Abgesehen davon, dass Folter und Todesstrafe einer christlichen Kultur unwürdig sind, wird mit diesem Entscheid zwingendes Völkerrecht und die eigene Bundesverfassung verletzt. Das Folterverbot gilt absolut. Der Grund dafür liegt darin, dass Folter in jedem Fall eine Missachtung der unantastbaren Menschwürde bedeutet.
Verlust der Vorbildfunktion
Wenn das Parlament die Tür des Folterverbots nun einen Spalt weit öffnet, so ist dies dreifach problematisch: Erstens verlieren wir das Vertrauen in unseren Rechtsstaat (wann kommt die nächste Ausnahme?), zweitens verliert die Schweiz damit ihre Vorbildfunktion (Foltern tun auch Schurkenstaaten) und drittens übergeben wir damit auch Menschen der Folter, die wir im Einzelfall gar nicht gemeint haben, beispielsweise einen Jugendlichen, der sich zum Fanatismus verführen liess, oder ein Kind, welches zum Krieg gezwungen wurde.
Stolz sind wir auf unsere Schweiz. Unsere direkte Demokratie ermöglicht uns ein Leben in Frieden und Sicherheit. In der Schweiz werden Rechtsstaat und Minderheiten geschützt, Randregionen unterstützt, Bedürftige versorgt und Landessprachen gefördert.
Grundstein des humanitären Völkerrechts in Genf
Einer der wohl wichtigsten Faktoren für den Erfolg des Chancenlandes Schweiz ist die Tatsache, dass bei uns, konkret in Genf, das humanitäre Völkerrecht seinen Anfang nahm: Der Grundstein zum humanitären Völkerrecht wurde 1864 mit dem ersten Genfer Abkommen gelegt. Unter dem Einfluss der Schlacht von Solferino und deren schweren Verluste schlug der Schweizer Henry Dunant die Erstellung dieses humanitären Abkommens vor. Ein weiterer Vorschlag Dunant’s im Anschluss an Solferino waren die Schaffung des Roten Kreuzes (SRK), beziehungsweise des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK).
Die Rotkreuzbewegung mit dem roten Schweizerkreuz auf weissem Grund fördert seither weltweit die Einhaltung des humanitären Völkerrechts sowie seine Umsetzung in nationales Recht. Gleichzeitig setzt sich das Rote Kreuz weltweit für das Durchsetzen der internationalen Menschenrechte ein: Beide, also das Völkerrecht und die Menschenrechte, verbieten Folter oder unmenschliche Behandlung. Diese Grundsätze gelten für alle.
Wie wird der Bundesrat den Vorstoss umsetzen?
Auf diesen Grundsätzen aufbauend ist die schweizerische Bundesverfassung seit der Gründung des Bundesstaates Schweiz von 1848 das einigende Band der Schweiz. Wir, also Volk und Stände, haben darin festgehalten: „Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.“ Wir haben ebenfalls darin festgeschrieben, dass das zwingende Völkerrecht – und darunter fallen auch das Folterverbot sowie die Todesstrafe – nicht verletzt werden darf.
Auch wenn noch völlig unklar ist, wie der Bundesrat den Vorstoss umsetzen soll, ist das Parlament verpflichtet, unsere eigenen Gesetze einzuhalten, ansonsten seine Glaubwürdigkeit und diejenige der Schweiz in Gefahr geraten. Immerhin haben die Mitglieder des Parlaments bei ihrem Amtsantritt ein Gelübde, bzw. einen Eid abgelegt: „Ich schwöre vor Gott dem Allmächtigen, die Verfassung und die Gesetze zu beachten und die Pflichten meines Amtes gewissenhaft zu erfüllen.“
Der Appell des IKRK
Bereits im Januar 2018 hat Peter Maurer, Präsident des IKRK in der Neuen Zürcher Zeitung einen Appell an den Schweizer Gesetzgeber gerichtet: Mit dem Problem zurückkehrender Kämpfer von weit entfernten Kriegsschauplätzen seien weltweit nahezu 100 Länder konfrontiert. Die Regierungen hätten berechtigte Sicherheitsbedenken und müssten entscheiden, wie sie vorgehen wollten.
Im Namen des IKRK appellierte Maurer an alle, die Personen einschliesslich ausländischer Kombattanten und ihrer Familien festhalten, welche im Zusammenhang mit diesen Kämpfen gefangen genommen wurden, diese Personen human und in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften zu behandeln. Niemand dürfe gefoltert oder standrechtlich hingerichtet werden. Jeder Mensch habe Anspruch auf einen fairen Prozess. Ausnahmen seien nicht vorgesehen.
Grundregeln der Menschlichkeit
Sämtliche Staaten weltweit müssen auf schwierige neue Herausforderungen humane und gesetzeskonforme Antworten finden. Die Grundregeln der Menschlichkeit und das humanitäre Völkerrecht, dem wir uns selber verpflichtet haben, geben uns dazu Orientierungshilfen und setzen uns Schranken, die nie überschritten werden dürfen.
Oder wie IKRK-Präsident Peter Maurer sagte: „Die Menschheit ist keineswegs zum ersten Mal mit schweren Verbrechen dieser Art konfrontiert, und am besten hat sie reagiert, wenn sie nüchtern Gesetze anwandte.“
Die Menschenwürde muss unantastbar bleiben, für alle.