dies in der Folge verschiedener russischer Urteile von 2013 und 2017, in denen Browder Steuervergehen und Betrug vorgeworfen wird
Das schweizerische Kapitel
Wie oft in solchen Fällen besteht der Verdacht, dass die russischen Enteigner von Browder dabei erbeutetes Geld in der Schweiz gewaschen haben. Die Rechtsvertreter von Browder hatten deswegen bereits 2011 in der Schweiz Klage eingereicht, ohne dass die BA seither entscheidend tätig geworden wäre. Im Gegenteil, laut Tages-Anzeiger und Financial Times will die BA russischen Rechtshilfebegehren stattgeben und schweizerische Gerichtsdokumente nach Moskau schicken. Und dies trotz klaren Anweisungen in nicht weniger als vier Resolutionen des Europarats, dem die Schweiz bekanntlich angehört, und entsprechenden Empfehlungen von Interpol, diesen rechtsmissbräuchlichen Gesuchen Russlands nicht zu folgen.
Keine gute Idee
Einmal abgesehen von den moralischen Aspekten und der fehlenden juristischen Notwendigkeit, ist der BA- Kniefall gegenüber Moskau auch aussenpolitisch keine gute Idee. In der Folge des Todes von Magnitzki hat das amerikanische Parlament mit grosser, überparteilicher Mehrheit den „Magnitzky Act“ erlassen, der empfindliche und andauernde Kontosperren und Boykotte gegenüber einigen der engsten Gefährten Putins zur Folge hatte. Wenn sich die oberste Strafverfolgungsbehörde der Schweiz so offensichtlich gegen den Zweck eines amerikanischen Gesetzes stellt, könnten sehr wohl Folgen für die offizielle Schweiz drohen. Der „Act“ wurde 2013 noch unter Obama erlassen; auch jetzt ist keine Änderung in der Haltung Washingtons ersichtlich. Eher im Gegenteil.