Kennengelernt haben wir uns im Januar 1980. Vor 42 Jahren. Eine lange Zeit. Ein halbes Leben. Einige Jahre davon haben wir bei der Tagesschau zusammen gearbeitet. Die restlichen Jahre blieben wir in freundschaftlicher Dreiecks-Verbindung dank meiner langjährigen Freundin Sylvia, die sich ihrerseits mit Peter Achten anfreundete und schliesslich seine Frau wurde.
Damals, 1980, wurde die Tagesschau gerade wieder einmal umgemodelt. Weg vom Nachrichtensprecher, hin zum Moderator. Und Peter Achten war das Aushängeschild. Gewissermassen das Gesicht der Tagesschau. Schwarze Haare und damals noch mit ebenso schwarzem Dreitagebart … das hatte etwas Unbändiges, etwas Abenteuerliches und Fremdländisches. «Pedro» nannten wir ihn deshalb auf der Redaktion. Dabei sprach Pedro gemütliches Baseldytsch und am Bildschirm natürlich makelloses Hochdeutsch. 1980, das war die Zeit der Jugendunruhen, der Opernhauskrawalle, am Platzspitz herrschte die offene Drogenszene, der erste Golfkrieg begann, Aids breitete sich aus, in Polen wurde Solidarnosc gegründet und so weiter … Nachrichtenstoff in Hülle und Fülle. Aber man wusste: Wenn Peter Achten auf der Redaktion war, funktionierte der Betrieb. Egal, ob er die Sendung – im Hintergrund – produzierte oder ob er selbst vor der Kamera sass und uns die Welt erklärte.
Peter Achtens Gebiet war die Welt. Auslandpolitik, gerade auch Südamerika, das lag ihm am Herzen, das interessierte ihn und da kannte er sich aus.
Nach einigen Jahren im Schweizer Fernsehen wurde ihm die Welt rings um den Leutschenbach zu eng. Es war der Zeitpunkt, als er seine Tätigkeit erweitern und seinem Beruf noch einmal einen frischen Schub geben wollte. Südamerika nicht nur vom Fernsehstudio am Leutschenbach bearbeiten, sondern vor Ort. Korrespondent dort werden … so etwas stellte er sich vor.
Der prägende Lehrer
Aber da die Dinge nicht immer so laufen, wie man es gern hätte, gab es keine Korrespondentenstellen für Südamerika. Stattdessen öffnete sich eine ganz andere Tür: China! Der Tagesanzeiger suchte einen Korrespondenten für China, das zu dieser Zeit anfing, sich ganz vorsichtig zu öffnen. Peter Achten zögerte nicht allzu lang und liess sich mit seiner Frau und deren Tochter in Peking nieder.
Fremder hätte seine Welt zu diesem Zeitpunkt nicht sein können. China, das war Abenteuer pur. Man wohnte in einem dieser anonymen Hochhäuser und Peter Achten begann sofort Chinesisch zu lernen. Frühmorgens um sieben kam Liu Laoshi ein hochgebildeter alter Chinese, sagte «ni hao» und der Unterricht begann. Peter Achten schwärmte von ihm, von seinem breiten philosophischen Wissen, er liebte die langen Diskussionen mit ihm. Fast nebenbei lernte er ausgezeichnet Chinesisch. Und er passte sich dem Lebensstil an und freundete sich mit Peking und seiner Bevölkerung an. Eine wesentliche Rolle spielten mit der Zeit auch mehrere chinesische Künstler, die zu engen Freunden der Familie wurden und auch Peter Achten mit ihren Werken der neueren chinesischen Kunst nochmals eine fremde Welt eröffneten. Wesentlichen Anteil daran hatte Peter Achtens Frau Sylvia, die immer wieder neue Künstler entdeckte.
Zeitzeuge
Peter Achten selbst arbeitete schon damals im Home Office. Eine kleine Stube mit technischer Einrichtung für Radio-Übertragungen in die Schweiz, ein Mini-Studio, das aber zu jener Zeit fast alles ermöglichte, ein Computer, ein Telefon. Das genügte.
1989 dann der grosse Schock: die Arbeiter- und Studentenunruhen auf dem Tiananmen-Platz. Von himmlischem Frieden konnte keine Rede mehr sein. Peter Achten berichtete pausenlos über die Panzer und Schiessereien und begab sich damit auch selbst in Gefahr. Er wurde zum Zeitzeugen eines Ereignisses, das China in seiner Öffnung wieder zurückwarf. Mit einigen Studenten von damals hat er jahrelang noch weiter Kontakt gepflegt.
Beruflich orientierte Peter Achten sich nach ein paar Jahren wieder gen Westen. Die USA wurden sein neues Umfeld, Washington erwartete die Achtens. Wieder ein radikaler Wechsel. Aber einmal rund um die Welt, das genügte Peter Achten nicht. Nach einiger Zeit zog es ihn trotzdem wieder zurück in den Fernen Osten. Hongkong wurde vorübergehend sein Standort. Anschliessend ging es nach Vietnam und Achtens lebten einige Jahre in Hanoi, um schliesslich wieder nach Peking zurückzukehren, das inzwischen eine hochmoderne Stadt geworden war und kaum mehr vergleichbar mit Peking Mitte der Achtzigerjahre, als Peter Achten noch bei Liu Laoshi seine ersten Chinesisch-Stunden nahm.
Das kleine Paradies
Von Peter Achtens grossem Wissen über China und Ostasien konnten auch regelmässig Schweizer Reisegruppen profitieren, denen er an Ort und Stelle Einblicke in die Geschichte und Politik der Länder geben konnte wie kaum ein anderer.
Nach Jahrzehnten draussen in der grossen Welt zog es den Globetrotter mit dem Älterwerden doch wieder zurück in die Schweiz. Und da war es vor allem Estavayer-le-Lac, der kleine malerische Ort am Neuenburgersee, der ihm zur Heimat wurde. Dies dank eines alten historischen Hauses gleich bei der Kathedrale, wo sich Peter Achten mit seiner Frau Sylvia auch wieder ein kleines Stück China eingerichtet hat, mit alten chinesischen Möbeln und moderner chinesischer Kunst. Ein kleines Paradies, in dem er in seinen letzten Jahren einige Bücher über China geschrieben hat und von wo aus er die Entwicklung in China weiterhin verfolgt und in regelmässigen Artikeln im Journal21 kommentiert hat. Über viele Jahre hinweg hatte Peter Achten mit seinen Kommentaren und Reportagen auch unsere Sicht auf die Welt geprägt
Hier, in Estavayer-le-Lac, aber auch an einem Zweitwohnsitz in Zürich, ist der Rastlose zur Ruhe gekommen. Immer mit einem Buch unterwegs, mindestens aber mit der Zeitung unter dem Arm oder dem Tablet in der Hand, blieb er ständig mit dem Weltgeschehen verbunden. Die Haare waren inzwischen etwas dünner, der schwarze Dreitagebart war längst einem eleganten grauen Schnurrbart gewichen. Elegant und mit keckem Poschettli machte er weiterhin eine gute Figur. Die Neugierde war die gleiche wie in jungen Jahren, sein Witz ebenfalls, denn neben tiefschürfenden Diskussionen liess er sich noch so gern auf leichtes Geplänkel ein, nahm einen Schluck Westschweizer Weissen, lächelte spitzbübisch, liess sich tief ins Sofa fallen und genoss seine nunmehr kleine Welt. Der Kreis hatte sich geschlossen.