Der dieser Tage vereinbarte Ersatz des 25 Jahre alten nordamerikanischen Freihandelsvertrages Nafta durch das Wortungetüm US(A)M(Mexico)CA(Canada)-Abkommen bedeutet kein Umdenken des amerikanischen Präsidenten, der die internationalen Beziehungen als kurzfristiges Nullsummenspiel, als Spielwiese für Grossmächte und als Vehikel seiner Wahlpolitik begreift.
Von Nafta zum USMCA-Abkommen
Verglichen mit Trumps Drohung, den Nafta ersatzlos zu streichen, ist das neue Abkommen ein Erfolg. Zumindest für Trump, der den Grössen- und Reichtumsunterschied mit den zwei nordamerikanischen Nachbarn brutal ausgenützt hat, um via Lohnvorschriften für Mexikos Autoindustrie und Import-Obergrenzen für kanadische Fahrzeugteile mehr Produktion nach Detroit zurückzuholen. Was er seiner Stammwählerschaft versprochen hat. Dadurch werden sich aber die Preise für das Endprodukt verteuern, und damit bleibt weniger Geld in den Taschen aller Autokäufer Amerikas, wo bekanntlich ein Fahrzeug zu den Grundbedürfnissen gehört.
Wie Trump von seinen wichtigsten Wirtschaftsberatern immer wieder gesagt wird, sind solche ‘Gewinne’ für die moderne Dienstleistungswirtschaft der USA (80 Prozent der gesamten Wertschöpfung durch Dienstleistungen) kurzfristig. Nachzulesen im Bestseller von Bob Woodward ‘Fear’, wo sich neben Skandalblüten auch hochinteressante Details über den Entscheidungsprozess in Trumps Weissem Haus finden.
Politische Folgen ignoriert
Auch den politischen Aspekt aller Wirtschaftspolitik, zumal jener der Supermacht USA, sieht Trump nicht. So hatte der neue mexikanische Präsident gar keine andere Wahl, als mit dem neuen Abkommen einer (für sein Land wirtschaftlich unvorteilhafteren) Verflechtung der Handelsbeziehungen nach Norden zuzustimmen. Nafta hatte Mexiko wirtschaftliche Vorteile gebracht. Wenn diese nun teilweise wegfallen, wird sich der Emigrationsdruck Richtung USA noch verstärken.
Ähnliches gilt für den kürzlich abgeschlossenen Freihandelsvertrag zwischen den USA und Korea. Hier ist der politische Hintergrund noch klarer. Im Austausch gegen Marktöffnung in den USA für koreanische Produkte bleiben US-Truppen und Lenkwaffen in Korea stationiert, welche sowohl das Land selbst als auch die amerikanische Peripherie gegen nordkoreanische Aggression und chinesische Expansion schützen. Trump, der in extremis von seinen vernünftigen Ministern an der Kündigung des alten Wirtschaftsvertrages mit Korea gehindert werden konnte, sieht nur den unmittelbaren kommerziellen Deal und hat keine Ahnung von dessen politischem Hintergrund.
Der Ausstieg aus dem Iran-Abkommen
Die Kündigung des Nuklearabkommens zwischen den ständigen Mitgliedern des Uno-Sicherheitsrates (plus die BRD) und Iran durch Washington dürfte als eine Wegmarke in die Geschichte eingehen: als amerikanische Abwendung von seiner Führungsrolle unter Trump. Weil sich dieser im ‘Triumvirat’ Netanyahu-Putin-Trump unter Seinesgleichen wohl fühlt, hat er ohne Not den Vertrag gekündigt, welcher den Moderaten in Teheran als Hauptpfeiler gegen die eignen Scharfmacher dient und eine bedeutende Barriere darstellt gegen ein atomares Wettrüsten im Mittleren Osten.
Entsprechend heftig war die Reaktion der europäischen Länder auf die mit der Kündigung einhergehenden Boykottbefehle der amerikanischen Regierung. Erster Ausdruck war die praktisch zeitgleich mit Trumps Uno-Rede erfolgte Erklärung der EU-Aussenministerin Mogherini, wonach Brüssel der eigenen Exportindustrie in deren Iran-Handel mit nichtfinanziellen Tauschoperationen, also ohne Dollartransfers, helfen werde.
Neue internationale Zahlungssysteme
Ob dies der harten internationalen Finanzrealität standhalten wird, wo der Dollar nach wie vor regiert, ist ungewiss. Potentiell schwerwiegender war der kürzliche Vorschlag des deutschen Aussenministers Heiko Maas für ein neues internationales Zahlungssystem. Das würde weniger Abhängigkeit von der bisherigen Leitwährung Dollar bedeuten. Maas argumentiert explizit mit dem Beispiel Iran-Sanktionen, da im Mittleren Osten die völlig einseitige amerikanische Parteinahme – für Israel und das sunnitische Saudi-Arabien, gegen Palästina und das schiitische Regime in Teheran – für gefährlichen Zündstoff sorgt. Gleichzeitig trägt dieser Konfrontationskurs Washingtons aber kaum dazu bei, iranische Expansionsgelüste einzudämmen, etwa in Form der Hisbollah im Libanon. Auch in Asien sind Stimmen zu vernehmen, welche eine grundlegende Revision des internationalen Zahlungssystems verlangen.
Wirtschaftsverträge ohne die USA
Trump hat in Asien die wirtschaftlichen Schwergewichte mit seinem einseitigen Rückzug vom TPP (transpazifischer Freihandelsvertag) gründlich verärgert. Japan, nach wie vor die drittgrösste Wirtschaftsmacht der Welt (wenn EU-Länder einzeln und nicht als Block gezählt werden), hat als Reaktion einen Freihandelsvertrag mit der EU abgeschlossen und den erwähnten TPP als TPP minus One (ohne die USA) wieder auferstehen lassen. Ohne die USA ist die Wahrscheinlichkeit näher gerückt, dass dieser neue TPP mittelfristig mit dem RCEP zusammengelegt wird. RCEP steht für Regional Comprehensive Economic Partnership, ein Freihandelsvertrag in Asien, der schwergewichtig von China vorangetrieben wird. Das Beiseitestehen von solchen wegweisenden Entscheiden liegt kaum in Washingtons längerfristigem Interesse.
Unfall oder bleibender Schaden?
Im Moment warten die traditionellen westlichen Partner ab, ob Trump nur ein extremes Beispiel von übersteigerten Nationalismus, einen geschichtlicher Unfall darstellt oder ein Symptom eines grundlegenden Wandels hin zu einer egoistischeren, von Schwergewichten dominierten Staatenwelt. Das heisst aber nicht, dass sie mit dem Bau institutioneller Strukturen für mehr Unabhängigkeit zuwarten. Ein unter Trumpschem Diktat neu ausgehandelter Wirtschaftsvertrag wie USMCA bestärkt sie in der Überzeugung, dass die Loslösung von Washington beginnen muss, wie Heiko Maas es vorgeschlagen hat.