Trotz einem Warnschuss aus Ligurien sitzt der italienische Ministerpräsident nach den Regionalwahlen vom Sonntag fest im Sattel.
Die Wahlen in sieben der 20 italienischen Regionen sind allgemein als Stimmungstest bezeichnet worden. Ihre Bedeutung wird allerdings durch die tiefe Wahlbeteiligung von nur 52 Prozent eingeschränkt.
Renzis sozialdemokratischer „Partito Democratico“ (PD) bleibt stärkste Partei. Zweitstärkste Kraft wurde das „Movimento 5 Stelle“ des Ex-Komikers Beppe Grillo. Im rechten Parteienspektrum hat die fremdenfeindliche, nationalistische und populistische Lega Nord Berlusconis Forza Italia (FI) überholt.
Schmerzhafte Niederlage in Ligurien
Auch wenn die Linke fünf der sieben Regionen erobert hat, muss der Verlust der traditionell linken Region Ligurien (mit Genua) den Ministerpräsidenten arg schmerzen. Doch die Niederlage zeichnete sich ab, weil Renzis Partei in Ligurien zerstritten ist und mit zwei Kandidaten ins Rennen stieg. Lachender Dritter war der Forza Italia-Kandidat Giovanni Toti, ein politischer Berater Silvio Berlusconis. Toti kam auf 34,4 Prozent der Stimmen, die offizielle sozialdemokratische Herausforderin Raffaella Paita auf 27,8 Prozent.
Auch das Ergebnis im „linken Umbrien“ gibt dem Ministerpräsidenten zu denken: Zwar gewann die sozialdemokratische Kandidatin, allerdings mit einem Vorsprung von 3 Prozent nur knapp.
Bitterer Sieg in Kampanien
In Kampanien mit Neapel gelang es zwar der Renzi-Partei den bisher amtierenden Forza Italia-Präsidenten Stefano Caldoro zu stürzen. Doch der knappe Sieg des linken PD-Kandidaten Vincenco De Luca ist ein bitterer Sieg. Der 66-jährige frühere Bürgermeister von Salerno war wegen Amtsmissbrauchs zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Laut einem 2012 verabschiedeten Gesetz, dem auch Berlusconi zum Opfer fiel, darf der Verurteilte De Luca 18 Monate kein politisches Amt übernehmen.
Renzi, der sich stets als Saubermann zu profilieren versucht, steckte in der Zwickmühle. De Luca drohte, als Unabhängiger zu kandidieren und hätte damit wohl der Linken den Sieg vermasselt. Realpolitiker Renzi musste sich insgeheim sagen: lieber ein siegreicher Verurteilter als ein sauberer Verlierer. Jetzt wird der Ministerpräsident versuchen, De Luca irgendwie loszukriegen.
Problemlos siegte Renzi in der Toskana, in den Marken und in Apulien. Dort im Süden profitierte er von der Zerstrittenheit der Forza Italia. Dass in Venetien die Lega dominiert, stand von vornherein fest.
Sachte Anzeichen eines Aufschwungs
Laut ersten Analysen des Instituts Piepoli kommt der sozialdemokratische Partito Democratico (PD) – auf alle sieben Regionen gerechnet – auf 23,7 Prozent der Stimmen und bleibt stärkste Formation.
Renzis Leistungsausweis nach 15 Monaten kann sich sehen lassen. Er hat mehr erreicht, als alle andern Regierungen in den letzten 30 Jahren. So brachte er eine Wahlrechtsreform und eine Arbeitsreform durchs Parlament. Die Wirtschaft zeigt sachte Anzeichen eines Aufschwungs.
Autoritärer Regierungsstil
Bei den letztjährigen Europawahlen hatten Renzis Sozialdemokraten über 40 Prozent der Stimmen erhalten. Ein solch gutes Ergebnis hat niemand mehr erwartet. Bei den Regionalwahlen geht es um anderes als bei nationalen Wahlen. Zudem hat sich Renzi in seiner Regierungszeit – zwangsläufig - Feinde geschaffen, vor allem innerhalb der eigenen Partei. Der linke Flügel des PD und die Gewerkschaften haben ihm den Kampf angesagt und werfen ihm eine bürgerliche Politik vor. Aus diesem Grund hat der PD auch Ligurien verloren. Doch eine Alternative zu Renzi gibt es zur Zeit nicht.
Stimmen eingebüsst hat er sicher auch wegen seines sehr forschen, autoritären Regierungsstils. „Einer gegen alle funktioniert nicht“, schreibt der bürgerliche Mailänder Corriere della sera am Montag. Renzi täte sicher gut daran, die Gegner in seiner Partei nicht weiter zu brüskieren.
"Die Lega, einzige Alternative zu Renzi"?
Nach Angaben des Piepoli-Instituts kommt die Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo auf 18 Prozent der Stimmen.
Die Lega Nord profitierte von der Schwäche der Berlusconi-Partei. „Die Zeit der Mumien ist vorbei“ posaunt der sehr umstrittene Lega-Chef Matteo Salvini in die Republik hinaus. Salvini hatte mit eindeutigen rassistischen Bemerkungen auf sich aufmerksam gemacht. Seine Lega erzielt jetzt 12 Prozent der Stimmen. Salvini erklärte am Montag, die Lega sei die einzige Alternative zu Renzi.
Berlusconis Debakel
Für Berlusconis Forza Italia (FI) ereignete sich das angekündigte Debakel. Die Mitte-Rechts-Bewegung, die während zwanzig Jahren Italien dominierte, kommt nur noch auf 10,7 Prozent der Stimmen.
Die Bewegung befindet sich in einem Auflösungsprozess. Berlusconi wollte im letzten Moment noch das Steuer herumreissen und der Partei eine neue Führung (ohne ihn) und einen neuen Namen verpassen. Doch nicht einmal das konnte er noch durchsetzen. Noch weiss der 78-Jährige nicht, wer sein politisches Erbe antreten könnte. Innerhalb der Partei herrscht Streit, viele verlassen das sinkende Schiff.
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Gewählt wurde am Sonntag nicht nur in sieben der 20 italienischen Regionen, sondern auch in 742 Gemeinden. Zur Wahl standen in den einzelnen Regionen sowohl das Regionalparlament, der consiglio regionale, (vergleichbar etwa mit unseren Kantonsparlamenten) und der Präsident der jeweiligen Regionalregierung. Im Volksmund wird er als Gouverneur (governatore) bezeichnet.