Macron hat ausserdem zentrale Themen, die Trump verabscheut, prominent in Erinnerung gerufen.
Die G-7 Gruppe (USA, Kanada, Japan, UK, BRD, Frankreich, Italien; plus der Rats- und der Kommissionspräsident der EU) ist als G-8 – damals noch mit Russland, das in der Folge seiner Besetzung der Krim und der Ostukraine ausgeladen wurde – geschaffen worden, um auf höchster Ebene der traditionellen westlichen Grossmächte Krisen zu entschärfen, die Weltwirtschaft voranzubringen und zentrale Themen in die Erinnerung von Regierungen und Öffentlichkeit zu rufen.
Trump der Zerstörer
Seit Trump daran teilnimmt, sind die G-7 Treffen definitiv ins Gegenteil ihrer ursprünglichen Funktion degeneriert. Sie schaffen neue Probleme, anstatt bestehende zu lösen. Trump twittert, spielt den Trotzkopf, reist früher ab und verhindert gemeinsame Erklärungen. Dieses Jahr schien sich der G-7-Gipfel speziell unheilvoll anzukünden: Trump gerät im dritten Regierungsjahr vollends ausser Kontrolle, der Kanadier Trudeau hat mit internen Problemen zu kämpfen, der Japaner Abe gebärdet sich immer mehr, so im Moment gegenüber Korea, als eingefleischter Nationalist und die teilnehmenden Europäer sind, bis auf eine Ausnahme, momentan führungsgeschwächt. Deutschland ist im Übergang zwischen zwei Kanzlerinnen, Grossbritannien im Ausnahmezustand, vertreten durch den Politclown Johnson, Italien auf dem Grat zwischen herkömmlicher Demokratie und autoritärem Führer-Staat, die EU-Spitze in voller Wachtablösung.
Ausnahme Macron
Glücklicherweise betraf die Ausnahme den Gastgeber. Macron, von vielen ausländischen Betrachtern innenpolitisch unter Druck porträtiert, dominiert die politische Szenerie unseres westlichen Nachbarlandes ziemlich unangefochten, wie auch die spärliche Kontestation um Biarritz herum zeigte. Er war der einzige Europäer, der bereits im Vorfeld begann, zwei dringende Weltprobleme aktiv ins Programm, damit in die Publizität, des G-7 Gipfels zu drücken, welche Trump zutiefst missfallen mussten: Nukleare Aufrüstung im Mittleren Osten, ausgehend von Iran, sowie Umwelt und Klima, damit das Pariser Abkommen.
Der Kurzbesuch des iranischen Aussenministers in Biarritz hat nachdrücklich in Erinnerung gerufen, dass die aktuellen Spannungen im Persischen Golf, ebenso wie ein vertragsloser Zustand mit Iran und damit dessen Entwicklung von Nuklearwaffen, schwergewichtig auf die amerikanische Kehrtwende unter Trump gegenüber dem Nuklearabkommen von 2015 zurückzuführen sind. Zwar wird der Kriegstreiber im Weissen Haus, Sicherheitsberater John Bolton, damit wohl nur temporär zurückgebunden, aber jeder Aufschub, um dem ja an sich isolationistisch veranlagten Trump die Bedeutung eines heissen Konfliktes im Golf vor Augen zu führen, ist willkommen.
Bolsonaro als Anheizer
Laut sich verdichtenden Meldungen wurden die Waldbrände, die zurzeit grössere Teile des Regenwalds im Amazonasgebiet vernichten, durch Präsident Bolsonaro politisch nahestehende Grossgrundbesitzer ausgelöst. Damit soll Weide- und Anbaugebiet für Agrarexporte gewonnen werden. Solche sind ein wichtiger Teil des eben abgeschlossenen Freihandelsvertrages zwischen den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay einerseits und der EU andererseits.
Bekanntlich hat im Nachvollzug auch die Schweiz, via gewohnte EFTA-Plattform, einen solchen Vertrag mit dem Mercosur ausgehandelt. Dessen Ratifizierungsprozess wird wohl jenem des EU-Vertrages folgen.
Allein schon aus innenpolitischen Gründen konnte Macron nicht anders als – im Tandem mit dem ebenso energischen Premierminister Irlands – den EU-Mercosur-Vertrag zu blockieren. Er fordert ein brasilianisches Zugeständnis, dass der schwindende Regenwald ein Weltproblem darstellt und nicht bloss als innenpolitischer Spielball in Brasilien eingestuft werden kann. Unter Wehklagen über vermeintlichen Neokolonialismus und andauernden Unflätigkeiten gegenüber Macron scheint der Rechtsaussen in Brasilia nun doch geneigt, ausländische Hilfe beim Löschen der Brände zu akzeptieren, allenfalls via lateinamerikanische Nachbarn. Zentrale Exportinteressen bringen ihn zur Raison.
Immerhin ist das Thema Amazonas durch dieses mutwillige brasilianische Spiel mit dem Feuer zu einem Schlüsselbegriff für die Notwendigkeit des Pariser Klimaabkommens geworden und steht damit hoffentlich noch vermehrt unter internationaler Beobachtung.
Ein Ende ohne Schrecken
Einen G-7-Gipfel ohne grössere Kalamität zu Ende zu bringen, ist in der Ära Trump bereits eine Leistung; dies scheint in Biarritz gelungen zu sein. Ob die eher vagen Absichten, so ein direktes Treffen zwischen dem iranischen und amerikanischen Präsidenten, Wirklichkeit werden, ist abzuwarten. Und selbst wenn eine solche Begegnung zustande kommen sollte, die inhaltsleeren Treffen Kim–Trump haben gezeigt, dass Gipfeldiplomatie ohne substantielle Vorbereitung und ohne eine Kompromissbereitschaft im besten Fall Schall und Rauch sind. Schlimmer noch: sie wecken Erwartungen, deren Nichterfüllung Lösungen umso schwieriger erscheinen lassen.
Eine für ihn typische Duftmarke hat der amerikanische Präsident in Biarritz immerhin gesetzt. Laut seiner Darstellung soll der turnusgemäss den USA zufallende G-7-Gipfel 2020 auf einem Trump-Golf-Gelände in Florida stattfinden. Er hofft wohl, so der „Trump-Firma“ über sein eventuelles Ausscheiden als Präsident hinaus eine staatsmännische Aura zu geben. Man darf ihm diesen Erfolg schon ab 2021 wünschen.