Sowohl die UBS wie auch die Credit Suisse haben, seit sie Investment-Banking betreiben, mit diesem Geschäftsmodell Multimilliardenverluste eingefahren. Im letzten Quartal des Jahres 2011 war das nicht anders. Mehr als eine Milliarde minus in dieser Sparte bei der CS, eine Viertelmilliarde bei der UBS, die schon im dritten Quartal satte 650 Millionen Miese schrieb. In der sogenannten Realwirtschaft hätte das schon längst zur naheliegenden Konsequenz geführt: Stecker raus, aus die Maus. Denn hier gilt: Gewinn ist gut, Verlust ist schlecht. Wieso ist das bei Banken anders?
Zock, zock, zock
Dass 1933 mit dem Glass-Steagall-Gesetz das Trennbankensystem eingeführt wurde, machte Sinn. Damit wurde klar unterschieden zwischen streng überwachten Geschäftsbanken mit Kleinkundenverkehr und Investment-Banken, bei denen jeder Investor wusste: Hier geht die Post ab, möglicher Totalschaden inklusive. 1999 wurde diese Trennung in den USA aufgehoben, und die UBS verleibte sich die Zockerbuden Warburg und Paine Webber ein, die CS krallte sich schon früh die First Boston. Das Geschäftsmodell bestand nun darin, dass sich diese Spekulantenclubs innerhalb der Bank billig Geld leihen konnten, mit dem dann im Zocker-Casino die grossen Räder gedreht wurden. Hielt das Glücksrad zufällig an der richtigen Stelle, knallten die Champagnerkorken. Wurden Milliarden in den Sand gesetzt, erklärte sich die Bank flugs als «too big to fail».
Nun gibt es im Investment-Banking eine Besonderheit, die dieses Geschäftsmodell von allen anderen unterscheidet. Investment-Banker kassieren Kohle unabhängig vom Ertrag ihrer Tätigkeit. Machen sie Gewinn, sind es Multimillionen. Machen sie Verlust, sind es ein paar Millionen weniger. Das führt zu der perversen Situation, dass alleine die UBS für Multimilliardenverluste im Investment-Banking Multimilliarden an Gehältern und Boni für die Banker ausgeschüttet hat, die dieses Desaster verursachten. Denn Gehalt und Bonus sind in erster Linie volumenabhängig, nicht ertragsorientiert. Also je grösser die Räder sind, die der Investment-Banker dreht, desto kräftiger füllt sich sein Konto. Ob diese Räder am Schluss entgleisen, ist dabei weitgehend egal.
Warum es weitergeht
Nun muss man kein Wirtschaftsstudium an der Hochschule St. Gallen absolviert haben, um sich die Frage zu stellen: Wieso wird ein Geschäft nicht aufgegeben, das nur Verluste produziert, während es die Privatkonten der Betreiber füllt? Die Frage stellen, heisst sie beantworten. Die Bosse von UBS und CS, Sergio Ermotti und Brady Dougan, sind selbst Investment-Banker: So einfach ist das. Der letzte gefallene Superstar des Schweizer Banking, Oswald Grübel, ist auch einer. Und Marcel Ospel, der die UBS fast gegen die Wand fuhr, ist keiner und hatte deswegen keine Ahnung von diesem Geschäft. Ein zweiter, wichtiger Faktor kommt hinzu: Angelsächsisches Banking ist mit dem traditionellen Schweizer Bankgeschäft nicht kompatibel. Das hat, neben Milliardenverlusten, noch gravierendere Auswirkungen.
Blenden wir 25 Jahre zurück. SBG, SBV und SKA verfügten über das beste Rating, betrieben solide Schweizer Bankgeschäfte und liessen gelegentliche Kritik, dass dazu auch das Verwalten von Schwarzgeldbunkern, Blutgeldern und Diktatorenkonten gehörte, an sich abprallen. Peanuts, was war das schon im Vergleich zu hundertjähriger Tradition, solide, währschaft, stabil wie das Matterhorn. Mitglieder der Bankleitung fuhren tatsächlich noch mit dem Tram zur Arbeit und erledigten in holzgetäferten Zimmern ihre sauberen und manchmal auch nicht so sauberen Geschäfte. In der Gewissheit, dass das Vertrauen jedes reichen Menschen auf der Welt, dass sein Geld nirgendwo so sicher aufgehoben ist wie in einer Schweizer Bank, ein Kapital darstellt, mit dem man ungeniert wuchern kann.
Ist der Ruf erst ruiniert ...
Kehren wir in die Gegenwart zurück. Das beste Rating ist weg, der Ruf ist lädiert bis ruiniert, Gordon Gekkos haben die Macht bei den verbliebenen Schweizer Grossbanken übernommen. Als wären das nicht schon genug der schlechten Nachrichten, zeigen die beiden Banken auch, dass sie weder strategisch noch in der Praxis ihr Geschäft im Griff haben. Wo soll die Reise hingehen, was ist die Perspektive für die nächsten fünf Jahre? Da hört man von Quartalsbericht zu Quartalsbericht die gleichen Worthülsen, «im kompetitiven Marktumfeld neu orientiert und gut aufgestellt», welch reiner Blödsinn. Bei der UBS lupft es den x-ten CEO in wenigen Jahren, weil mal wieder ein Händler ein paar Milliarden in den Sand gesetzt hat. Bei der CS beisst der CEO jeden Kritiker weg, der es wagt, seinen Investment-Banker-Kurs zu kritisieren. Und im Steuerstreit mit den USA ist weder eine Strategie noch ein Schulterschluss zu erkennen.
Geradezu exemplarisch zeigt die CS, wie man auch noch am Standbein Privatkundengeschäft sägen kann. Zuerst wird die uralte und traditionelle Tochter Bank Leu in eine Fusion mit anderen Töchtern gezwungen und mit Millionenaufwand als Clariden Leu neu positioniert. Kaum hat sich die Kundschaft einigermassen daran gewöhnt, wird sie von der nächsten Mitteilung überrascht, dass Clariden Leu aufgelöst und das Geschäft in die CS selbst integriert wird. Da liegt die Vermutung nahe, dass in spätestens fünf Jahren als Weisheit letzter Schluss verkündet wird, dass es sinnvoller sei, das Privatkundengeschäft auszugliedern und Leu oder Clariden Leu wieder auferstehen zu lassen. Investment-Banker können nicht nur profitables Investment-Banking nicht, sie können auch sonst nichts. Aber das ist ja eigentlich nichts Neues.