Freiburg ist ihre Heimat. Oder Fribour …? Egal. Heimisch ist Marie-Claude Chappuis jedenfalls in beiden Sprachen und ihr Musikfest, das nun schon zum neunten Mal stattfindet, heisst «Festival du Lied». Mehrsprachig, auch im Titel.
Wie ein Appetizer kommt es daher, als «Gruss aus der Küche» vor den grossen internationalen Sommerfestivals. Wer hingeht, kommt mit Sicherheit auf den Geschmack des Feinen, des Sinnlichen, des Berührenden und des Zarten in der Musik. Sommerfestival, das bedeutet nicht nur Rock und Pop, Schlamm und Lärm, sondern auch Klänge, die Herz und Seele zutiefst berühren.
Mehrheitstauglich?
Marie-Claude Chappuis ist selbst Mezzo-Sopranistin und singt natürlich mit. Daneben ist sie allerdings auch Organisatorin des Festivals. Wieviel Mut brauchte es denn zu Beginn, ein «Festival du Lied» ins Leben zu rufen, also einen Musik-Bereich auf die Bühne zu bringen, der nicht von vornherein mehrheitstauglich ist?
«Viel …!» sagt Marie-Claude Chappuis mit einem tiefen Seufzer aber auch mit herzlichem Lachen. «Ich bin zum Glück idealistisch! Aber ich brauche auch viele Leute, die mithelfen. Die Familie vor allem, aber auch viele Freunde, die hier in Freiburg leben und singen. Die Freiburger singen in verschiedenen Chören, deshalb gibt es hier auch ein Publikum, das dieses Singen schätzt.» Auch wenn das vielleicht nicht hohe Kunst sei, aber dieses Singen sei die Verbindung zwischen Volksweisen und Liedern von Schubert, Brahms oder sogar Mahler. «Eigentlich ist das Volkslied gar nicht so weit entfernt vom ‚Kunstlied‘», sagt sie. Geographisch sei das Spektrum des Liedes bei ihr sehr breit, von Volksliedern aus Skandinavien oder Bulgarien bis zu Songs von Gershwin. Grenzen kennt sie da nicht. «Natürlich mag es einfacher sein, einen Gershwinsong anzuhören als Schuberts ‚Winterreise‘», meint sie in Bezug aufs Publikum. «Aber ich finde, in der ‚Winterreise‘ steckt so viel Gültiges, soviel Universalität, dass jeder Zuhörer sich aus diesen verschiedenen Schichten das herauspicken kann, was ihm wichtig ist. Man kann sich einfach von der Stimme berühren lassen, aber wenn man will, kann man auch ganz tief hineinhören. Diese Kunstgattung bietet unendlich viel.»
Alle wollen kommen
Marie-Claude Chappuis kommt richtig ins Schwärmen, wenn sie von den Liedern erzählt. Und so verwundert es auch nicht, dass sie keine Probleme hat, Kollegen zu finden, die am Festival auftreten. «Das Problem ist eher, dass ich gar nicht alle Kollegen einladen kann, die ich einladen möchte. Alle wollen kommen!» So gehört die wunderbare Walliser Sopranistin Rachel Harnisch neben anderen dieses Jahr zu jenen, die in Freiburg auftreten, der Tenor Martin Petzold, aus Russland der grossartige Geiger und Countertenor Dmitri Sinkovsky, oder der Tessiner Lautenist Luca Pianca.
Nach dem Festival geht es für Marie-Claude Chappuis gleich weiter mit den Salzburger Festspielen. Salzburg ist so ein bisschen die zweite musikalische Heimat. Vier Jahre hat sie hier am Mozarteum studiert und regelmässig kehrt sie nach Salzburg zurück. Dieses Jahr mit Mozarts Grosser Messe in c-Moll. «Es ist eine grosse Ehre, in dieser Messe mitsingen zu dürfen, die Mozart hier uraufgeführt hat. Das gehört zu den grössten Geschenken, die man im Leben bekommen kann.» Damals, als sie noch in Salzburg studierte, hat sie regelmässig mit einem Zettel in der Hand vor den Festspielhäusern gestanden. «Studentin sucht Karte» stand drauf … und heute steht sie selbst dort auf der Bühne.
Konzert, CD und eine Bundesrätin
Im Moment beschäftigt sie allerdings noch ihr Freiburger «Festival du Lied». Um Musen und Museen geht es dieses Mal. Das heisst, die Konzerte finden dieses Jahr auch in verschiedenen Museen statt, die ihre Tore den Musen und der Musik geöffnet haben. «Die Museen der Stadt Freiburg üben seit Kindertagen eine grosse Faszination auf mich aus. Sie spiegeln die Schönheit unserer Stadt wider, ihre vielfältigen Erscheinungsformen in künstlerischer, geographischer und historischer Hinsicht», schreibt sie im Vorwort zum Konzertprogramm. Und so, wie sie die Museen beschreibt, sieht sie ja auch die Lieder. Ort und Programm passen also bestens zueinander. Und dass sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga bereits als Zuhörerin angemeldet hat, freut Marie-Claude Chappuis natürlich ganz besonders. Ebenso grosse Freude hat sie an der neuen CD «Sous l’Empire d’Amour», die im Rahmen des Festivals aus der Taufe gehoben wird. Musik, Musen und Museen sind also höchst taugliche Zutaten für ein kleines, feines Festival unter engagierter Leitung.
«Festival du Lied»
Freiburg, bis 7. Juli 2017
CD: «Sous l’Empire d’Amour»
Deutsche Harmonia Mundi