Stolz und in neuem Glanz steht das tonnenschwere Mésoscaphe auf dem Areal des Verkehrshauses in Luzern. Zahlreiche Freiwillige und Spezialisten haben mit Können und Aufwand über Jahre das durchgerostete Wrack als eine der wichtigsten Ikone der Schweizer Industriegeschichte vor der Verschrottung gerettet. 450 Gäste aus dem In- und Ausland sind zu dieser Wiedergeburt gekommen. Mit bewegter Stimme und sichtlich gerührt gedenkt Bertrand Piccard, der jüngste Spross der berühmten Pionier-Dynastie, seines Vaters Jacques und dessen bekanntestem Lebenswerks, geplant und verwirklicht für die Landesausstellung von 1964. Im Gedenken an Bertrands zwei Jahre vorher verstorbenen Grossvater trägt das Boot den Namen „Auguste Piccard“.
Damals suchten die Expo-Verantwortlichen eine einmalige Attraktion und entschieden sich für den Bau eines touristischen Unterseeboots, das die Tiefen des Genfersees einer breiten Bevölkerung zugänglich machen sollte. Vier Jahre zuvor hatte Jacques Piccard mit seinem Tiefen-Tauchrekord von 10'916 Meter im Marianengraben weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Grund genug, dem Westschweizer die Leitung dieses Projekts anzuvertrauen.
Und das „Mésoscaphe“ wurde zahlenmässig ein Erfolg: 33'000 Passagiere nutzten die Gelegenheit einer Tauchfahrt. Wenn auch viele vom Gefährt an sich beeindruckt waren, wunderten sich die meisten, wie wenig vom Leben im trüben See zu sehen war.
Affären, Streitigkeiten und bleibende Verletzungen
Ob der glanzvollen Bilanz von damals und der aufwändigen Restaurierung jetzt geht allerdings leicht vergessen, mit welchen Schwierig- bis Gehässigkeiten die Realisierung des Projekts Mésoscaphe ablief. Bereits bei der Finanzierungsfrage gibts Probleme und der Baustart verzögerten sich von Monat zu Monat. Bis das Geld beisammen ist, wirds Ende 1962, die Zeit drängt. In nur sechs Monaten entsteht bei der Firma Giovanola in Monthey der über 28 Meter lange Rumpf, der dem Passagierbereich eines Flugzeugs ähnlich ist.
Anfangs 1964 mehren sich die Probleme: Die Versicherung zweifelt an der Sicherheit des U-Boots und verlangt Belege über Jacques Piccards Ausbildung. Da der Autodidakt und Wirtschaftswissenschafter über kein Diplom als Ingenieur verfügt, ersetzt man ihn als „Erbauer“ mit einem Rat von „Sachverständigen“ - eine Schmach, die Piccard ein Leben lang kränken wird. Er ärgert sich masslos über diese Leute, „die noch nie ein U-Boot gesehen haben“. Aus Solidarität tritt die Arbeiterschaft bei Giovanola in den Streik. Piccard fleht sie nach drei Wochen Unterbruch an, das Boot der Landesausstellung zuliebe fertig zu bauen.
Stolzer Beginn und mühsames Ende
Nach der würdigen Wasserung benützt die Expo-Leitung die Gelegenheit einer Probefahrt. Hier kommt es zum nächsten Eklat: ausser grünlich-trübem Wasser ist nicht viel zu sehen, kaum ein Fisch wird vor den Bullaugen sichtbar. Zur Rede gestellt, erklärt Piccard ehrlich seine Absicht: Er wolle den BesucherInnen zeigen, wie schmutzig unsere Seen sind.
Hier zeigt sich, dass Piccard als Umweltschützer seiner Zeit dreissig Jahre voraus war. Die Expo-Leitung hatte eher an eine Lunapark-Attraktion gedacht. Der Streit eskaliert.
Für die Eröffnungsfahrt mit Journalisten wird Piccard, der jede Niete und jede Funktion des U-Boots kennt, nicht ausgesperrt. Zu gross ist die Angst, er könnte die Medienvertreter über die internen Streitigkeiten informieren. Mit einem Fernrohr und einem Minisender verfolgt er von der heimischen Terrasse aus die Fahrt „seines“ Mésoscaphes auf dem See. Doch die „Auguste Piccard“ will und will nicht tauchen. In der Meinung der Piloten, das U-Boot sei wohl zu leicht, nimmt man zur Gewichtserweiterung weitere „300 Kilo Journalisten“ an Bord. Ohne Erfolg. Während der Mittagspause holt man doch noch Piccard von zuhause und er findet rasch heraus, dass die Crew irrtümlicherweise vorzeitig den ganzen Ballast abgelassen hatte.
Schöne Beine statt bunte Fische
Eher amüsant kommen uns die Querelen um die Bekleidung vor: Die Mésoscaphe-Betreiber hatten – farblich sorgfältig aufs Interieur abgestimmt – für die Hostessen an Bord eigene Uniformen kreiert. Die Expo-Leitung besteht aber darauf, dass alle die offizielle Uniform tragen müssen. Bloss sind dort die Rocklängen um einiges kürzer. Beim Gehen auf dem erhöhten Mittelsteg im Boot und beim geflissentlichen Bücken zu den Passagieren vor den tiefer liegenden Bullaugen sieht man die Beine der hübschen Damen bis auf unanständige Höhe. Was die einen und anderen Männergruppen zur frivolen Bemerkung führt, „wenn Mann schon im See nichts sieht, lohnt sich die 40-fränkige Fahr wenigstens für die schönen Beine der Hostessen…“.
Post festum musste sich noch ein Schiedsgericht um all die Vorfälle kümmern und Jacques Piccard erhält in allen Punkten recht. Die inneren Verletzungen hinterlassen bei ihm aber zeitlebens Spuren. Kurz später reist er für zwei Jahre in die USA, wo er mit einem U-Boot den Golfstrom erforschen hilft.
Mésoscaphe auf Schatzsuche
Nach dem Einsatz an der Landesausstellung wird das U-Boot nach Kanada verkauft, um dort 1976 Küstenvermessungsarbeiten für eine amerikanische Offshore-Erdölfirma durchzuführen. Später taucht es vor San Diego für ein geologisches Institut und die Navy. Durch den Panamakanal gelangt die PX-8, wie der technische Name lautet, nach Mobile, Alabama. Von dort aus begibt sich das U-Boot auf Schatzsuche in den Karibischen Gewässern. Höhepunkt ist 1981 der Fund der Spanische Galeone San José, die 1708 von der britischen Flotte vor der Küste Kolumbiens versenkt wurde. An Bord soll sich tonnenweise Gold, Silber und Edelsteine befinden, weshalb die kolumbianische Regierung das Bergungsrecht verweigert. Später beschädigt ein Wirbelsturm in Texas das an Land eingelagerte U-Boot so schwer, dass es nicht mehr betriebsfähig ist.
1999 repatriiert, lagert das U-Boot in Le Bouveret am Genfersee. An der Landesausstellung 2002 in Murten wird es nochmals der Öffentlichkeit präsentiert. Tage vor der Verschrottung rettet ein Verein das rostige Wrack und schenkt es dem Verkehrshaus, um es der Nachwelt zu erhalten.
Rettung nur dank vielen Freiwilligen
Ein Kulturgut mit bewegter Geschichte hat jetzt seinen wohlverdienten Ruhestand im Verkehrshaus gefunden. Dies dank unermüdlichem Einsatz von hunderten von zum grössten Teil freiwilligen Helfern zahlreicher Firmen und Organisationen wie der RUAG, Schindler, UBS, Credit suisse, Berufsschule Lenzbure – ja, gar Asylsuchende aus dem Muotathal haben bei der Restaurierung zugepackt. Die äussere Wiederherstellung des Mésoscaphes als ein wichtiges Kulturgut unserer Verkehrsgeschichte hat 4,2 Millionen Franken gekostet.
Quellen: Verkehrshaus Schweiz, „PICCARD, Pioniere ohne Grenzen“ (Weltbild-Verlag)