Martin Suter ist der erfolgreichste Schriftsteller der Schweiz. Jetzt ist sein neuestes Buch da. Mit einer Startauflage von 150‘000 Exemplaren liegt „Montecristo“ in den Buchhandlungen. Der ehemalige Werber weiss genau, was seine Leserschaft von ihm erwartet.
Mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit findet Martin Suter jene Themen, die gerade in der Luft liegen. Auch diesmal wieder. Banken. Geld. Krumme Finanzgeschichten. Kungeleien am Rande oder bereits klar jenseits der Legalität. Solche Stichworte kommen einem doch irgendwie bekannt vor. Für Martin Suter sind sie Bausteine seines neuen Romans „Montecristo“. Wobei: Roman ist untertrieben. Ein regelrechter Thriller ist daraus geworden, der uns von Zürich nach Thailand hetzt und wieder in den Schweizer Finanzsumpf zurückschleudert.
Wie macht er das nur? Gehört das irgendwie zum Sensorium eines Schriftstellers? Das Thema hat er ja schliesslich schon im Kopf gehabt, als die Finanzturbulenzen zumindest für ein breites Publikum noch nicht ganz so offensichtlich waren wie jetzt.
Plötzlich war es da
„Ich gehe immer von einer Geschichte aus, nie von einem Thema“, sagt Suter. „Und weil meine Geschichten in der Gegenwart spielen, stammen oft auch die Motive aus der Gegenwart. Ich glaube, das ist eine Erklärung.“ Vielleicht. Jedenfalls hat Suter nicht gesucht, sondern er hat gefunden. Denn auf die Frage, wie er gerade auf dieses Thema gestossen ist, antwortet er: „Ganz ehrlich: ich weiss es nicht. Es war plötzlich da.“
Nun gehört ja auch einiges an Fachwissen dazu, um sich im Finanz-Dschungel nicht zu verirren und die Geschichte um doppelt gedrucktes Geld so zu schreiben, dass sie hieb- und stichfest ist, dass sie glaubwürdig bleibt und sich trotzdem spannend liest.
In einem Dankesnachwort zählt Suter eine ganze Reihe prominenter Experten auf. Alle hatten oder haben mit Finanz-Turbulenzen zu tun, und haben Suter mit Rat zur Seite gestanden. Peter Siegenthaler, der Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung gehört unter anderen dazu, Urs Rohner, Verwaltungsrats-Präsident der Credit Suisse oder alt Bundesrat Moritz Leuenberger.
„Man darf sich diese Beratung nicht so vorstellen, dass ich meine Experten gebeten habe, von ‚Machenschaften‘ zu erzählen, aus denen ich dann eine Geschichte zimmerte. Ich hatte eine Geschichte im Kopf und bat darum, diese sachlich und fachlich abzusichern“, so Suter. Und seine Experten machten munter mit. „Sie hatten Spass an der Intrige, liessen aber keinen Zweifel daran, dass sie sie nur formal, nicht inhaltlich für realistisch halten.“
Realität übertrifft Fiktion
Trotzdem fragt man sich als Leser natürlich, wie „wahr“ Suters Geschichte vielleicht doch sein könnte. „Too big to fail“ geistert als Schlagwort überall herum, da wäre Suters Fiktion unter Umständen auch eine dieser Rettungsaktionen? Zumal die Realität bekanntlich die Fiktion immer wieder überholt.
Suter sieht das ähnlich. „Im Gegensatz zu meinen Beratern wäre ich nicht überrascht, wenn auch diesmal die Realität die Fiktion überträfe. Aber das ist mit nicht wichtig. Mir genügt es, wenn meine Geschichten in sich stimmen. Nicht in Bezug auf die wirkliche Welt.“
Nachdem Suter sein Buch beendet hatte, aber noch bevor es jetzt in die Buchhandlungen kommt, hat die Schweizerische Nationalbank die Freigabe des Schweizer Frankens beschlossen. Wie hat Suter diese Nachricht aufgenommen?
„Natürlich hat sie mich überrascht, wie die meisten. Obwohl ich - wie die meisten - hätte wissen müssen, dass es jederzeit passieren kann. Tja, wie stehe ich dazu? Ich lebe in der Schweiz, und die meisten meiner Bücher verkaufen sich im Euroland…“
„Montecristo“ jongliert aber nicht nur mit den Millionen und Milliarden, die auf Banken hin-und hergeschoben, gedruckt und vertrieben werden. „Montecristo“ ist auch eine Liebesgeschichte. Im Mittelpunkt steht Jonas Brand. Er ist Video-Journalist, meistens auf der Jagd nach Promi-Geschichten, aber mit einem Hang zu Höherem. Vor allem, als er zufällig auf zwei Hunderternoten mit identischer Seriennummer stösst. Da sieht er seine Chance, eine sensationelle Enthüllungsgeschichte daraus zu machen und beginnt zu recherchieren. Die Dinge nehmen ihren Lauf, an dem – natürlich - auch eine junge Frau ihren Anteil hat. Von nun an wird es turbulent.
Machtzentrum der Bankenwelt
Bis jetzt hat Suter seine Geschichten an Orten spielen lassen, bei denen man zwar Rückschlüsse ziehen könnte, um welche Orte es sich handelte, aber ganz sicher war man nie. Jetzt ist der Fall klar. „‘Montecristo‘ musste einfach in Zürich spielen“, sagt Suter. Zürich ist schliesslich das Machtzentrum der Bankenwelt. Und warum zusätzlich noch in Thailand? „Thailand ist berüchtigt für seine Drogenpolitik und passt gut in die Geschichte“.
Da bleibt noch die Frage nach dem Titel. „Der Graf von Monte Christo“, der Abenteuerroman von Alexandre Dumas hat da offensichtlich Modell gestanden. „Jonas Brand, der Protagonist, wollte einen Blockbuster drehen und fand, dass sich ein Film nach dem Muster ‚Unschuldiger erfährt grosse Ungerechtigkeit und rächt sich‘ dafür eigenen würde“, erklärt Suter. „Es ist ein oft gebrauchtes dramaturgisches Motiv.“
Bis vor kurzem hat Martin Suter mit seiner Familie noch in Guatemala gelebt. Die Verhältnisse wurden allerding immer prekärer, das Leben immer gefährlicher. Jetzt hat Suter sich entschlossen, wieder zurück in die Schweiz zu kommen und wohnt in Zürich. Wie erlebt er diesen Unterschied nun? Wie erlebt er insbesondere Zürich, seit er nicht nur auf der Durchreise hier ist, sondern dauernd? „Es ist schon etwas ganz anderes, nicht ständig auf dem Sprung zu sein. Wir wohnen jetzt seit sechs Monaten hier und es passiert uns noch immer, dass wir uns überlegen, ob es sich lohnt, dieses Glas Oliven noch zu öffnen…“
Bürolist
Während der langen Zeit, an der Suter an einem Buch arbeitet, führt Suter ein recht unspektakuläres Leben. „Wenn ich an einem Roman bin, stehe ich morgens auf, schreibe bis mittags und am Nachmittag schreibe ich weiter. Wie ein Bürolist Der Unterschied zum Bürolist ist der, dass ich auch am Samstag und Sonntag arbeite…“ Jetzt hingegen sieht alles anders aus und Martin Suter hat jede Menge Interviews zu geben, tritt in Fernsehsendungen auf, geht auf Lese-Tour und steht total in der Öffentlichkeit. Was bedeutet das für ihn? Lust oder Last…? „Ein Buch zu schreiben ist eine recht einsame Tätigkeit. Da tut ab und zu ein bisschen Rummel ganz gut.“
Lesungen:
25. Februar, Zürich, Schauspielhaus
26. Februar, Bern, Hotel National
27. Februar, Luzern, Kriens Südpol