Und dann hat’s doch geklappt…. Trotz zwischenzeitlicher Zweifel, trotz Bibbern und Bangen, aber dank eines letzten Stossgebets. Hallelujah! Papst Franziskus höchstpersönlich reicht Bruder Gerold die Hand und nimmt das Buch entgegen. Bruder Gerold strahlt. Und auch der Papst strahlt beim Blick auf «Madonnas Fashion», das Buch, das Bruder Gerold über die Schwarze Madonna von Einsiedeln verfasst hat. Mehr noch: sie sprechen miteinander und Bruder Gerold erklärt dem Papst, dass es da um die vielen Kleider der Schwarzen Madonna geht. Dass die Einsiedler Madonna einen ganzen Schrank voll besitzt… zu viel mehr reicht die Zeit nicht. Die Entourage des Papstes drängt, denn andere Audienz-Besucher warten darauf, ebenfalls vom Papst begrüsst zu werden. Sie gehören zu den Privilegierten, die wie Bruder Gerold und sein Mit-Bruder Alexander in der «prima fila», also in der ersten Reihe, Platz nehmen und den Papst persönlich treffen dürfen.
«Haben wir uns überhaupt die Hand gegeben…» fragt Bruder Gerold hinterher. Er war so aufgeregt, dass er es gar nicht richtig mitgekriegt hat. Aber wir können ihn beruhigen. Ja, Bruder Gerold und der Papst haben sich die Hand gegeben. Und wie war es sonst für ihn? Wie hat Bruder Gerold die Begegnung erlebt? «Im Augenblick kann ich gar nicht sagen, wie es war. Es war ein Moment, wie aus der Zeit gefallen… Ich habe aber gemerkt, dass der Papst lang in das Buch geschaut hat. Er war jedenfalls präsenter als ich…» Kein Wunder, bei der Aufregung. Bruder Alexander klopft ihm auf die Schulter, so langsam kommt auch Bruder Gerold wieder auf den Boden der Realität. «Ich freue mich sehr», sagt er «denn ich erlebe es schliesslich zum ersten Mal, dass ein Papst mein Buch in der Hand hält». Er hat Franziskus auch eine Widmung hineingeschrieben. Darin lädt er den Heiligen Vater zu einer «spirituellen Modeschau» nach Einsiedeln ein und dankt ihm für seine Arbeit zum Wohle der Menschheit. Geschrieben hat Gerold es auf Spanisch, der Muttersprache des Papstes. Er habe sich Mühe gegeben, sagt er lächelnd, und extra jemanden gesucht, der ihm die Widmung übersetzt hat, denn Gerold selbst kann nicht Spanisch.
Projekt «Reise zum Papst»
Wie aber kam es überhaupt dazu, dass Bruder Gerold sein Buch dem Papst übergeben konnte? «Das geht auf einen Besuch von Erzbischof Georg Gänswein im Kloster Einsiedeln zurück», holt Gerold aus. Georg Gänswein, ist der Sekretär des Papstes und hat Gefallen an Einsiedeln und der Gnadenkapelle mit der Schwarzen Madonna gefunden. «Da habe ich ihm ein Mail geschrieben und ganz frech gefragt, ob ich dem Papst das Buch übergeben dürfte», erzählt er verschmitzt. «Selbstverständlich können Sie dem Papst ein Exemplar übergeben», erhielt Gerold zur Antwort. Abt Urban vom Kloster Einsiedeln war auch einverstanden, so konnte Bruder Gerold die Planung des Projekts «Reise zum Papst» an die Hand nehmen. Nach einigem Hin und Her bekam er den Bescheid vom Sekretär des Papstes, dass er an der Audienz teilnehmen könne und «Gelegenheit zu einer persönlichen Begegnung mit dem Heiligen Vater» habe.
So ist Bruder Gerold zu seiner zweiten Vatikan-Reise gekommen. Das erste Mal war es noch unter Papst Johannes Paul II. Mit von der Partie: Bruder Alexander aus dem Kloster Einsiedeln, ein Habitué in Rom und im Vatikan, ausserdem Rolf Zurfluh, der Restaurator der Klosterkirche in Einsiedeln und schliesslich die Schreibende.
Bruder Gerold in der «prima fila»
Allgemeiner Treffpunkt des Grüppchens: 19 Uhr am Vortag der Audienz am Obelisken auf dem Petersplatz im Vatikan. Dort angekommen zeigt sich der Petersplatz versperrt durch Gitter, Sicherheitskontrollen, Detektor-Bögen und Stuhlreihen. Wir finden uns trotzdem. Schwieriger wird’s anderntags. Mittlerweile haben sich mehrere Zehntausende auf dem Petersplatz versammelt. Alle müssen durch die Sicherheitskontrolle, der Stau vor der Absperrung ist gigantisch, der Nahkampf zwischen den Wartenden wird immer härter, das Gedränge unerträglich. Gerold und Alexander erleben das nur als Zuschauer von der anderen Seite her, sie sind schliesslich im Vatikan untergebracht. Auch Philipp Zahn, der für das Schweizer Fernsehen berichten soll, hat seine liebe Mühe beim Durchkommen. Plötzlich will jemand eine Ratte gespürt haben und das Gedränge droht in Panik umzukippen. Auf wundersame Weise finden wir vier schliesslich doch zusammen und werden in die «prima fila», die erste Reihe geleitet und auch die Zehntausenden stehen erwartungsvoll auf dem riesigen Platz.
Petrus, nicht nur Namensgeber von Dom und Platz, sondern auch Chef im Wetterhimmel, hat ein Einsehen und schickt ein paar Wolken vor die allzu sengende Sonne. Bruder Gerold nimmt einen Schluck Rivella aus der Flasche, die er aus Einsiedeln mitgebracht hat, und schickt noch ein Stossgebet gen Himmel, auf das alles klappe. Der Papst kurvt unterdessen bereits mit dem Papamobil durch die Menge. Jugendliche skandieren «Papa Francesco! Papa Francesco!», andere singen inzwischen fromme Lieder.
Barmherzigkeit
Passend zum Heiligen Jahr spricht der Papst anschliessend über die Barmherzigkeit. «Ich habe mal ein schönes Sprichwort gehört: Es gibt keinen Heiligen ohne Vergangenheit – und keinen Sünder ohne Zukunft. Wir alle haben es nötig, uns von der Barmherzigkeit Gottes zu nähren, denn aus dieser Quelle kommt unser Heil“, so der Papst. Dann erteilt er den Segen, verabschiedet sich und läuft auf den Petersplatz hinunter, um eine Gruppe Behinderter speziell zu begrüssen. Und wieder tönt es: „Papa Francesco! Papa Francesco!“ Bruder Gerold macht sich Sorgen. War’s das schon? Wird er womöglich sein Buch gar nicht los?
Da steigt der Papst behänd die Stufen wieder herauf, was Bruder Gerolds Hoffnungen enorm beflügelt. Und schon steht Franziskus vor Bruder Gerold, lächelt ihn an und reicht ihm die Hand… womit wir wieder am Anfang wären. Aber noch nicht am Ende.
Tour durch den Vatikan
Nächste Station: Schweizergarde. Hier erzählt Bruder Gerold launig und informativ, wie das in Einsiedeln so ist mit der Muttergottes und ihren 34 Kleidern. Er ist ja sozusagen der Chef-Garderobier der Schwarzen Madonna, ein Ehrenjob, wie er schmunzelnd betont, um den sich im Kloster allerdings niemand reisse… So kümmert er sich halt seit zwanzig Jahren ums Modische der Madonna.
Anderntags Besuch des „Campo Santo Teutonico», und was so grob teutonisch klingt, ist ein Friedhof für Deutschsprachige, eine kleine Oase mitten im Vatikan: Efeu, Farn und Blumen, Palmen und Orangenbäume, freilebende grüne Papageien und alte Grabsteine, dazu die Düfte des Frühlings. Hinter der Mauer die imposante Fassade des Petersdoms. Weiter geht’s durch etliche Sicherheitskontrollen in die Apostolische Bibliothek mit ihren kunstvoll ausgestatteten Prunkräumen. Dann weiter in den Palazzo eines Missionswerkes und natürlich in den Petersdom, ins Zentrum der katholischen Kirche. Dank des Heiligen Jahres schreitet man diesmal durch die Heilige Pforte.
Der Schweizergardist salutiert, als Bruder Gerold und Bruder Alexander wieder vorbeikommen auf dem Weg in ihre vatikanische Unterkunft. Bruder Gerold packt noch seine Kirschstängeli aus für den Gardisten. Ein warmes, goldenes Licht liegt über Rom. Schwalben ziehen mit Gekreische ihre Runden, die Pinien heben sich mit ihrem Dunkelgrün vom immer intensiver werdenden Blau des Himmels ab. Die Glocken des Petersdomes läuten, die Tore werden geschlossen.
Zum Glück haben Gerold und Alexander zuvor im Dom noch den grossen Zeh’ der bronzenen Petrus-Skulptur berührt. Sie ist schon ganz abgegriffen durch Abermillionen von Händen. Kein Wunder: denn damit sichert man sich, der Legende nach, eine Rückkehr nach Rom. Diese Chance wollen sich Gerold und Alexander natürlich nicht entgehen lassen, bevor sie am nächsten Tag erschöpft, aber glücklich wieder zurück ins winterliche Einsiedeln fahren. Und zur Schwarzen Madonna.