Wenn man mit dem Zug in Luzern einfährt, fallen einem zur Linken gleich die Häuser-Reihen mit ihren wunderschön verschnörkelten Jugendstilbauten auf, tadellos restauriert und mit einem ganz eigenen Charme. Hier möchte ich wohnen, denkt man und schon muss man aus dem Zug aussteigen.
Hier möchte ich wohnen, hat sich auch Regula Mühlemann gesagt und seither wohnt sie dort. Das trifft sich gleich doppelt gut. Denn bei Regula Mühlemann läuft es beruflich zurzeit wie geschmiert und folglich ist sie ständig auf Achse und reist von einem Engagement zum anderen. Da ist man froh, wenn der Bahnhof gleich um die Ecke liegt ... genau wie die Quartierbeiz, in der wir uns an diesem sonnigen Herbstmorgen treffen. Sonnig. Das trifft auch auf Regula Mühlemann zu. Sonnig wirkt sie schon rein äusserlich, sonnig vom Wesen her und strahlend ist ihre Stimme. Dass sie dann Mozart singt, das scheint fast zwingend. Folglich wird sie diese Woche gleich viermal «Exsultate Jubilate» schmettern und zwar im Rahmen der Migros Kulturprozent Classics. Fast zeitgleich ist ihre erste Solo-CD soeben erschienen. «Mozart Arias» heisst sie ganz nüchtern, aber sie hat es in sich. Denn neben Luftig-Leichtem sind da auch anspruchsvolle Stücke drauf, denen man die Kniffligkeit gar nicht anmerkt. «Ja, die Konzertarie ‘Schon lacht der holde Frühling’ zum Beispiel», sagt Regula Mühlemann und lacht dazu wie der holde Frühling. «Das Stück ist wahnsinnig virtuos und ein rechter Brocken, aber es zeigt auch, was es bei Mozart alles gibt.»
Von Mozart zu Barock
Mit dieser CD ist für Regula Mühlemann ein Traum in Erfüllung gegangen. «Ich habe die Aufnahmen von anderen immer verglichen und dabei gedacht, es wäre so schön, wenn ich einmal meine eigene Version aufnehmen könnte.» Und so kam es dann auch. Die Stückauswahl hat sie selbst getroffen. «Ich war gerade als Papagena in Aix-en-Provence engagiert und hatte Zeit, mir eine Liste anzulegen. Das waren etwa 20 Seiten oder 30 Stunden Musik … Nicht nur Gassenhauer, aber alles Lieblingsstücke von mir. Wichtig war mir auch, dass fröhliche Stücke dabei sind. Das entspricht auch meinem Naturell.» Übrig geblieben ist am Schluss, was innerhalb der Spielzeit von 54 Minuten auf einer CD Platz hat. Unter anderem natürlich wieder «Exsultate Jubilate», wie auf der Tournee. So wie ihre Stimme beim Singen strahlt, tun es nun ihre Augen, wenn sie davon erzählt.
Allerdings birgt ihre Leidenschaft für Mozart auch die Gefahr, abgestempelt zu werden. «Da werde ich immer mal wieder darauf angesprochen, aber ich frage mich, warum die Leute das so sehen. Natürlich habe ich relativ viel Mozart gesungen. Bis vor drei Jahren habe ich aber noch studiert und jetzt liegt noch so viel Zeit für andere Komponisten vor mir.» Genau. Und damit ist sie jetzt bereits beschäftigt. Sie steckt voll in ihrer zweiten CD. Kein Mozart, sondern Barock. Und da ist sie auf Cleopatra gestossen. «Da wusste ich: das ist es. Das pure Gegenteil vom fröhlichen Mozart. Ich habe mich mit der Figur auseinandergesetzt, Sie ist nicht nur Königin, sondern auch ein Mensch mit allen Facetten. Es gibt so viele Opern und Kantaten zu dem Thema und die CD füllt sich so langsam», erzählt Regula Mühlemann voller Begeisterung. Überhaupt habe sie das Gefühl, immer mehr zum Barockfan zu werden. Auch bei den Instrumenten. «Vielleicht ist es das Geräuschhafte, dieses Schäppernde und Bohrende, das so fasziniert», überlegt Mühlemann.
Neues Publikum
Genauso sehr freut sie sich jetzt aber auch auf die Tournee mit dem Verbier Festival Chamber Orchestra unter der Leitung des Geigers Joshua Bell. Und zwar nicht nur aus musikalischen Gründen. «Ich habe zweimal ein Stipendium vom Migros Kulturprozent bekommen und das war für meine Karriere sehr entscheidend. Ich konnte die Nebenjobs, die gar nichts mit Musik zu tun hatten, an den Nagel hängen zu einer Zeit, als es wichtig war, mich voll aufs Studium zu konzentrieren. Dafür bin ich sehr dankbar.» Hinzu kommt, dass sie das Gefühl hat, mit dieser Konzert-Tour auch ein neues Publikum ansprechen zu können, das sonst den Weg weniger leicht in den Konzertsaal findet.
Und da wären wir schon beim Thema Publikum, das sich eher aus älteren Jahrgängen zusammensetzt, während auf der Bühne oft junge Musiker und Sänger auftreten. Regula Mühlemann sieht das weniger eng. «Also wenn ich zum Beispiel in Berlin oder in Wien auftrete, fallen mir viel mehr Junge im Publikum auf», sagt sie. «Dort ist es fast schon ein bisschen hip für Junge, ins Konzert oder in die Oper zu gehen.» So sieht es Regula Mühlemann auch ein bisschen als ihre Aufgabe, sich in den Medien nicht nur an Klassik-Interessierte zu wenden, sondern durchaus auch Jüngere auf der Boulevard-Ebene anzusprechen, damit sie vielleicht auch einmal neugierig werden auf Klassik. Wenn sie erst mal im Saal drinnen seien, würden sie von der Musik auch berührt. «Ich muss das jetzt machen, wo ich selbst noch jung bin. In zehn Jahren habe ich nicht mehr denselben Zugang zu den Jungen.»
Freiheitsliebe
Regula Mühlemann ist viel unterwegs zu den verschiedenen Engagements. «Ich bin schon immer ein freiheitsliebender Mensch gewesen und finde es wunderbar umherzureisen, Musik zu machen und immer wieder neue Menschen kennenzulernen. Dabei habe ich auch gelernt, mich schnell auf neue Leute einzulassen. Als Schweizer ist man das ja nicht so gewohnt … dann habe ich aber gecheckt, wenn man den Schritt nicht macht, ist man allein. Ich musste aber auch lernen, schon nach kurzer Zeit wieder loszulassen, weil einen das nächste Engagement an einen völlig anderen Ort und unter neue Kollegen bringt.»
Das Schönste für sie sind Momente im Konzert, die nicht planbar sind, die aber manchmal entstehen und für die Künstler auf der Bühne und das Publikum im Saal gleichermassen zur Sternstunde werden. «Plötzlich wird es dann zum Beispiel bei einer Barockarie, die man pianissimo ganz leise singt, mucksmäuschenstill … das sind magische Momente, in denen die Zeit still steht …»
Regula Mühlemann
CD «Mozart Arias» SONY
Migros-Classic-Konzerte
20.10. La Chaux-de-Fonds
21.10. Genf
22.10. Zürich
23.10. Bern