Das politisch bedingte Abwürgen eines tüchtigen Diplomaten als Staatssekretär im VBS ist lediglich ein, wenn auch unmittelbar sichtbares Beispiel, wie die Schweiz sich unter dem Diktat der SVP in ein nationalistisches Schneckenhaus zurückzieht.
«Probleme bei seiner persönlichen Sicherheitsüberprüfung» werden geltend gemacht, warum Jean-Daniel Ruch noch vor Arbeitsbeginn als Staatssekretär für Sicherheitspolitik im VBS gezwungen wurde, sein Amt nicht anzutreten.
In der Vergangenheit war Ruch auch Botschafter in Israel und habe «Kontakt mit der Hamas» gehabt. Bis zu ihrem verbrecherischen Terrorangriff auf Israel bestand ein offizieller Kanal mit der Hamas als De-facto-Staatsgewalt in Gaza, wo die Schweiz mit humanitärer Hilfe und Entwicklungsprojekten der palästinensischen Zivilgesellschaft beigestanden ist. Nichts ist normaler, als dass ein Diplomat, mit der Lage vor Ort bestens vertraut, bei solchen Kontakten in irgendeiner Art und Weise involviert worden ist.
Falls noch andere Probleme vorliegen sollten, wäre es die Aufgabe der Findungskommission für dieses Amt gewesen – Sicherheitsexperten waren darin prominent vertreten – solche Hinderungsgründe vor der Nomination zu berücksichtigen.
Nationalistischer Rechtsruck
Die ersten Medienberichte mit Aussagen prominenter SVP-Politiker sind indes klar: Ruch fiel dem nationalistischen, anti-internationalen Rechtsruck der eben erfolgten Wahlen mit der SVP als klarer Siegerin zum Opfer. Wie vollständig die internationale Aktualität – Gazakrieg, Ukrainekrieg, Jahrzehntkonfrontation China gegen die USA und die Stellung Europas dazu – und ihre Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der Schweiz im Wahlkampf fehlte, zeigte die Elephantenrunde am Abend des Wahlsonntags. Nur gerade zweimal wurde das Ausland en passant erwähnt. Kein Wort, warum und wie die Schweiz in ihrer Europapolitik endlich vorwärts machen muss. Ganz zu schweigen vom helvetischen Schneckentanz um unsere Unterstützung für den Kampf der Ukraine gegen Putins Russland und für die europäische Demokratie schlechthin.
Der Gazakrieg nahm immerhin schon zwei Wochen vor dem Wahlsonntag seinen Anfang. Man hätte sich vorstellen können, dass die wichtigsten Vertreterinnen und Vertreter der grossen schweizerischen Parteien in ihrem Ausblick auf die nächsten vier Jahre auch internationale Aspekte angesprochen hätten. So etwa die Auswirkungen dieses Krieges auch auf die Schweiz, wenn ein Flächenbrand über die beiden Kriegsprotagonisten hinaus entsteht. Von der scharfen Polarisierung zwischen Israel und den Palästinensern – mit dem üblen Auswuchs möglichen islamistischen Terrors – ist die schweizerische Gesellschaft bereits jetzt betroffen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Israel, sollte seine nationale Existenz in Frage gestellt werden, als letzte Abwehr über Nuklearwaffen verfügt.
Aber auch ohne solche im Moment hypothetischen Schreckensszenarien steht bereits fest, dass sich der globale Wirtschaftshorizont, auf den die Schweiz als klassisches Exportland speziell sensibel reagieren sollte, in der Folge dieser Konflikte stark verdüstert. Die Rückgänge beim Auftragseingang vieler schweizerischer Unternehmen ist ein klares Indiz dafür.
Die SVP als nationale Themenführerin
«Die SVP schaffte es, den anderen Parteien und den Medien ihre eigene Themenagenda aufzuerlegen.» Dies das eben in der «Republik» zutreffend formulierte Fazit von Professor Damir Skenderovic von der Uni Freiburg, einem führenden Forscher zu europäischem Rechtspopulismus.
Der wirkliche Schock am Wahlsonntag war nicht so sehr das knappe Drittel der Wählenden in der Schweiz – rund sieben Prozent der Wohnbevölkerung – welche der SVP ihre Stimme gaben, sondern die für einen Aussenstehenden klare Feststellung, dass sowohl alle anderen Parteien links von der SVP als auch wichtige Medien in dem Wahlresultat eine Rückkehr zur Normalität sehen und damit der SVP jetzt noch verstärkt die Themenführerschaft in der Schweiz überlassen. Bezeichnend etwa der Ausspruch des Präsidenten der sprichwörtlichen schweizerischen Wirtschaftspartei, FDP Ständerat Thierry Burkhart, er wolle «mit Demut SVP-Präsident Chiesa die Hand reichen» zur Lösung helvetischer Zukunftsprobleme.
Die nationalistische, von der SVP entscheidend gestützte Ausrichtung ist nicht nur in der grossen Politik sichtbar, etwa mit dem unklugen Entscheid zum Abbruch der Verhandlungen über einen Rahmenvertrag mit der EU, sondern auch in der Tagespolitik. So etwa, als in der Anfangsphase des Ukrainekrieges innerhalb des Finanzdepartements durchaus über innovative Hilfe via schweizerische Währungsreserven an die Ukraine diskutiert wurde. Laut einer direkten Quelle wurde dies vom damaligen Departementsvorsteher Ueli Maurer im Keime erstickt, indem er «bei der blossen Erwähnung des Wortes international mit den Augen rollte».
Lädiertes Ansehen der Schweiz
Heulen, Zähneklappern und empörter Aufschrei in der Schweiz angesichts negativer Kommentare zu den eidgenössischen Wahlen in den wichtigsten Medien unserer nächsten internationalen Partnerländer sind nutzlos. Solche Kommentare von aufmerksamen Schweiz-Beobachtern prägen die offizielle Wahrnehmung in diesen Ländern und damit auch von deren Entscheidungsträgern. Auf diese ist die Schweiz in ihrer Europapolitik und in vielen anderen Bereichen angewiesen. Höchste Zeit zur Korrektur.
Die schweizerische Aussenpolitik wird aber erst dann auf einen vernünftigen Pfad zurückfinden, wenn sich alle anderen Parteien aufraffen, den fremdenfeindlichen und nationalistischen Parolen sowie der entsprechenden Politik meinungsführender SVP-Politiker entschieden entgegenzutreten, über alle Parteigrenzen hinweg.